Welche Wirkung wollen sie bei den Besucher:innen erzielen?
Ursprung: Wir wollen ihnen eine neue Perspektive mitgeben und sie dazu ermuntern, den Wettstreit der nationalen Pavillons auf der Biennale zu hinterfragen, denn es handelt sich dabei um einen Anachronismus.
Sander: Alle Pavillons sind ja mehr oder weniger Nachbarn, nur diese beiden sind ganz besonders eng miteinander verbunden. Wir wollen das Gemeinsame über das Trennende stellen. Die nationalen Pavillons sind Orte internationaler Begegnungen. Die Menschen kommen hier aus der ganzen Welt zusammen und politische und kulturelle Unterschiede treten für einen Moment in den Hintergrund.
Ist es eine Aufgabe von Architektur und Kunst nationale Grenzen oder Grenzziehungen zu hinterfragen?
Sander: Architektur hat immer auch eine politische Dimension.
Ursprung: Die Ausstellung soll nicht eine PR-Botschaft verbreiten. Wir sehen sie als Medium, mit dem wir fixe Ideen und Dinge hinterfragen und revidieren können.
Venezuela ist ein autoritär geführter Staat. Inwiefern hat die politische Situation dort Ihre Arbeit beeinflusst?
Sander: Es war klar, dass wir aus politischen Gründen keine gemeinsame Ausstellung machen können. Man muss ausserdem wissen, dass im venezolanischen Pavillon schon länger keine Ausstellung mehr zu sehen war. In den letzten Jahren diente das Gebäude der Schweiz und Russland als Lagerraum. Wir haben die Behörden Venezuelas natürlich informiert, dass wir die Mauer auf der Schweizer Seite wegnehmen. Bis jetzt haben wir keine offizielle Rückmeldung erhalten.
Ursprung: Wir können das nicht beweisen, aber es sieht danach aus, dass die venezolanischen Behörden, nachdem sie von unserem Projekt erfahren haben, nun doch wieder an der Biennale teilnehmen wollen.
Aus politischer Sicht kann man sich auch fragen, ob das Öffnen der Mauer zum venezolanischen Pavillon hin nicht ein falsches Signal ist.
Ursprung: Wir sind nach Venezuela gereist, um uns selbst ein Bild zu machen. Die Situation dort ist verheerend. Kunst- und Kulturschaffende sind eingemauert und isoliert. Wir öffnen die Mauer nicht gegenüber dem Regime, sondern gegenüber Künstler:innen, Architekt:innen und Forschenden. Diesen Menschen geben wir in unserem Buch und auf diversen Podien auch eine Stimme.
Sander: Wir sehen die Ausstellung als eine Einladung. Die Kunst kann hier einen Dialog anstossen. Dabei hat sie womöglich mehr Spielraum als die Politik.