Elektronischer Blutkreislauf für 3D-Computerchips
Ein Zusammenschluss von Schweizer Wissenschaftlern möchte neuartige dreidimensionale Computerchips mit einem Flüssigkeitskreislauf gleichzeitig kühlen und mit Energie versorgen. Pate stand dabei das menschliche Gehirn.
Leistungsfähigere Computer der Zukunft sollen nicht mehr wie heute aus zwei-, sondern aus dreidimensionalen Chips bestehen. Die Entwicklung hin zu solchen Chip-Stapeln ist daher vielversprechend, weil damit nicht nur die Chip-Grundfläche reduziert, sondern auch die Datenverbindungen verkürzt und die Bandbreite für die Datenübertragung um ein Vielfaches erhöht werden kann. Allerdings erschweren zwei Herausforderungen die Entwicklung von komplexen 3D-Chips: Zum einen werden solche Chips extrem heiss, und es ist schwierig, die Hitze abzuführen. Zum anderen ist die Energiezufuhr über den Chipsockel mit herkömmlichen elektronischen Anschlüssen nicht ausreichend, um den Chip mit genügend Energie zu versorgen.
Ein Zusammenschluss von Schweizer Wissenschaftlern unter massgeblicher Beteiligung von Forschern der ETH Zürich und unter der Leitung von IBM Research Zurich möchte nun mit einem neuartigen Ansatz solche 3D-Chipstapel gleichzeitig kühlen und mit Energie versorgen. Sie lassen sich dabei vom Aufbau des menschlichen Gehirn inspirieren, das von feinsten Gefässen durchzogen ist, in denen zirkulierendes Blut sowohl kühlt als auch Energie an die Nervenzellen liefert. Das Gehirn ist rund 10'000-mal dichter und 10'000-mal energieeffizienter als die besten heutigen Computer.
Chip und Batterie verschmelzen zur Einheit
Die Wissenschaftler von IBM und der ETH Zürich haben unter anderem dank des Projekts Aquasar bereits mehrjährige Erfahrung mit wassergekühlten Computern (ETH Life berichtete). Ausserdem haben sie im Projekt CMOSAIC bereits erste Testsysteme für die Kühlung von 3D-Computerchips entwickelt, in denen Flüssigkeit in haarfeinen Strukturen durch die einzelnen Schichten des Chip-Stapels geleitet wird. Basierend auf diesem System wollen die Forschenden im neuen Projekt mit dem Namen «Repcool», an dem auch Wissenschaftler des Paul Scherrer Instituts und der Universität der italienischen Schweiz beteiligt sind, auch die Energieversorgung über die Flüssigkeitsschichten realisieren: Statt Kühlflüssigkeit soll im «elektronischen Blutkreislauf» eine Elektrolytlösung durch den Chip-Stapel fliessen. Damit sollen Elektronen von einer zentralen Elektrode zu dezentralen Empfängerelektroden auf den einzelnen Schichten im 3D-Stapel gelangen. Computerchip und Batterie verschmelzen so quasi zu einer Einheit.
Supercomputer in PC-Grösse
Ultimatives Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines Supercomputers in PC-Grösse: Während heutige Supercomputer mit der Rechenleistung von einem PetaFLOPS (das sind eine Billiarde Rechenoperationen pro Sekunde) ein ganzes Schulzimmer füllen, soll die neue Technik dies in einem Volumen von 10 Liter ermöglichen. Um das zu erreichen, müssen die einzelnen Elemente des 3D-Chips – die Prozessorschichten, die Elektroden, Elektrolyte und die zwischen den einzelnen Schichten liegenden Membranen – optimiert werden.
Die einzelnen Schichten des Stapels sind nur rund 100 Mikrometer dünn, was dem Durchmesser eines menschlichen Haares entspricht. «Eine der Hauptschwierigkeiten des Projekts ist es, genügend elektrische Leistung in diesen engen Raum zu bringen», sagt Dimos Poulikakos, Professor am Institut für Energietechnik der ETH Zürich. Die Leistungsdichte der batterieartigen elektrochemischen Flüssigkeitszelle müsse gegenüber dem heute Möglichen auf mehr als das Zehnfache gesteigert werden.
«Das Beste aus Natur und Technologie vereinen»
Dazu arbeitet Poulikakos, dessen Projektbeitrag die Optimierung der Fliesseigenschaften der zirkulierenden Flüssigkeit und die Stoff- und Wärmeübertragung im Kreislauf ist, eng mit Thomas Schmidt, Professor am Laboratorium für Physikalische Chemie der ETH Zürich und am Paul Scherrer Institut, zusammen. Schmidts Gruppe befasst sich mit der Verbesserung der elektrochemischen Eigenschaften der Flüssigkeitszelle. Michele Parinello, Professor für Computational Science an der ETH Zürich und an der Universität der italienischen Schweiz, erforscht Materialien auf der molekularen Ebene. In seinem Projektbeitrag geht es darum zu untersuchen, welche Materialien verwendet werden sollen, um die elektrochemischen Reaktionen an der Grenzfläche von Flüssigkeit und Chip zu verbessern. Am IBM-Forschungzentrum in Rüschlikon schliesslich arbeitet die Gruppe von Bruno Michel, Leiter Forschungsgruppe Advanced Thermal Packaging, an der Integration der diversen Systeme in einen Prototypen. Dort werden zudem die einzelnen Komponenten als auch das integrierte System getestet und optimiert.
«Wenn wir Wissen aus der Biologie mit unserer Expertise in Chiptechnologie verbinden, sind wir fähig, effiziente und leistungsfähige Computersysteme zu entwickeln, die das Beste aus Natur und Technologie in sich vereinen», sagt Michel laut einer Medienmitteilung von IBM.
Dieser Text basiert auf einer Medienmitteilung von IBM.