Die Ausstellung will zum Erfahrungstausch anregen, wie die konzeptionellen und technologischen Überlegungen aus der Schweiz zusammen mit konkreten Massnahmen vor Ort die Erhaltung und Reparatur von Siedlungen und Anlagen in der Ukraine unterstützen können. Darin waren sich an der Eröffnung die ETH-Professoren Matthias Kohler, Brian Adey, Kees Christiaanse und Andreas Wieser einig. Dementsprechend war auch das fünfköpfige Ausstellungs-Kuratorium gemischt: Neben Basil Roth und Jonathan Banz wirkten die Architektin Gyler Mydyti und Adam Przywara vom «Swiss Network with Ukraine» mit sowie die Ukrainerin Anastasiya Ponomaryova, die zuletzt in der Gruppe für Geschichte und Theorie der Architektur von Philip Ursprung angestellt war.
Kontaminierte Böden sanieren, Geburtenklinik schützen
Ein Bereich, in dem lokale und internationale Initiativen gefragt sind, ist die Landwirtschaft. Schliesslich sind geschätzt über 4700 Quadratkilometer Ackerland kontaminiert. An der Ausstellung zeigen die Umweltwissenschaftlerin Vira Ohorodnyk, die Ökologin Olena Melnyk und die Agrarökonomin Maryna Nehrey, mit welchen ökologischen und politischen Massnahmen sich Agrarflächen wiederherstellen und Landwirtschaftsgebiete wiederbeleben lassen. Alle drei sind aus der Ukraine geflohen und arbeiten derzeit an der ETH.
Olena Melnyk untersuchte an 89 Bombenkratern, wie sehr die Bombardierungen die Ackerböden mit Schwermetallen und Umweltgiften kontaminiert haben. Ihre Erkenntnisse werden nun aufgegriffen: An der Berner Fachhochschule entwickelt eine Gruppe von Ukrainer:innen im Rahmen des externe Seite CAS Wiederaufbau Ukraine Strategien, wie sich die Böden sanieren und wieder so kultivieren lassen, dass die Gesundheit der Menschen gesichert ist, erklärt das Projektmitglied Yevgen Getman gegenüber «ETH-News». Eine andere ukrainische CAS-Teilnehmerin, Kateryna Vynogradova, schildert, wie die Geburtenklinik in Dnipro baulich so verstärkt wird, dass der Operationssaal und die Notaufnahme bei Bombardierungen geschützt sind.
Die Ökonomin Iryna Doronina, die als Senior Researcher am ETH-Institut für Wissenschaft, Technologie und Politik ISPT tätig ist, untersucht die Auswirkungen des Krieges auf das Energiesystem der Ukraine. Ihre Forschung hat ergeben, dass im ersten Jahr des Krieges mehr als 255 Raketen die Energieinfrastruktur trafen und rund 70 Prozent der Energie-Anlagen und 50 Prozent des Übertragungsnetzes entweder vollständig oder zeitweise beschädigt wurden. Infolgedessen kam es in ganzen Regionen, einschliesslich der Hauptstadt, zu Stromausfällen, die bis zu acht Stunden pro Tag dauerten. Gemäss Doroninas Forschung fand der russische Angriff genau zu dem Zeitpunkt statt, als das ukrainische Stromnetz unabhängig von den benachbarten Netzen funktionierte und die Ukraine in der Lage war, das Land eigenständig mit Strom zu versorgen. Sie untersucht auch das Potenzial erneuerbarer grüner Energien für eine künftige kohlenstoffarme, dezentralisierte und konfliktresistente Strominfrastruktur in der Ukraine.
Von der Notunterkunft zu leicht baubaren Wohnhäusern
Mehrere Initiativen fokussieren auf das Wohnen, da der Krieg bereits weit über 150’000 Wohnhäuser zerstörte und rund 12 Mio. Ukrainer:innen ihre Häuser verlassen mussten. Eine Initiative für leicht erstellbare Holzhäuser stammt vom Schweizer Fenster- und Fassaden-Bauer Martin Huber. Er führte schon vor dem Krieg ein Unternehmen in der Ukraine. Unter seiner Leitung wurde in der Schweiz ein dreiteiliges Kleinhaus aus Holz entwickelt, das Bad/Küche, Stube und Schlafzimmer für vier Personen umfasst. In der Ukraine ist es bislang 89-mal gebaut worden. Dank guter Wärmedämmung lassen sich auch Zeiten überbrücken, in denen Strom oder Heizung ausfallen. In einer Kooperation von Mitgliedern des «Swiss Network with Ukraine» wird nun dieser Ansatz weiterentwickelt, um ihn mit Mitteln der digitalen Fabrikation auf grössere Mehrfamilienhäuser zu übertragen, wie Gyler Mydyti, Architektin und eine der Ausstellungskuratorinnen, erklärt.
Praktische Weiterverwendung von Baumaterial
In der Ausstellung steht das Modell des Holzhauses gleich neben einer reparierten Holztür und einem hölzernen Bettgestell. Diese Exponate kommen aus dem ukrainischen Projekt «CO-HATY» (was auf Deutsch mit «lieben» oder «Haus-Zusammenarbeit» übersetzt werden kann). Sie zeigen, wie Ukrainer:innen diverse Baumaterialien für Wohnhäuser wiederverwenden. Umgesetzt wird «externe Seite CO-HATY» von der ukrainischen NGO Metalab, der auch die ukrainische Architektin und Ausstellungskuratorin Anastasiya Ponomaryova angehört. In der Westukraine hat Metalab sechs ehemalige sowjetische Ministerialgebäude zu Notunterkünften für rund 1300 Flüchtlinge umgebaut und entwickelt nun weitere Ansätze, um den Mangel an Wohnungen langfristig zu mildern. Für Gyler Mydyti ist «CO-HATY» ein gutes Beispiel, dass Baufachpersonen in der Schweiz auch von den ukrainischen Ansätzen lernen können, wie sich Baumaterialien wiederverwenden lassen.
Ebenfalls zur Wiederverwendung sammelt der schweizerische Verein «externe Seite Re-Win» Fenster für die Ukraine – zum Beispiel werden unter Beteiligung der Professur für Kreislaufwirtschaft in der Architektur von Catherine de Wolf, die Fenster der Huber-Pavillons, die auf dem ETH-Campus Hönggerberg abgebrochen wurden, in der Ukraine weiterverwendet.
Kommentare
Es sind zusätzliche Kommentare in der englischen Fassung dieses Beitrags verfügbar. Alle Kommentare anzeigen
Thank you for your understanding and support. This is very valuable in the difficult conditions in which Ukraine now finds itself.
tolle Sache. Weiterhin viel Erfolg!