Klimaforschung in Frage gestellt

Die Kehrtwende in der US-Klimapolitik ist vielleicht nur ein kleiner Rückschritt im Klimaschutz, aber ein bedenklicher Angriff auf die Wissenschaft. Ein Lagebericht aus den USA.

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Düstere Aussichten: Die US-Administration entzieht dem Klimawandel das wissenschaftliche Fundament. (Bild: Colourbox / Daniel Guffanti)

Die von US-Präsident Donald Trump letzte Woche unterzeichneten Dekrete zur Lockerung der Umweltvorschriften kamen nicht unerwartet: Trump will Regulierungen für Kohlekraftwerke rückgängig machen, Kohle erneut fördern und die Nutzung von fossilen Ressourcen innerhalb der USA vereinfachen.

Noch sind die Folgen dieser Dekrete schwierig abzuschätzen. Bestehende Gesetze lassen sich nicht so rasch ersetzen, Klagen dürften das Vorhaben über Jahre verzögern, und die Republikaner könnten schon in zwei Jahren ihre Mehrheit im Kongress verlieren. Viele sehen indes die Klimaziele von Paris in Gefahr, doch zeigen sich aus meiner Sicht die wirklich bedenklichen Entwicklungen an einem anderen Ort.

Ein bedrohliches Signal

Mit dem Klima-Abkommen von Paris ist klar, dass alle ihren Beitrag leisten müssen. Wenn ausgerechnet die USA mit dem grössten Pro-Kopf-Ausstoss ihre CO2-Reduktionen nicht einhalten, könnten das andere auch tun. Sollten alle Länder ihre Anstrengungen zum Klimaschutz um acht Jahre verzögern, dann wäre das Zwei-Grad-Klimaziel definitiv ausser Reichweite.

Die optimistische Sicht ist, dass die Dekrete wenig ändern, weil Kohle kaum mehr rentabel ist. Gas und erneuerbare Energien werden günstiger, und der Beschäftigungseinbruch im Kohlesektor ist eine Folge der sinkenden Nachfrage und höheren Automatisierung, nicht der Regulierung. Staaten wie Kalifornien werden zudem strengere Regeln verabschieden, andere werden ihnen folgen. Energie-Technologie von gestern lohnt sich kaum mehr, und die Energiekonzerne denken vorwärts.

Trump hatte mehrfach behauptet, der menschgemachte Klimawandel sei eine Lüge. Der von ihm eingesetzte Leiter der Umweltbehörde EPA, Scott Pruitt, sagte kürzlich entgegen allen wissenschaftlichen Evidenzen, er sei nicht der Meinung, dass CO2 hauptverantwortlich für die globale Erwärmung sei, man müsse die Debatte weiterführen. Diese Positionen sind nicht neu, aber die Vehemenz, mit der man hier aus Halbwahrheiten opportune Realitäten bastelt, ist erschreckend.

Demontage-Versuch in vier Schritten

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In Frage gestellt: Klimawandel. (Bild: Colourbox / Bearbeitung: ETH Zürich)

Da werden erstens wissenschaftliche Tatsachen verneint, und alternative Fakten geschaffen. Schlimmer noch, Lügen werden salonfähig und scheinen der Administration nicht zu schaden. Zweitens wird vorgegaukelt, es gäbe einen Streit unter Experten: Zu einer Anhörung im Parlament vergangene Woche wurden vier Klimaforscher eingeladen; einer vertritt den wissenschaftlichen Konsens, während die anderen drei für gegenläufige Minderheitsmeinungen einstehen. Wer Recht hat, ist irrelevant – es reicht der Eindruck, dass alles umstritten ist. Dann wird drittens ein Budget vorgeschlagen, das Klimaforschung praktisch verunmöglicht. Messreihen würden nicht mehr weitergeführt, Daten nicht mehr analysiert, und Fakten schliesslich eliminiert. Und viertens findet in Behörden und Forschungsinstitutionen eine erstaunliche Selbstzensur statt. Aus Angst vor Budgetkürzungen tauchen Begriffe wie Risiko oder Klimawandel plötzlich kaum mehr auf, man spricht nur noch vom ökonomischen Nutzen von Prognosen für Wetter oder Wasserverfügbarkeit.

Klimawandel ist kein Hirngespinst

Findet der Klimawandel bald nur noch in den Köpfen von ein paar Wissenschaftlern statt, die aus Angst schweigen? Wir dürfen diese Demontage der Wissenschaft nicht hinnehmen. Wir müssen dafür einstehen, dass die Fakten weiterhin einen Platz haben in der Politik. Wissenschaftlich fundiertes Entscheiden und Handeln ist ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Die Wissenschaft will und soll nicht vorschreiben, was die Gesellschaft zu tun hat. Sie muss Fakten möglichst vollständig und objektiv aufzeigen und sie in einen Kontext stellen. Wo nötig muss Wissenschaft auch auf Gefahren hinweisen. Sie muss Lösungen entwickeln und diese so kommunizieren, dass sie verständlich und nützlich sind für die Gesellschaft.

Die Wissenschaft und ihre Institutionen haben die Tendenz, sich hinter Zahlen zu verstecken und kaum Lobbyarbeit zu machen. Das geht gut solange Einigkeit herrscht, dass wir als Gesellschaft Risiken minimieren und langfristig mit Fakten bessere Entscheidungen treffen als ohne – sei es mit der Wetterprognose von morgen, dem Lawinenbulletin oder der Gefahrenkarte, um Bespiele aus der Umweltforschung zu nehmen. Werden Tatsachen verzerrt oder zensuriert, dann müssen Wissenschaftler neue Wege finden und besser erklären, was sie tun, welche Einsichten als gesichert gelten, und warum ein lösungsorientierter Dialog der Gesellschaft langfristig nützt.

Im Gegenzug müssen Politik und die Gesellschaft Forschungsresultate auch akzeptieren, wenn sie unangenehm sind, und bereit sein, darüber zu diskutieren und danach zu handeln. Wir müssen die Welt so sehen, wie sie ist, nicht so, wie wir sie gerne hätten. Um es mit den Worten von Sherwood Rowland zu sagen, der den Einfluss von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKWs) auf die Ozonschicht nachgewiesen hatte: «Was ist der Sinn, die Wissenschaft so weit zu entwickeln, um Voraussagen zu machen, wenn wir am Schluss nur bereit sind, herumzustehen und zu warten bis diese eintreffen?»

Dieser Text erschien zuerst als Autorenbeitrag in der externe Seite NZZ (7. April 2017).

Reto Knutti ist derzeit in einen Forschungsaufenthalt in Colorado, USA.

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