Eine ökologische Wende kann gelingen

Christoph Küffer

Natur ist nicht nur nice-to-have, sondern systemrelevant: Weil die biologische Vielfalt schwindet, ist unsere Lebensgrundlage bedroht. Ein ökologischer Wandel ist möglich, wenn wir alle wollen, schreibt Christoph Küffer.

Die Biodiversitätskrise hat eine Dimension erreicht, welche nicht mehr nur durch wenige Schutzgebiete und ein paar freiwillig Engagierte bewältigt werden kann. Naturschutz ist längst kein Hobby mehr, sondern ein weltpolitisches Thema, um das wir uns dringend kümmern müssen. Daran erinnert uns der internationale Tag der Biodiversität.1

begrünte Betonwand
Natur fördern, wo immer es möglich ist. (Bild: vallerato / Adobe Stock)  

Der Tag geht auf den 22. Mai 1992 zurück, als die Nationen der Welt mit dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt2 erstmals eine gemeinsame Strategie zur Rettung der natürlichen Lebensgrundlagen formulierten. Heute, genau 30 Jahre später, gibt es allerdings wenig Grund zu feiern.

Ökologisches Versagen wird zum Systemrisiko

Die Populationen der Wirbeltiere wie Säugetiere, Vögel und Fische sind seit den 1970er Jahre weltweit im Durchschnitt um zwei Drittel geschrumpft.3 Dramatisch ist die Lage auch für andere Artengruppen wie Insekten4 oder Pflanzen5. Das Artensterben beschleunigt sich.6 Damit ist zusehends auch unsere Lebensgrundlage gefährdet.

«Als Ökologe versuche ich aufzuzeigen, dass ökologische Alternativen und Win-Win-Situationen möglich sind.»
Christoph Küffer

Das haben inzwischen auch die internationale Politik und Wirtschaft erkannt. Das britische Finanz- und Wirtschaftsministerium bezeichnet die Natur als das wertvollste Kapital und spricht von einem kollektiven ökologischen Versagen.7 Das WEF zählt den Naturverlust zu den grössten globalen Risiken. 8 Und Swiss Re sieht ein Fünftel aller Nationen direkt durch den Kollaps von Ökosystemen gefährdet.9

Eine ökologische Wende ist möglich

Es besteht ein breiter Konsens, dass weiterer Naturverlust zum Kollaps führt. Wir erleben bereits wie Zielkonflikte um knappe Natur zunehmen: Intensive oder biologische Landwirtschaft? Verdichtete oder begrünte Städte? Erneuerbare Energien in Naturschutzgebieten?

Als Ökologe versuche ich aufzuzeigen, dass ökologische Alternativen und Win-Win-Situationen möglich sind. Durch ökologische Regeneration10 entstehen Synergien:

  • Der Mensch braucht Natur: Statt Leben und Natur zu trennen, sollten wir vielfältige Naturbeziehungen pflegen. Naturerlebnisse erhöhen die Lebensqualität und fördern die Gesundheit.11
  • Die gesamte Landschaft ist Natur: Statt isolierte Naturinseln zu schützen, sollten wir die gesamte genutzte Landschaft regenerieren. Renaturierte Landschaften puffern Klimaextreme, verbessern das Landschaftsbild und sichern Naturleistungen wie die Bestäubung.
  • Wirtschaft braucht Naturschutz: Eine ökologische Ökonomie vermehrt ihr Naturkapital, statt es zu vernichten. Dazu sollen möglichst viele unserer Tätigkeiten die Landschaft schützen, wiederherstellen oder nachhaltig nutzen.

Gemeinsam mit statt gegen die Natur

So genannte naturbasierte Lösungen12 spannen mit der Natur zusammen, generieren Wertschöpfung und kommen – sofern gut durchdacht – der Biodiversität zugute. Beispiele sind robustere Kulturen und gesunde Böden dank ökologischer Landwirtschaft, Klimaanpassung durch Wälder und Moore, oder Küstenschutz mittels Mangroven.

Dieses Jahr fordert uns der Tag der Biodiversität zum «Aufbau einer gemeinsamen Zukunft für alles Leben» auf. Das gelingt uns, wenn wir im Alltag reiche Naturbeziehungen pflegen, die Ausbildung und Forschung zu naturbasierten Lösungen fördern, und in eine naturbasierte Wirtschaft investieren.

Referenzen

Convention on Biological Diversity (CBD): externe SeiteInternational Day for Biological Diversity

Convention on Biological Diversity (CBD): externe SeiteGlobal Biodiversity Outlook 5.

WWF: externe SeiteLiving Planet Report 2020

Widmer I, Mühlethaler R et al. (2021) externe SeiteInsektenvielfalt in der Schweiz: Bedeutung, Trends, Handlungsoptionen. Swiss Academies Factsheets 16 (4).

Bundesamt für Umwelt BAFU: externe SeiteRote Liste Gefässpflanzen.

SCNAT: Forum Biodiversität: externe SeiteWeltbiodiversitätsrat warnt vor drastisch beschleunigtem Artensterben

UK Government: externe SeiteThe Economics of Biodiversity: The Dasgupta Review (2021)

WEF: Global Risk Report 2021: externe SeiteThese are the top risks for business in the post-COVID world

Swiss Re: externe SeiteA fifth of countries worldwide at risk from ecosystem collapse as biodiversity declines (2020)

10 Die UNO hat 2021 die externe SeiteDekade der Ökosystem-Renaturierung ausgerufen.

11 Unter dem Stichwort «Biophilia» wurde in den letzten Jahren viel Forschung betrieben, welche aufzeigt, wie stark unsere Gesundheit und Lebensqualität von einem natürlich Lebensumfeld abhängt. Siehe SCNAT Forum Biodiversität: externe SeiteBiodiversität, eine Garantie für Gesundheit?

12 International Union for Conservation of Nature (IUCN): externe SeiteNature-based Solutions for people and planet

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