Mit Biosensoren in die Pharmaindustrie

Aus einer nobelpreisgekrönten Grundlage wird ein Unternehmen: Ein ETH-Pioneer Fellow nutzt das Wissen rund um die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren, um damit ein neuartiges Verfahren zum Testen von Wirkstoffen auf den Markt zu bringen.

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Die drei Gründer von InterAx Biotech Martin Ostermaier, Luca Zenone und Aurélien Rizk (v.l.n.r.) treiben die Entwicklung neuer Biosensoren voran und stehen dafür weiterhin selbst im Labor. (Bild: Paul Scherrer Institut)

Wahrscheinlich hörten die meisten Leute zum ersten Mal im Jahr 2012 von sogenannten G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCRs). Damals erhielten Brian Kobilka und Robert Lefkowitz den Nobelpreis in Chemie für ihre Beiträge, die das grundlegende Funktionieren der GPCRs erklärten. Ein sperriger Begriff, den sich kaum jemand, der nicht ständig damit zu tun hat, merken kann.

Mitte April 2016 nun hat der ETH Pioneer Fellow und ehemalige Doktorand Martin Ostermaier zusammen mit Aurélien Rizk und Luca Zenone eine Firma gegründet, die auf den nobelpreisgekrönten Grundlagen aufbaut. «externe Seite InterAx Biotech» nennen die drei Nachwuchsforscher ihr Unternehmen, das sie nun offiziell gegründet und als ETH Spin-off sowie als Paul Scherrer Institut-Spin off angemeldet haben.

Grosse Bedeutung für Pharmaforschung

Für den Laien mag es überraschend sein, dass die Grundlagenforschung so rasch in die Praxis gelangt, nicht aber für Ostermaier: «Die grosse Bedeutung der GPCRs für die Medikamentenforschung war mir schon vor Beginn meines Doktorats an der ETH Zürich bewusst.» Jedes Dritte moderne Medikament wirkt an einem dieser Rezeptoren, die in den Aussenhüllen der Zellen im Körper vorkommen. Unter diesen Medikamenten sind Betablocker gegen Bluthochdruck oder Neuroleptika zur Behandlung psychischer Erkrankungen. Rund 800 verschiedene GPCRs sind der Wissenschaft bekannt, gegen 370 sind als Andockstelle für Medikamente interessant. Bislang aber konnte nur jeder Sechste davon pharmakologisch genutzt werden.

Oft habe die Wirkstoffforschung in der Pharmaindustrie zwar einen GPCR-Wunschkandidaten, es fehlten aber die Methoden, um genau zu untersuchen, ob dieser auch funktionierte, sagt Ostermaier. Eine Methode, die es ermögliche, Medikamente für weitere nutzbare GPCRs oder bessere Medikamente für bereits genutzte GPCRs zu finden, wäre ein grosser Schritt vorwärts in der gesamten GPCR-Medikamentenforschung. «Genau in diesem Bereich schaffen wir Abhilfe», sagt der Wissenschaftler.

Massgeschneiderte Biosensoren

InterAx entwickelt neuartige Biosensoren, um schneller und zielstrebiger zu testen, ob und wie ein bestimmter Wirkstoff an einem gewünschten Rezeptor wirkt. Denn sobald ein Wirkstoff an einem solchen Rezeptor andockt, verändert sich dessen Zustand. Je nach Zustand wird ein Signalweg in Gang gesetzt, der in der Zelle etwas Bestimmtes bewirkt. Ein GPCR kann mehrere Zustände einnehmen und dabei ein unterschiedliches Signal auslösen.

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Die Biosensoren von InterAx erkennen, ob ein Wirkstoff einen G-Protein gekoppelten Rezeptor positiv oder negativ beeinflusst. (Grafik: InterAx)

Mit ihren spezifischen Biosensoren wollen die Jungunternehmer nun bestimmte Zustände von GPCRs, die ein Wirkstoff auslöst, aufspüren. Indem der Biosensor, ein massgeschneidertes Protein, nur an einen jeweiligen Zustand andocken kann, erkennt der Wissenschaftler, ob ein Wirkstoff eine Reaktion des betreffenden GPCR hervorgerufen hat und ob diese erwünscht oder nachteilig ist. Dadurch, dass der Verbund des Biosensors mit dem Rezeptor ziemlich stabil ist, lässt sich die Wirkung des Stoffes auf den GPCR besser, einfacher und quantitativ untersuchen.

InterAx liefert jedoch nicht nur Biosensoren, sondern auch massgeschneiderte Software, welche die bei den Tests produzierten Daten verarbeitet und quantitativ auswertet. «Die Kunden profitieren somit von einem Gesamtpaket», sagt der Jungunternehmer. Ziel sei es, Plug-and-Play-Anwendungen anzubieten.

Jüngster Spross der ETH-Spinoff-Familie

InterAx wurde Mitte April nun offiziell gegründet, nachdem die drei Gründer bereits seit einer Weile Zeit und Arbeit in den Firmenaufbau investiert haben. Hierfür hat Ostermaier von der ETH Zürich einen Pioneer Fellowship erhalten. «Über diese Fördermittel bin ich sehr froh. Sie haben es mir erlaubt, über mein Doktorat hinaus meine Ideen weiterzuverfolgen», sagt Ostermaier. Aus der Taufe gehoben wurde InterAx am Paul Scherrer Institut in Villigen, wo Ostermaier bei externe Seite Gebhard Schertler arbeitet, der eine Professur an der ETH Zürich innehat und ein ausgewiesener Spezialist ist für GPCRs. Schertler hat die Jungunternehmer beim Aufbau von InterAx stark unterstützt und gefördert.

Weitere Fördermittel haben Ostermaier und seine Mitstreiter vor Monatsfrist aus dem Venture-Kick-Wettbewerb erhalten. Bei diesem Förderwettbewerb erreichten sie mit ihrer Geschäftsidee die dritte und letzte Stufe und erhielten 130‘000 Franken Startkapital.

Grosser Ausbau geplant

Diese Mittel reichen aber bei weitem nicht, um die Firma auszubauen. Um ihre Ideen weiterzuentwickeln, sucht InterAx weitere Investoren, die bereit sind, insgesamt 3,5 Mio. Franken zu investieren. Damit wollen Ostermaier und Kollegen eine eigene Infrastruktur aufbauen und die Technologie rasch ausweiten. Von diesen Kapitalspritzen hängt auch ab, ob sie bald weitere Leute anwerben können. Gesucht sind vorerst Zellbiologen oder Biophysikerinnen.

Noch in diesem Jahr möchten sie ihren ersten Biosensor auf den Markt bringen. Bis in sechs Jahren rechnen sie damit, dass sie ihre Produktepalette auf 80 verschiedene Sensoren erweitern können und damit einen Verkaufserlös von einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag erzielen.

«Das ist nur eine Prognose», stellt Ostermaier klar. «Ob es dann wirklich so herauskommt, hängt von ganz vielen Dingen ab, die wir nicht beeinflussen können.»

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