Sie machen Roboter fit für neue Aufgaben
Das ETH-Spin-off Flink Robotics will die Verarbeitung von Paketen umwälzen. Dessen Gründer Moritz Geilinger und Simon Huber haben eine Software entwickelt, die Roboter zusammenarbeiten und rasch neue Aufgaben übernehmen lässt.
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In Kürze
- Die ETH-Informatiker Moritz Geilinger und Simon Huber haben einen Algorithmus entwickelt, der Roboter befähigt, Objekte unterschiedlicher Grösse und Form zu verpacken und zu verladen.
- Ihre Spin-off-Firma Flink Robotics ist in einem Jahr auf neun Personen angewachsen und hat einen renommierten Unternehmerpreis gewonnen.
Moritz Geilinger war als ETH-Doktorand in theoretischen Überlegungen zu Planung und Steuerung von Roboterbewegungen vertieft, als eine ganz praktische Anfrage der Schweizerischen Post auf seinem Tisch landete: Welche Arbeiten bei der Abwicklung von Paketen lassen sich automatisieren?
Zusammen mit seinem Kollegen Simon Huber, der nebenan an seiner Doktorarbeit schrieb, schaute er sich die Sortieranlagen der Post an. Die beiden waren erstaunt: Zwar wurden die Pakete auf den Förderbändern automatisch sortiert, doch das Entladen der Pakete und das Wiedereinladen in die Lastwagen geschah durch Menschenhand. Ein Grund dafür sind die Initialkosten, weiss Geilinger: «Automatisierungsanlagen werden jeweils individuell für bestimmte Aufgaben eingerichtet, was viel Zeit und Ressourcen in Anspruch nimmt». Für zusätzliche Automatisierung brauchte es also ein flexibleres System.
Roboter intelligenter machen
Genau daran arbeiten die Forschenden des Computational Robotics Lab von Professor Stelian Coros. Sie machen Roboter adaptiver und intelligenter. Die Gruppe wurde 2017 gegründet, mit den beiden künftigen Jungunternehmern als ersten Doktoranden. «Das Spezielle am Lab ist, dass wir alle von den Computer Sciences in die Robotik kommen», sagt Geilinger.
Er selbst hat eine sogenannte differenzierbare Physik-Simulation entwickelt. «Damit lässt sich voraussagen, was nach einer bestimmten Aktion passiert, also wie sich die Position von Objekten verändert, wenn sie der Roboter ansteuert», erklärt er. Differenzierbar bedeutet, dass die Simulation aufzeigt, was passieren würde, wenn die Position eines anderen Objekts verschoben würde. Huber seinerseits hat sich mit differenzierbarer Kollisionsvermeidung beschäftigt.
Mit diesem Wissen haben sie gemeinsam einen Algorithmus entwickelt, der Roboter befähigt, Objekte unterschiedlicher Grösse und Form möglichst dicht zu verpacken, damit diese günstig von einem Ort zum anderen transportiert werden können.

Roboter zur Zusammenarbeit befähigen
Das Spezielle daran: «Wir können einen Roboter innert Minuten für bestimmte Aufgaben einsatzbereit machen», sagt Geilinger. Zudem erlaube die Software, dass die Roboter koordiniert miteinander arbeiteten. Wenn notwendig können sie also zum Beispiel zu dritt ein Paket heben. So muss für neue Aufgaben nicht für viel Geld eine neue Infrastruktur eingerichtet werden. Statt grösserer und schwererer Roboter kommen einfach mehrere kleinere zum Einsatz.
«Die Anfrage der Post war ein wirklicher Glücksfall für uns», resümiert Geilinger. Die praktische Aufgabe war die eigentliche Initialzündung, die 2023 zur Gründung des Spin-offs Flink Robotics führte. Geilinger übernahm den Posten als CEO, sein Kollege Simon Huber jenen des CTO, und ihr Professor Stelian Coros war als Berater der Dritte im Bunde.
Ein Jahr später haben die Jungunternehmer bereits sechs Mitarbeiter verpflichtet und den mit 150'000 Franken dotierten Venture Kick Award erhalten. Was steckt hinter dem erfolgreichen Start?
