Start in neue Ära
Heute starten 20'000 Studierende ins Herbstsemester. Für die ersten 100 Medizinstudierenden in der Geschichte der ETH Zürich ging es schon vorher los: An einer Einführungsveranstaltung erhielten sie einen Eindruck von ihrem Studiengang, ihren Dozenten, der ETH und den neuen Kolleginnen und Kollegen.
Noch stehen die Neulinge etwas scheu und verlegen auf dem Flur vor dem Hörsaal G5 im Hauptgebäude der ETH Zürich. Als würden sie sich nicht so recht trauen. Erst auf Zuruf einer Tutorin lösen sich die jungen Leute vom Geländer und strömen in den Hörsaal. Hier erhalten sie Einblicke in und Ausblick auf ihr Studium. Und diese, vermittelt von Jörg Goldhahn, Projektleiter des Bachelors Humanmedizin, sind vielversprechend.
Auf Betriebstemperatur bringen
Schon in der ersten Studienwoche werden die Frischlinge einer Radikalkur unterworfen. Im Kantonsspital Baden werden sie mit einem klinischen Fall konfrontiert, der sie in die Grundlagen einführt. Sie werden erarbeiten, wie der Fall gelöst und der Patient behandelt wird. Dazu werden Grundlagen in Biochemie vermittelt und die Studierenden erhalten Lektionen in Herz-Lungen-Reanimation. «Am Ende der ersten Woche werden wir Sie auf Betriebstemperatur haben», versprach Goldhahn den Studierenden.
Dass es warm gelaufen Schlag auf Schlag weitergeht, ist ebenso klar: In der zweiten Woche folgt ein Intensivkurs in Mikroskopie und Bildgebung. Am Donnerstag dieser zweiten Woche steht bereits eine Grundlagenprüfung an. Ab der zweiten Woche startet zudem der reguläre Unterricht – der ebenfalls sehr praxisorientiert ist und neuere Lernformen enthält.
Neuer Lernzielkatalog eingebunden
«Wir möchten hier nicht einfach nur Wissen vermitteln, sondern Verständnis für Konzepte und Zusammenhänge», sagt Goldhahn. «Das ist anders, radikal, aber auch sinnvoll». Und es erfordere von Dozierenden und Studierenden viel Engagement und eine hohe Motivation.
Der neue Studiengang profitiert davon, dass die ETH und ihre Partnerinstitutionen diesen von Grund auf neu konzipieren und moderne Lern- und Lehrformen einbinden konnten. Das Curriculum orientiert sich zudem am neuen Lernzielkatalog für Medizin, der ab diesem Herbst gültig ist. «Unsere Studierenden sind die ersten, die nach diesen neuen Vorgaben lernen. Andere Universitäten werden ihre Lehrpläne erst noch umstellen müssen», sagt Goldhahn.
Kulturschock Basisprüfung
Aller Änderungen zum Trotz – zum Nulltarif werden die Studierenden ihren Abschluss nicht erhalten. Bereits nach einem halben Jahr erwartet die Studierenden der erste Block der obligatorischen Basisprüfung, ein weiteres halbes Jahr später der zweite. Das ist für die frischen Gymnasiumsabgängerinnen und -abgänger ein Kulturschock, sagt Studienkoordinator Roland Müller.
100 Studienplätze wurden besetzt. Zwei Drittel der Studierenden haben die ETH als erste Wahl für ihr Medizinstudium angegeben, ein Drittel wurde ihr zugeteilt. Darunter sind Studienanfänger genauso wie Biologen, Physiker oder Absolventen der Medizintechnik.
Um einen Masterstudienplatz müssen sich die Bachelorstudierenden keine Sorgen machen, wenn sie die Prüfungshürden bis dahin überwinden. Das Masterstudium wird jedoch nicht an der ETH absolviert, sondern in Basel, Lugano und Zürich, denn die ETH Zürich verfügt nicht über ein Spital, wo die Ausbildung der Medizinerinnen und Mediziner vervollständigt werden kann. Nach sechs Jahren Ausbildung werden ETH-Medizinbachelors schliesslich die eidgenössische Prüfung ablegen – wie alle anderen Medizinerinnen und Mediziner schweizweit.
Nichts Überflüssiges
Müller erwähnte gegenüber den Studierenden, dass die ersten ETH-Medizinstudierenden «Testpiloten» seien. Das habe jedoch auch Vorteile: «Sie können durch Ihre Rückmeldungen mithelfen, diesen Studiengang Medizin an der ETH mitzugestalten und zu verbessern – das ist eine einmalige Chance, die Sie nutzen sollten», sagte er.
Goldhahn seinerseits mahnte die Studierenden, das Studium nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Leichte Fächer gebe es nicht. Wer glaube, Ethik sei ein leichtes Fach, Pharmazeutik unnötig, werde dies später bereuen. Sobald man als Arzt damit konfrontiert werde und einräumen müsse, keine Ahnung davon zu haben, werde man einsehen, dass man im Studium etwas versäumt habe. «Saugen Sie deshalb alles in sich auf, was ihnen geboten wird. In diesem Studium ist nichts sinnlos, nichts ist überflüssig!»
Einführungsanlass Medizin-Bachelor (alle Bilder: Sabine Goldhahn / ETH Zürich)
Viele Informationen prasseln auf die Neulinge nieder.
Erster Auftritt vor dem Plenum. Ein Student präsentiert die Workshop-Ergebnisse seiner Gruppe.
Grafische Darstellung des im Workshops erzielten Konsens.