Farbwechsel zeigt Schäden im Material an
ETH-Forschende entwickelten ein neuartiges Laminat, das sich verfärbt, sobald sich das Material verformt. Damit schlagen die Materialforschenden zwei Fliegen mit einer Klappe: einen leichtgewichtigen Verbundwerkstoff, der sich selbst inspiziert.
In vielen Bereichen hat die Leichtbauweise Einzug gehalten, insbesondere im Fahrzeug-, Schiff- und Flugzeugbau. Nebst klassischen Leichtmetallen wie Aluminium, Magnesium oder Titan werden zunehmend auch Verbundmaterialien, sogenannte Komposite, in tragenden Anwendungen verbaut. Das hat zur Folge, dass gleichzeitig neue Techniken und Methoden entwickelt werden müssen, um Schäden oder gar ein mögliches Versagen solcher noch wenig erprobter Materialien frühzeitig zu erkennen.
Forschende der ETH Zürich aus der Gruppe für Komplexe Materialien in Zusammenarbeit mit Forschern der Universität Fribourg haben nun einen Ansatz gewählt, über den in der Materialforschung schon viel nachgedacht wurde: Sie haben einen Leichtgewichts-Werkstoff geschaffen, der durch eine Farbänderung innere Verformungen und damit ein mögliches Materialversagen frühzeitig anzeigt. Das aus einzelnen Schichten zusammengesetzte Laminat ist transparent, bruchfest und trotzdem sehr leicht.
Künstliches Perlmutt mit Polymer kombiniert
Aufgebaut ist das Laminat aus sich abwechselnden Schichten aus einem Kunststoff (Polymer) und künstlichem Perlmutt. Letzteres ist eine Spezialität des Labors für Komplexe Materialien und ist dem biologischen Vorbild der Muschelschale nachempfunden. Es besteht aus unzähligen, parallel angeordneten Glasplättchen, die verdichtet, gesintert und durch ein Polymer-Harz verfestigt werden. Dadurch wird es äusserst hart und bruchfest.
Die zweite Schicht besteht aus einem Polymer, dem die Forschenden ein eigens für diese Anwendung an der Universität Fribourg synthetisiertes Indikatormolekül beimengten. Dieses Molekül wird durch Dehnungskräfte, die im Polymer auftreten, aktiviert. Dadurch verändert sich dessen Fluoreszenz. Je stärker die Materialdehnung und je mehr dieser Moleküle aktiviert werden, desto intensiver wird die Fluoreszenz.
Fluoreszenz zeigt überbeanspruchte Teile an
«Wir haben fluoreszierende Moleküle verwendet, weil man die Zunahme der Fluoreszenz sehr gut messen kann und nicht auf die subjektive Wahrnehmung angewiesen ist», sagt Tommaso Magrini, Erstautor einer entsprechenden Studie, die vor kurzem in der Fachzeitschrift «ACS Applied Materials and Interfaces» erschienen ist. Man hätte das System auch mit einem von aussen direkt wahrnehmbaren Farbumschlag aufbauen können. Aber: «Die Wahrnehmung von Farben ist subjektiv und Rückschlüsse auf Veränderung im Material schwierig», betont der Forscher.
Mithilfe der Fluoreszenz können die Forschenden nun überbeanspruchte Bereiche innerhalb des Verbundwerkstoff bereits dann identifizieren, bevor sich Brüche ausbilden. Dadurch lassen sich anfällige Stellen in einer Struktur frühzeitig erkennen, ehe ein katastrophales Versagen auftritt. Eine mögliche Anwendung des neuartigen Laminats sind denn auch Bauteile in tragenden Strukturen, etwa von Bauten, Flugzeugen oder Fahrzeugen, und deren Versagen unbedingt frühzeitig erkannt werden muss.
Eine offene Frage ist allerdings noch, ob und wie das Material im industriellen Massstab produziert werden kann. Bis jetzt gibt es dieses erst im Labormassstab als Machbarkeitsnachweis.
Literaturhinweis
Magrini T, Kiebala D, Grimm D, Nelson A, Schrettl S, Bouville F, Weder C, Studart AR. Tough Bioinspired Composites That Self-Report Damage, ACS Appl. Mater. Interfaces 2021, 13, 23, 7481–27490. DOI: externe Seite 10.1021/acsami.1c05964