Ein Forum der Integration, Inklusion und Innovation
900 Teilnehmende, darunter zwei Bundesräte, kamen zwei Tage an die ETH Zürich, wo sie sich am IC Forum, einer gemeinsamen Veranstaltung der DEZA und des SECO, mit Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung auseinandersetzten.
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Mit der Frage, was Wachstum bedeutet, begrüsste die ETH Zürich die Teilnehmenden des 4. IC Forums vom 27. und 28. Februar 2025. Das diesjährige Forum widmete sich der Frage, wie die Schweiz Entwicklungs- und Partnerländer dabei unterstützen kann, ihr wirtschaftliches Potenzial nachhaltig auszuschöpfen.
Rund 900 Fachleute aus Politik, Wirtschaft, Forschung, Philanthropie und Zivilgesellschaft folgten dem Ruf der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) des EDA und des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) des WBF, an die ETH Zürich, wo sie das IC Forum 2025 durchführten. Neben den Teilnehmenden vor Ort verfolgten 600 weitere Interessierte die zweitägige Veranstaltung online vor den Bildschirmen.
«Es ist eine grosse Ehre, Sie hier zu haben», sagte ETH-Präsident Joël Mesot in seiner Begrüssung. Dabei nannte er Einrichtungen, Projekte und Initiativen, mit denen die Hochschule internationale Herausforderungen angeht. So etwa das Zentrum für Entwicklung und Zusammenarbeit (NADEL), das über ein Alumni-Netzwerk mit über 1500 Angehörigen verfügt, die weltweit in internationalen Organisationen, der Zivilgesellschaft und der Industrie tätig sind.
Bundesrat Guy Parmelin zeigte sich in seiner Eröffnungsansprache erfreut, dass das Forum an der ETH Zürich stattfinden konnte, einem Ort, an dem Menschen jeden Tag zusammenkämen und innovative Ideen entwickelten. Genau das sei das Ziel dieses Forums.
Allgemeine Unsicherheit und Armut in der Welt
Der Vorsteher des Bundesamts für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) skizzierte den Hintergrund, vor dem die Konferenz stattfand. Er berichtete von einer angespannten Stimmung, die am WEF herrschte, und der allgemeinen Unsicherheit angesichts der verschiedenen Krisen. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine habe nicht nur unermessliches Leid verursacht, sondern beeinträchtige auch den internationalen Handel und das Wirtschaftswachstum.
Diese Entwicklung seien auch in der Schweiz spürbar. Allerdings seien die Entwicklungsländer noch viel stärker betroffen, da ihre Volkswirtschaften weniger widerstandsfähig sind. Parmelin erinnerte daran, dass noch immer über 700 Millionen Menschen in extremer Armut leben.
Zusammenarbeit auf Augenhöhe
Gleichzeitig seien sich viele Entwicklungsländer heute ihrer Stärken bewusst und würden auf dem internationalen Parkett selbstbewusster auftreten, so der Wirtschaftsminister weiter. Sie nähmen ihr Schicksal in die eigene Hand und seien bereit, soziale Entwicklungen oder Innovationen, beispielsweise im Bereich der Dekarbonisierung oder der Wasseraufbereitung, selbst zu steuern.
Die Finanzlage vieler Länder sei angespannt, die Schuldenberge wüchsen vor allem in einigen fortgeschrittenen Volkswirtschaften rasant an. Gleichzeitig erfordere die geopolitische Lage zusätzliche Ausgaben für die Sicherheitspolitik, so Parmelin. Die Regierungen müssten derzeit schwierige politische Entscheidungen treffen. Die internationale Zusammenarbeit sei von dieser Situation stark betroffen und werde es auch in den kommenden Jahren bleiben.
Der Wirtschaftsminister zeigte sich überzeugt, dass der Privatsektor sowohl bei der Entwicklung armer Länder als auch beim Wiederaufbau der Ukraine, eine zentrale Rolle spielt. Mit privaten Mitteln liessen sich öffentliche Investitionen multiplizieren. Die Verbesserung von Rahmenbedingungen und die Förderung gegenseitiger Investitionen seien der beste Weg, um die globale Armut zu bekämpfen. Ein Land könne sich nur dann nachhaltig entwickeln, wenn die Volkswirtschaften – und nicht nur die Staaten – zusammenarbeiteten. Und diese Zusammenarbeit müsse auf Augenhöhe stattfinden.
Ohne Handel keine wirtschaftliche Entwicklung
Unsicherheit herrscht zurzeit auch bezüglich des Handels, sagte Ngozi Okonjo-Iweala, die Generaldirektorin der Welthandelsorganisation WTO. Handelszölle und handelspolitische Massnahmen würden zurzeit als Instrumente eingesetzt, um auch nicht handelsbezogene Anliegen anzugehen. Sie betonte, dass Handel trotz aller Unkenrufe grossartige Möglichkeiten bietet, um das Leben der Menschen zu verbessern und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu fördern.
So sei das Ergebnis dramatisch gewesen, als sich in weiten Teilen der Entwicklungsländer der Handel und das Produktionswachstum zu beschleunigen begannen. In den letzten drei Jahrzehnten hätten 1,5 Milliarden Menschen aus der extremen Armut befreit werden können. Aber auch die entwickelten Volkswirtschaften hätten vom Handel profitiert, wie sie anhand von Zahlen belegte.

