Neues «Herz» für das CMS-Experiment

Der CMS-Detektor am Large Hadron Collider (LHC) des CERN hat am Donnerstag ein neues Herzstück erhalten. Es handelt sich um einen Pixeldetektor, der ähnlich einer Hochgeschwindigkeits-Digitalkamera bis zu 40 Millionen Bilder pro Sekunde aufnimmt.

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Das CMS-Experiment am CERN (Bild: CERN)

Physiker und Ingenieure haben am CERN am Donnerstag das Herzstück des externe Seite CMS-Experiments (Compact-Muon-Solenoid-Experiment) ersetzt. Es handelt sich um einen der beiden Universaldetektoren, die 2012 das Higgs-Boson aufgespürt hatten. Damals wurde mit diesem Detektor ein bis dahin fehlendes Glied im Standardmodell der Teilchenphysik nachgewiesen, das verschiedene theoretische Physiker bereits in den 1960er-Jahren vorausgesagt hatten. Das CMS-Experiment ist einer der vier grossen Detektoren am externe Seite Large Hadron Collider (LHC), dem grössten und leistungsfähigsten Hochenergiebeschleuniger der Welt. Im 27 Kilometer langen LHC, der sich 100 Meter unter der Erde vor den Toren Genfs befindet, zeichnet der Detektor Teilchenkollisionen auf.

Beitrag der ETH Zürich zum CMS-Experiment

Dem Upgrade des CMS-Pixeldetektors gingen fast zehn Jahre Forschung voraus. Die Wissenschaftler der ETH Zürich spielten dabei als Mitglieder des Schweizer Konsortiums eine führende Rolle. Zum Konsortium gehören auch Forscher der Universität Zürich und des Paul Scherrer Instituts (PSI). Laut Günther Dissertori, Professor an der ETH Zürich und stellvertretender Sprecher des CMS-Experiments, stellt die «Herztransplantation» einen wichtigen Schritt dar im Hinblick auf die nächste Phase der Datenakquisition, die im späten Frühjahr 2017 beginnen soll. «Wir werden nach neuen physikalischen Phänomenen suchen, die vom Standardmodell vorausgesagt werden. Mit dem neuen Detektor werden wir künftig noch genauere Untersuchungen und Messungen vornehmen können.» Die ETH Zürich und der ETH-Bereich, so Dissertori, hätten bei der Entwicklung des Detektors einen wesentlichen Beitrag bezüglich Technologie, Forschung und Finanzierung geleistet, ebenso wie die ehemaligen CMS-Führungspersönlichkeiten und Physiker wie Felicitas Pauss, Ralph Eichler und Hans Hofer.

Teilchendetektor – wie ein Zwiebelring

«Stellen Sie sich den Detektor wie die einzelnen Ringe einer Zwiebel vor», erklärt Rainer Wallny, Professor am Institut für Teilchenphysik der ETH Zürich. «Die innerste Schicht enthält den Pixeldetektor, der am nächsten beim Geschehen ist.» Am neuen, sieben Meter langen Pixeldetektor haben ungefähr hundert Forscher unter der Leitung von Roland Horisberger vom PSI mitgearbeitet. Die empfindlichen Teile des Detektors wurden an fünf verschiedenen Orten gebaut und danach an der ETH Zürich getestet und einer Qualitätsprüfung unterzogen. Danach wurden sie am PSI zusammengesetzt und schliesslich für den Einbau ans CERN transportiert.

Laut Malte Backhaus, Mitarbeiter bei Wallnys Gruppe, verfügt das neue, technologisch verbesserte Herzstück über eine zusätzliche Siliziumschicht, die Redundanz schafft und Messungen von bis zu 50 Protonenkollisionen gleichzeitig ermöglicht, etwa doppelt so viele wie bisher. Bereits jetzt freuen sich die Forscher auf die neuen Pixeldetektortechnologien, die wahrscheinlich ab 2025 zur Verfügung stehen werden. Diese sind für das zu diesem Zeitpunkt geplante Upgrade des LHC notwendig, dank dem künftig bis zu 200 Kollisionen gleichzeitig gemessen werden können.

Pixeldetektor – wie eine Hochgeschwindigkeitskamera

Man kann sich einen Pixeldetektor ähnlich wie eine Digitalkamera vorstellen, die 40 Millionen Fotos pro Sekunde mit etwa 100 Millionen Pixeln aufnehmen kann. Wenn elektrisch geladene Teilchen durch die Siliziumschichten in das Innere des Detektors dringen, erzeugen sie lokale, umkehrbare Störungen, die als Elektron-Loch-Paare bezeichnet werden. Wenn die Elektronen danach in den Sensor wandern, können die Wissenschaftler das Signal registrieren, die Daten digitalisieren und die räumlichen Koordinaten der Kollision bestimmen. Die Daten helfen den Physikern zu verstehen, wie die Natur in den kleinsten feststellbaren Einheiten des Raum-Zeit-Gefüges funktioniert und wie Elementarteilchen miteinander interagieren.

«Es gibt immer noch viele offene Fragen in der Teilchenphysik. Detektoren wie das CMS-Experiment eröffnen neue Möglichkeiten, sie zu beantworten», erklärt Wallny. «Wir wissen sehr gut, wie die Physik in den für uns relevanten Massstäben funktioniert. Aber in den Dimensionen des Universums gibt es zahlreiche Fragen, die wir nicht beantworten können. Wir wissen zum Beispiel, dass es im Universum unbekannte Materie gibt, die wir ‹dunkle Materie› nennen und die fünf Mal häufiger vorkommt als die normale Materie. Wenn wir dazu noch die sogenannte ‹dunkle Energie› dazunehmen, die wir mit Planck- und WMAP-Satelliten registrieren, dann verstehen wir nur etwa 5 Prozent der gesamten Masse und Energie des Universums.»

Wissenschaftliche Zusammenarbeit als Vorbild für die Gesellschaft?

Mit Auszeichnungen wie dem Nobelpreis werden bisher vor allem persönliche Erfolge gewürdigt. Doch in Zukunft wird die Zusammenarbeit in der wissenschaftlichen Forschung an Bedeutung zunehmen. Denn diese fördert nicht nur den Wissensaustausch, sondern macht die Forschung auch kostengünstiger. Bau, Unterhalt und Betrieb von Partikelbeschleunigern können sich leicht auf mehrere Milliarden Franken summieren. Am CMS-Experiment allein sind etwa 4000 Menschen beteiligt, von Wissenschaftlern und Ingenieuren über Techniker bis hin zu administrativen Mitarbeitenden. Ohne internationale Zusammenarbeit würden Forschungseinrichtungen wie das CERN nicht funktionieren. Das CMS-Experiment ist nur ein Beispiel dafür, wie multinationale und multikulturelle Gemeinschaften auf ein gemeinsames Ziel hin friedlich zusammenarbeiten können.

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An introduction to the CMS Experiment at CERN
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