Form der Steine bei der Risikobeurteilung stärker berücksichtigen

Für die Beurteilung der Steinschlaggefahr spielt die Steinform eine wichtige Rolle, wie Forschende des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung sowie der ETH Zürich zeigen.

Betonblocke liegt auf kippbaren Plattform
Einer der Betonblöcke liegt auf der kippbaren Plattform, mit deren Hilfe er kurz darauf in Bewegung gesetzt wird. (Bild: SLF / Martin Heggli)

Steinschlag ist im Alpenland Schweiz eine reale Bedrohung. Um die Gefährdung an einem Ort abzuschätzen und Schutzmassnahmen zu planen, berechnen Ingenieurbüros mit Hilfe von Computermodellen, wie weit herabfallende Steine rollen können. Doch inwiefern Masse, Grösse oder Form eines Steins dessen Bewegung beeinflussen, können die Modelle bisher nicht ausreichend berücksichtigen. Dafür müsste man sie mit Messdaten aus der realen Welt füttern – diese gab es jedoch bisher nur vereinzelt, systematische Untersuchungen von Steinschlägen fehlten hingegen.

Erstmals umfassende Experimente

Doch nun haben Forschende des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF und der ETH Zürich während mehr als vier Jahren Steinschlagexperimente durchgeführt. «So konnten wir den bisher grössten Satz an Messdaten zusammentragen», sagt Andrin Caviezel, SLF-Forscher und Hauptautor der Studie. Die Forschenden verwendeten künstliche, mit Sensoren bestückte Steine aus Beton, die sie nahe dem Flüelapass (GR) einen Hang hinabrollen liessen. Dabei verglichen sie verschiedene Formen und Massen, rekonstruierten die kompletten Flugbahnen und bestimmten Geschwindigkeiten, Sprunghöhen und Auslaufbereiche (siehe Infobox). Ihre Resultate haben sie soeben in der renommierten Fachzeitschrift «Nature Communications» veröffentlicht.

Seitliche Streuung

Die wichtigste Erkenntnis: In welche Richtung ein Stein rollt, hängt viel stärker von seiner Form ab als von seiner Masse. Während würfelförmige Brocken in der Falllinie den Hang hinunterdonnern, ziehen radförmige Steine häufig zur Seite weg. Deshalb können sie einen viel breiteren Bereich am Hangfuss gefährden. «Das muss bei der Einschätzung von Gefahrenzonen berücksichtigt werden, aber auch bei der Platzierung und Dimensionierung von Steinschlagnetzen», sagt Caviezel. Denn weil radähnliche Steine mit der schmalen Seite in Steinschlagnetze prallen, konzentriert sich ihre Energie auf eine viel kleinere Fläche als bei würfelähnlichen Steinen – Schutznetze müssen also stärker sein.

Realistischere Modelle

Die Daten fliessen nun in das am SLF entwickelte Simulationsprogramm Ramms-Rockfall ein. Ziel ist, neben dem Einbezug der Form auch realitätsnäher abzubilden, wie Aufprall und Absprung vom Boden die Geschwindigkeit des Steins beeinflussen. «So können wir ein verbessertes Programm anbieten, mit dem Ingenieurbüros zuverlässigere Berechnungen machen können», sagt Caviezel. Zudem ist der Datensatz auf der Plattform «Envidat» auch für andere Forschungsgruppen frei zugänglich. Diese können damit eigene Algorithmen kalibrieren oder neue Modelle entwickeln, welche die Realität noch genauer als bisher abbilden und den Schutz vor Steinschlag verbessern.

Die Steinschlagversuche in Zahlen

  • Anzahl Betonblöcke: 183
  • Gewicht der Blöcke: 45, 200, 800 und 2670 Kilogramm
  • Anzahl rekonstruierter Flugbahnen: 82
  • Verwertbare Aufschläge: 1394
  • Maximale Sprunghöhe: 11,1 Meter
  • Maximale Geschwindigkeit: 30,3 Meter pro Sekunde = 109 km/h

Dieser Artikel von Claudia Hoffmann erschien zuerst in den externe SeiteSLF News.

Literaturhinweis

Caviezel A et al.: The relevance of rock shape over mass—implications for rockfall hazard assessments, Nature Communications, 20. September 2021, doi: externe Seite10.1038/s41467-021-25794-y

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