«Handel bietet spannende Möglichkeiten für die Entwicklungsländer sowie für Schweizer Investitionen und Innovationen», betonte Okonjo-Iweala. «Der Druck zur Dezentralisierung von Lieferketten, zum Aufbau globaler Widerstandsfähigkeit und zur Verringerung der Exposition gegenüber geopolitischen, klimatischen und anderen Risiken sollte Investitionen in Afrika und an anderen Orten am Rande der globalen Produktionsnetzwerke attraktiver machen», führte sie aus.
Reglobalisierung - Gebot der Stunde
Diese Anreize stünden im Einklang mit der demografischen Entwicklung. Die Zahl der jungen Arbeitskräfte in Afrika werde bald grösser sein als die aller fortgeschrittenen Volkswirtschaften zusammen. Die Aussicht auf mehr Arbeitsplätze und Chancen im eigenen Land würden bedeuten, dass weniger junge Menschen aus Afrika ihr Glück in Europa suchen. Schweizer Unternehmen könnten ihre Lieferketten nutzen, um die Globalisierung voranzutreiben, und sie hätten genügend Spielraum, um proaktiver zu sein. Reglobalisierung sei das Gebot der Stunde.
Die drei parallelen Veranstaltungen, die auf die Eröffnung folgten, widmeten sich unterschiedlichen Aspekten eines fairen Handels. Weitere Höhepunkte des ersten Tages waren ein Referat von Thomas Zurbuchen, ETH-Professor für Weltraumwissenschaften und -technologien, sowie die Verleihung des IC Awards durch Bundesrat Guy Parmelin.
IC Award für solarbetriebene Energielösungen
Mit dem Swiss IC Award werden Schweizer Unternehmen, KMU und Start-ups ausgezeichnet, die sich in der Aufbauphase befinden, und die zur Bewältigung globaler Herausforderungen beitragen. Aus den zehn Finalisten ging der erste Preis dieses Jahr an MPower. Das Unternehmen transformiert ländliche Gemeinden in Togo, Ghana, Kamerun, Namibia und Sambia, indem es solarbetriebene Energielösungen anbietet, die über reine Stromversorgung hinausgehen.

Privatsektor trägt zu Aufbau der Ukraine bei
Am zweiten Tag standen zwei grosse Themen auf dem Programm: Ein Podium mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Wirtschaft und von NGOs widmete sich der Frage, welchen Beitrag der Finanzsektor der Schweiz zu den Nachhaltigkeitszielen leisten kann. Der Aufbau der Ukraine war das Thema eines zweiten Podiums, in dem auch beleuchtet wurde, welchen Beitrag der private Sektor leisten kann.
Eröffnet wurde der Tag unter dem Titel «Perspektivenwechsel» von drei ETH-Studierenden, deren Projekte exemplarisch zeigten, wie sich mit Technologie Ungleichheiten beheben lassen: Ein Hydrogel, das übermässige Blutungen nach der Geburt stillt, könnte dereinst die hohe Müttersterblichkeit in Afrika reduzieren. Tablets mit Lernprogrammen erlauben Kindern mit Behinderungen in ländlichen Gebieten Kenyas das Lernen. Und intelligente Systeme zur Verkehrsplanung helfen in armen Ländern, Verkehrsprobleme zu lösen und damit nachhaltige Städte zu entwickeln.
Integration, Inklusion, Innovation
Bundesrat Ignazio Cassis erinnerte daran, wozu die Eidgenossenschaft da ist: «Sie setzt sich für die Unabhängigkeit und Sicherheit der Schweiz ein und fördert die Demokratie, die Menschenrechte und den Frieden zwischen den Nationen.» Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz dient der Armutsbekämpfung und der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung. Entsprechend ruhe sie auf den drei Säulen Friedensförderung, Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe.

Der Aussenminister erklärte seine Motivation, 2022 das IC Forum ins Leben zu rufen mit der Idee, einen Ort der Diskussion zu schaffen – das Forum – und die zuvor existierenden Konferenzen zu einzelnen Themen zu vereinigen. Das «I» im Namen beinhalte die drei Begriffe Integration, Inklusion und Innovation.
Internationale Zusammenarbeit erfordere die Integration aller zuständigen föderalen Dienststellen, um Kohärenz, Wirksamkeit und Effizienz zu gewährleisten. Das breite Themenspektrum - Armut, Beschäftigung, Klima, Governance und mehr – erfordere den Einbezug einer Vielzahl von Akteuren aus der Wissenschaft, dem Privatsektor, von NGOs und darüber hinaus. Diskussionen, in die Fachkenntnisse aus unterschiedlichen Gebieten einflössen, förderten Innovationen und ermöglichten kreative Lösungen für globale Herausforderungen, so Cassis weiter.
Schliesslich wies der Aussenminister darauf hin, dass die Schweiz wie die meisten Länder dieser Welt auf die Macht des Gesetzes angewiesen sei, die nicht durch das Gesetz der Macht ersetzt werden dürfe. Und er betonte, wie wichtig der Multilateralismus für die Schweiz ist.
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