Auf das erste Elektron kommt es an
Für den Transport von Elektronen aus der Atmung von Mikroben kommen in sauerstofffreien Umgebungen besondere Moleküle zum Einsatz. Jetzt hat eine Gruppe von Forschenden herausgefunden, welche Eigenschaft dieser Moleküle bestimmt, wie effizient sie sind.
Alles, was lebt, braucht Energie. Das gilt auch für Mikroorganismen. Oft erzeugen die Zellen die Energie durch Atmung, also durch das Verbrennen organischer Verbindungen. Dabei werden Elektronen freigesetzt, welche die Mikroorganismen loswerden müssen. Ist dafür kein Sauerstoff vorhanden, nutzen sie andere Wege, darunter den Transport der Elektronen auf Minerale ausserhalb der Zellen.
Reduktionsraten schwanken stark
In sauerstofffreien Seesedimenten oder Böden spielen insbesondere Eisenoxide als Akzeptoren der freigesetzten Elektronen eine wichtige Rolle. Doch wie gelangen die Elektronen von der Verbrennung in den Zellen zu den Eisenoxiden, die sich ausserhalb der Zelle befinden? Dafür verwenden Mikroorganismen besondere Moleküle, die wie ein Taxi zwei Elektronen an der Zelloberfläche abholen und zu den Eisenoxiden befördern. Dort steigen beide Elektronen aus und reduzieren dabei dreiwertiges zu zweiwertigem Eisen. Das Taxi ist wieder frei und kann erneut Elektronen transportieren.
Diese Extracellular Electron Shuttles, kurz EES, sind schon länger bekannt. Jedoch war bisher unklar, weshalb ihre Effizienz stark von ihrer Struktur und den Umweltbedingungen abhängt – und somit das Tempo der Eisenoxidreduktion über mehrere Grössenordnungen variiert. Bisherige Versuche, die grossen Effizienzunterschiede mit bekannten Faktoren wie dem pH-Wert oder der Energiedifferenz zwischen den Elektronen in den Elektronentaxis und dem Eisen in den Oxiden zu erklären, waren bisher nicht erfolgreich.
Elektronen müssen individuell betrachtet werden
Eine soeben in der Zeitschrift PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) veröffentlichte Studie von Forschenden der Eawag und der ETH Zürich zeigt nun, wie Effizienzunterschiede der EES mit einer einzigen, eindeutigen Beziehung erklärt werden können. «Wir haben nicht wie bisher die gemittelte Energie beider transportierter Elektronen betrachtet, sondern das jeweilige Energieniveau der einzelnen Elektronen.", sagt Meret Aeppli, die Erstautorin der Studie. Dabei stellte sich heraus, dass der Transfer des ersten Elektrons vom EES auf das Eisenoxid oftmals energetisch deutlich ungünstiger ist als der Transfer des zweiten», erklärt Eawag-Umweltchemiker Thomas Hofstetter.
Die Forschenden konnten zeigen, dass die Energiedifferenz zwischen dem ersten, vom EES übertragenen Elektron zum Eisenoxid die Eisenreduktionsrate bestimmt. Mit diesem Ansatz liessen sich die Effizienzunterschiede verschiedener EES erklären, und zwar sowohl über einen grossen pH-Bereich als auch für zwei unterschiedliche Eisenoxide. Michael Sander, Professor für Organische Umweltchemie der ETH Zürich fasst den Vorgang bildlich zusammen: «Unter vielen Bedingungen will das erste Elektron eigentlich nicht aus dem EES-Taxi aussteigen, wird aber vom zweiten Elektron gleichsam von der Rückbank nach draussen geschubst.»
Elektronentransfer mit UV-Licht sichtbar gemacht
Für ihre Untersuchung haben die Autorinnen und Autoren sowohl eigene Experimente entwickelt und Daten erhoben als auch Ergebnisse vergangener Studien integriert. Für die Versuche in den Laboren der Eawag und ETH haben die Forschenden natürliche und synthetische EES-Moleküle verwendet und zwei weit verbreitete Eisen(III)-Oxide untersucht. Die Rate des Elektronentransfers von den EES auf die Eisenoxide und somit die Effizienz des Elektronentransports konnten die Forschenden mit UV-Licht sichtbar machen. Denn dieses wird von den EES unterschiedlich absorbiert, je nachdem, ob sie mit oder ohne die beiden Elektronen unterwegs sind.
Klein aber fein
Die Studie beschreibt nur einen kleinen Schritt in der mikrobiellen Atmung. Doch er ist zentral in vielen Prozessen. Und weil er nun endlich allgemeingültig verstanden ist, können Forschende die anaerobe Atmung auf Mineralphasen zwischen Studien und Systemen jetzt besser vergleichen. So klein der Schritt scheint, so relevant kann er sein für das Verständnis globaler biogeochemischer Prozesse – zum Beispiel beim anaeroben Abbau der organischen Substanz in auftauenden Permafrostböden, ein Prozess, bei dem riesigen Mengen an klimawirksamem CO2 freigesetzt werden.
Dieser Artikel von Andri Bryner erschien zuerst auf der externe Seite Eawag News-Plattform.
Literaturhinweis
Aeppli M, Giroud S, Vranic S, Voegelin A, Hofstetter TB, Sander M: Thermodynamic Controls on Rates of Iron Oxide Reduction by Extracellular Electron Shuttles, PNAS (2022) 119, DOI: externe Seite 10.1073/pnas.21156291192115629119