Ein Blick in die Schatzkiste
Die Sammlungen und Archive der ETH Zürich bergen unglaubliche Schätze. Neu ist ein Extrakt davon in einem Ausstellungsraum im Hauptgebäude zu sehen.
- Vorlesen
- Anzahl der Kommentare
Rostpilze: nein, nicht zehn, nicht hundert – über 70'000 Rostpilzbelege besitzt die ETH Zürich in ihrem Fungarium. Und diese befinden sich in guter Gesellschaft: In rund zwanzig natur- und kulturhistorischen Sammlungen und Archiven verfügt die Hochschule wohl über mehr als zehn Millionen Objekte und Dokumente.
Die Vielfalt in diesen Sammlungen ist enorm. Sie reicht von Alten Drucken, Fossilien, Gesteinen und Mineralien in den Erdwissenschaftlichen Sammlungen, dem ETH Material Hub über das Bildarchiv mit über 3,5 Millionen Bildern und die umfangreiche Graphische Sammlung, bis hin zu zwei Literaturarchiven, dem Hochschularchiv und dem Archiv für Zeitgeschichte.
Aber warum hat die ETH überhaupt solche Bestände? «Tatsächlich sind viele dieser Sammlungen historisch gewachsen. Die Vorstellung allerdings, dass es sich um eine Art Liebhaberei handelt, die wir aus Nostalgie pflegen, ist komplett falsch», sagt Michael Gasser, Leiter der Sammlungen und Archive. Die unterschiedlichen Belege, Text- und Bildquellen spielen bis heute eine wichtige Rolle in der Forschung und in der Lehre. Aktuelles Beispiel sind kürzlich 3D-digitalisierte mathematische Modelle aus der Sammlung wissenschaftlicher Instrumente und Lehrmittel, die mit digitalen Methoden analysiert und verglichen werden.
Eine digitale Fundgrube
Entscheidend ist, dass die Bestände für möglichst viele Menschen zugänglich sind. Hierbei spielt heute die Digitalisierung eine zentrale Rolle, und die ETH schreitet mit grossen Schritten voran. Über Plattformen wie e-rara oder E-Pics haben Interessierte auf der ganzen Welt beispielsweise Zugriff auf über 75'000 wertvolle Bücher und Zeitschriften von der zweiten Hälfte des 15. bis zu den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Übrigens sind auch die Rostpilze mittlerweile komplett digitalisiert und können in ihrer ganzen Schönheit am Computer bewundert werden.
Wer denkt, Sammlungen und Archive verlieren an Bedeutung, liegt falsch, und das gleich aus zwei Gründen: Mit dem vermehrten Einsatz von künstlicher Intelligenz werden Sammlungen gerade als wahre Fundgruben für Daten (wieder-)entdeckt. Mit ihnen lassen sich neue Dienstleistungen entwickeln, die beispielsweise in den riesigen Textmengen nach Namen von historischen Personen, Orten und anderen «benannte Entitäten» suchen und diese automatisiert miteinander verlinken. «Und dann erleben wir, dass die Menschen nach wie vor eine grosse Sehnsucht nach physischen Ausstellungsgegenständen haben, denen sie im realen Raum begegnen können», erklärt Gasser.
Extrahierte Schätze
Deshalb widmet die ETH den Sammlungen und Archiven auch eine ganz neue Ausstellungsfläche: «extract» (siehe Box). Die erste Ausstellung dreht sich um das Thema Biodiversität: Zu sehen sind unter anderem aufregende Insekten aus der entomologischen Sammlung und spannende Pflanzen aus den vereinigten Zürcher Herbarien. «Ganz bewusst wollen wir in ‹extract› mit unseren Beständen aktuelle Forschungsfragen thematisieren», so Gasser.
«extract» ist Teil des neuen Ausstellungsflügels im ETH-Hauptgebäude, der die Graphische Sammlung umfasst und die neue Dauerausstellung des Thomas-Mann-Archivs beherbergt. Alle drei Ausstellungsflächen sind durchgehend für die Besuchenden geöffnet.
Wie beliebt die Ausstellungen sind, zeigte sich unter anderem an der Langen Nacht der Museen, bei der über 1800 Menschen die ETH besuchten. Gasser meint dazu: «Die Ausstellungsflächen im Hauptgebäude sind eine grossartige Gelegenheit, zu zeigen, dass die ETH offen für alle sein möchte» – mehr Rostpilze weniger Elfenbeinturm also.
Neue Ausstellungsfläche «extract»
In zwei kleinen Räumen im ETH-Hauptgebäude können Besucherinnen und Besucher ein konzentriertes Destillat von Exponaten und Dokumenten aus den Sammlungen und Archiven der ETH Zürich ansehen. Die aktuelle Ausstellung widmet sich dem Thema «Biodiversität: verletzliche Vielfalt».
«Globe» Mensch im Mittelpunkt
Dieser Text ist in der Ausgabe 23/04 des ETH-Magazins Globe erschienen.