Ein Team von schlauen Köpfen
«Es mag etwas vermessen tönen, doch wir sind ein Team von schlauen Köpfen, die sich dank unserer Nähe zur Forschung mit der allerneuesten Technologie beschäftigen und praktisch jedes Problem in der Robotik lösen können», sagt Geilinger. «Gleichzeitig ist es uns wichtig, sehr nahe am Problem beziehungsweise am Endkunden zu sein, um herauszufinden, weshalb gewisse Arbeiten noch nicht automatisiert sind», führt er fort.

So ist Flink Robotics keine Technologiefirma, die einen Roboter baut, der alles kann, aber auch kein Systemintegrator, der einfach ein spezifisches Problem löst. «Wir versuchen, uns auf eine konkrete Anwendung zu fokussieren, für die eine grosse Nachfrage da ist, und entwickeln die allgemeine Technologie weiter, während wir den Anwendungsfall lösen, erklärt Geilinger.
Unzählige potenzielle Kunden
Beispiel Verladen in Paketzentren: «Wir beobachten derzeit grosses Interesse – nicht nur von der Schweizerischen Post, sondern auch von der Österreichischen Post und DHL», führt er aus. Sobald das technische Problem gelöst sei, biete sich ein äusserst skalierbares Geschäftsmodell – insbesondere mit Blick auf die 13 unterschiedlich grossen Sortierzentren der Schweizerischen Post sowie die über 30 Verteilzentren von DHL in Deutschland.
Ein weiteres interessantes Geschäftsfeld ist die Endverpackung von Produkten. «Da werden die Produkte am Schluss oft noch von Hand in Kartonschachteln verpackt und auf Palette geladen», weiss Geilinger. Die Jungunternehmer waren schon bei Schokoladenhersteller und Produzenten von Gesichtscreme, die hunderte von unterschiedlichen Produkten herstellen und in einer Fabrik vielleicht sechs Produktionslinien betreiben. Auch hier müssten klassische Roboter immer wieder neu programmiert und auf das jeweilige Produkt angepasst werden.
Firmenwachstum bewältigen
An potenziellen Kunden mangelt es den Jungunternehmern also nicht. Die grosse Herausforderung für die beiden besteht zurzeit darin, alles unter einen Hut zu kriegen. Für bestehende Kunden entwickeln sie ihre Algorithmen weiter und führen vor Ort Testinstallationen aus. Gleichzeitig wollen die neuen Mitarbeitenden eingeführt werden. «Wir müssen immer mal wieder Kunden absagen, weil wir die Kapazitäten nicht haben, weitere Entwicklungen anzustossen», bedauert Geilinger.
Mit den Mitarbeitenden hatte Flink Robotics bisher grosses Glück, obwohl Informatik- und Robotik-Absolvent:innen gerade in Zürich auch von Weltkonzernen gesucht werden. «Wir ziehen ganz bestimmte Leute an, die sich in einem kleinen, agilen Team wohl fühlen, die gerne Sachen selber bauen und denen es wichtig ist, dass die eigene Arbeit eine direkt sichtbare Wirkung hat», sagt der Jung-CEO.
Bei Flink Robotics machen die Mitarbeitenden nicht nur Simulationen im Büro. «Alle paar Wochen laden wir die Roboter ins Auto, fahren zu einem Paketzentrum, und da sehen wir dann wirklich, was wir programmiert haben, wieviel besser der Roboter geworden ist», kommt Geilinger ins Schwärmen.
Dort, bei den Kunden vor Ort, wird sich entscheiden, ob Flink Robotics auch langfristig Erfolg haben wird. «Die grosse Herausforderung für Venture-Firmen in der Robotik liegt darin, eine neue Technologie wirklich zur Anwendung zu bringen und nicht nur in einer Demo im Büro zu zeigen», sagt Geilinger.
Zuversichtlich in die Zukunft
Er blickt zuversichtlich in die Zukunft: «Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass unsere Software in einem Jahr in der Produktion verwendet wird.» Dafür werde das Team wohl weiterwachsen. «Sorgfältig wie bisher», wie Geilinger betont. Zudem will Flink Robotics auch weitere Geschäftsfelder abdecken, beispielsweise bei der Endverpackung.
In drei Jahren soll Flink Robotics in der Paketverarbeitungsindustrie und weiteren relevanten Industrien europaweit ein bekannter Name sein. «Flink Robotics wird für eine neue Art von Automatisierung stehen, die weniger fix, weniger vorprogrammiert und viel adaptiver und flexibel ist.
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