Krankheitserregern im Spital auf der Spur

Die Verbreitung von Bakterien und Viren in Spitälern ist eine unsichtbare Gefahr. Eine Erfindung zur Qualitätskontrolle für die Reinigung von Oberflächen und Händen macht die Übertragungswege sichtbar. Jetzt kann das Personal mit gezielten Massnahmen zur Eindämmung reagieren.

Patienten riskieren nach wie vor, sich beim Spitalaufenthalt zu infizieren. Dies ist ein dringliches Problem, da Infektionen potenziell Komplikationen beim Heilungsprozess hervorrufen oder sogar die Sterblichkeitsrate erhöhen. Zu unterscheiden sind hierbei die körpereigenen Bakterien und fremde Erreger. Die körpereigenen Bakterien (Microbiome) können durch invasive Massnahmen wie Katheter und chirurgische Schnitte eine Lücke im Abwehrmechanismus des Körpers finden und Infektionen auslösen. Fremde, multiresistente Bakterien und Viren lauern hingegen auf Türklinken und Lavabos und werden vor allem durch Handkontakt übertragen. Die Forschenden Robert Grass, Lara Pfuderer und Wendelin Stark haben eine Lösung gefunden, die Übertragungswege dieser fremden Krankheitserreger aufzudecken, damit Infektionsquellen erkannt und Übertragungswege wirksam unterbrochen werden.

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Multiresistente Bakterien und Viren werden durch Handgriffe verschleppt. Quelle: ETH Zürich

Die Lösung besteht aus synthetischen Nanopartikeln, die die Eigenschaften der Erreger simulieren. Die Partikel sind ähnlich klein und lassen sich ähnlich leicht verschleppen. Dabei sind sie im Gegensatz zu ihren biologischen Pendants absolut harmlos. Die künstlichen Partikel werden zu Testzwecken in der direkten Umgebung der Patientinnen und Patienten aufgetragen und dann mittels Wischproben an Oberflächen verfolgt.

«Wir füllen die Nanopartikel mit einem DNA-Tracer, der für uns wie ein Strichcode auslesbar ist. So wissen wir genau, welche Erregerquelle wohin verschleppt wurde.»
Lara Pfuderer, Erfinderin

Die Nanopartikel haben eine Schutzhülle und sind im Inneren mit einem Tracer gefüllt. Der Tracer besteht aus einer synthetisch hergestellten DNA-Sequenz und ermöglicht wie ein Strichcode eine eindeutige Zuordnung. Die Forschenden kopieren hierfür aus Früchten kurze DNA-Sequenzen, die ungefährlich sind. DNA-Tracer sind leicht nachweisbar. Eine Wischprobe mit einem Stäbchen reicht, um noch die kleinste Menge DNA von einer Oberfläche aufzunehmen und in einem PCR-Gerät zu detektieren. Die PCR-Geräte kamen bereits in der Pandemie für den Covid-Test zum Einsatz und sind mittlerweile omnipräsent in medizinischen Einrichtungen. Die Spitäler haben somit die Analytik für das Monitoring der Tracer im eigenen Labor. Durch den Einsatz unterschiedlicher Tracer können mehrere Testkampagnen parallel durchgeführt werden, ohne dass sie sich in der Auswertung stören. So lassen sich mehrere Ausgangsorte gleichzeitig verfolgen oder auch zeitlich versetzte Kampagnen fahren.

Grafische Darstellung
Schematische Darstellung eines Nanopartikels mit Beschichtung mit Zucker-Glycerin (orange), Schutzhülle aus Lipiden (grau) und eingeschlossenen DNA-Tracern (blau). Quelle: ETH Functional Materials Laboratory
«Das Besondere unserer Nanopartikel ist die Ähnlichkeit zu echten Erregern, was die Übertragungswege und deren Empfindlichkeit auf Desinfektionsmittel betrifft – ohne selbst schädlich zu sein.»
Robert Grass, Erfinder

Die Forschenden haben zwei verschiedene Varianten der Nanopartikel erstellt. Die erste Variante hat eine Schutzhülle aus Silica. Das ist ein robustes Material, welches auch durch Desinfektionsmittel nicht angegriffen wird. Mit dieser Partikelvariante lassen sich Spuren von der Quelle nachverfolgen bis sich diese durch Verdünnung verlaufen.  Die zweite Variante der Nanopartikel hat eine Lipidhülle und eine Zucker-Glycerin Beschichtung (siehe Fig. 2). Die Lipid-basierten Nanopartikel reagieren wie echte Erreger auf Desinfektionsmittel. Das heisst, wo Desinfektionsmittel Erreger chemisch abtöten und die Übertragung stoppen, dort werden auch die Nanopartikel zersetzt. Konkret bricht die Schutzhülle der Lipid-basierten Nanopartikel auf. Die Forschenden wollen nun quantifizieren, wie effektiv der Einsatz der Desinfektionsmittel ist. Sie analysieren in einer Wischprobe das Verhältnis von freigesetztem Tracer aus aufgebrochenen Nanopartikeln zu eingeschlossenem Tracer aus intakten Nanopartikeln. Ist der Quotient hoch, so wurde ein Übertragungsweg durch Desinfektion erfolgreich gestoppt.

Die Forschergruppe hat bereits einzelne Pilotprojekte in Spitälern lanciert, freut sich aber über weitere Chancen, ihre Technologie in der Praxis zu testen. Um Kontaktaufnahme wird gebeten.

«Ich war schon Jahre auf der Suche nach geeigneten Tracern, um Übertragungswege zu erforschen, bis ich glückerweise auf Robert Grass und sein Team stiess, und wir die Nanopartikel erstmals für die Infektionsprävention im Spital einsetzen konnten. Ich bin überzeugt, dass eine bereichsübergreifende Forschung und Entwicklung wie unsere, schneller zu besseren Lösungen führt.»
Hugo Sax, Infektiologe, Universitätsspital Bern
Bild der Erfinder:in
Erfinder Robert Grass und Erfindern Lara Pfuderer. Wendelin Stark ist nicht im Bild. Quelle: ETH Functional Materials Laboratory

Kontakt/Links:

Prof. Grass & Prof. Stark, Functional Materials Laboratory

zum Patent angemeldet (2022-047),
Anfragen zur Lizenzierung an ETH transfer,

Publikation:
“Synthetic Microbial Surrogates Consisting of Lipid Nanoparticles Encapsulating DNA for the Validation of Surface Disinfection Procedures”, Pfuderer et. al., ACS Appl. Bio Mater. 2023, 6, 1252−1259, https://doi.org/10.1021/acsabm.3c00004

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