Ganzes Musikalbum wird auf DNA archiviert
Mit an der ETH Zürich entwickelter Technologie wird zum ersten Mal die Tonspur eines ganzen Musikalbums in Form von genetischer Information gespeichert. Codiert auf DNA-Molekülen und in Glaskügelchen eingegossen, wird ein Album der Musikgruppe Massive Attack damit praktisch für die Ewigkeit erhalten bleiben.

Die britische Band Massive Attack gilt als Pionier des Trip-Hop, eines atmosphärisch klingenden elektronischen Musikstils mit eher langsamen Beats. Vor genau 20 Jahren ist ihr Album «Mezzanine» erschienen, mit dem ihr auch international der Durchbruch gelang und das ihr erfolgreichstes Album blieb. Zum zwanzigjährigen Jubiläum lässt die Band dieses Album nun in DNA-Molekülen speichern – mit einer an der ETH Zürich entwickelten Technologie. «Wir schaffen es auf diese Weise, die Musik für hunderte bis tausende Jahre zu archivieren, sagt Robert Grass ETH-Professor am Labor für Funktionelles Material-Engineering der ETH Zürich. Zum Vergleich: CDs wird eine Haltbarkeit von rund 30 Jahren nachgesagt.
Übersetzung von digital zu DNA
Grass und sein Kollege Reinhard Heckel, ein früherer ETH-Wissenschaftler, der nun an der Rice University tätig ist, übersetzten die digitale Tonspur des Albums in genetischen Code. «Während auf einer CD oder einer Computerfestplatte die Information in einer Abfolge von Nullen und Einsen gespeichert ist, speichert die Biologie genetische Information in einer Abfolge von vier DNA-Bausteinen – A, C, G und T», erklärt Grass.
Um mit einer gut handhabbaren Datenmenge arbeiten zu können, verwendeten Grass und seine Kollegen eine Musikdatei, die er mit dem Verfahren «Opus» auf eine Grösse von 15 Megabytes verdichtet hat. Opus ist ein Kompressionsverfahren für Audiodaten, das dem bekannten MP3 qualitativ überlegen ist. Eine amerikanische Firma ist nun daran, 920'000 kurze DNA-Moleküle herzustellen, auf denen die gesamte Information von «Mezzanine» gespeichert ist. Diese Moleküle werden anschliessend von der Zürcher Firma Turbobeads, einem Spin-off der ETH Zürich, in 5000 winzige (nanometergrosse) Glaskügelchen eingegossen, die je einen Teil der Information tragen. Grass rechnet damit, dass das Projekt in etwa einem bis zwei Monaten abgeschlossen sein wird.
Eine der grössten in DNA gespeicherte Dateien
Die verwendete Technologie wurde vor drei Jahren von Grass und Heckel an der ETH Zürich entwickelt. Damals archivierten die ETH-Wissenschaftler im Rahmen eines Machbarkeitsnachweises den Text des Schweizer Bundesbriefs in DNA. «Neu an dem Projekt mit Massive Attack ist, dass diese Technologie nun auch kommerziell eingesetzt wird», so Grass. Bei dem 15 Megabyte umfassenden Musikalbum handelt es sich um eine der grössten je in DNA gespeicherte Dateien. Grösser ist eine Sammlung mehrerer Dateien im Umfang von über 200 Megabyte, welche die Computerfirma Microsoft auf DNA gespeichert hat, sowie ein 22 Megabyte umfassendes Video der Firma Technicolor.
Die 5000 Glaskügelchen des Massive-Attack-Albums sind von blossem Auge unsichtbar. Sie werden als Dispersion in Wasser vorliegen und können in einem winzigen Fläschchen aufbewahrt werden, mit praktisch ewiger Haltbarkeit. Es ist jedoch auch jederzeit möglich, die DNA wieder aus den Glaskügelchen herauszulösen, mittels DNA-Sequenzierung die darauf gespeicherte Musikdatei zu lesen und sie auf einem Computer abzuspielen. «Im Unterschied zu traditionellen Datenspeichern ist es zwar recht aufwendig und teuer, Informationen auf DNA zu speichern», sagt Grass. «Von einmal auf DNA gespeicherter Information können wir jedoch mit nur minimalem Aufwand schnell und kostengünstig Millionen von Kopien erstellen.»
Anmerkung vom 05.06.2018:
In einer früheren Version dieses Artikels stand fälschlicherweise, dass es sich beim 15 Megabyte umfassenden Musikalbum um die zweitgrösste je in DNA gespeicherte Datei handelt.
Hörbeispiel
Download Ausschnitt (MP3, 1017 KB) aus dem Song Teardrop von Massive Attack in der Audioqualität, mit der die Musik auf DNA gespeichert ist.
Kommentare
Es wäre doch jetzt einmal spannend, wie sich das Leben anhören würde. Wäre das nicht, rein technisch gesehen, möglich? Also die menschliche DNA einfach auf dem "ETHZ-DNA-Player" abspielen lassen. Bin mir sicher, es gibt Überraschendes zu hören.
Das hängt sicher stark vom verwendeten Kompressionsverfahren ab. Ich schätze das Risiko als groß ein, dass hierbei eben nichts "spannendes" sondern hauptsächlich weißes Rauschen entsteht. Je "besser" das Kompressionsverfahren auf einer Skala "nur was 'hörenswert' ist lässt sich auch kodieren" ist, desto größer die Chancen, dass zweckentfremdete Daten aus anderen Quellen zu etwas 'hörenswertem' 'dekomprimiert' werden.
Ich bin der Meinung, dass hier ein Irrtum vorliegt. Ein ganzes Album in vergleichbarer Qualität kann nicht nur 15 MB gross sein. Pro Minute erwarte ich ungefähr 1 MB Speicherplatz. Würden Sie das bitte überprüfen.
Beim Hörbeispiel handelt es sich um die originale Qualität der Opus-Datei, die wir bewusst in das gebräuchliche MP3-Format umgewandelt haben. Die Opus-Datei ist kleiner als die zum Download angebotene MP3-Datei. Opus-komprimiert nimmt das ganze Album 15 MB ein - in der Qualität, die Sie im Beispiel hören können.
Der angebotene .mp3 Ausschnitt erscheint mir qualitativ grottenschlecht oder bin ich zu wenig kundig in Musik?
Ich vermute, Herr Raess meint die Qualität der Musik. Aber es ist vielleicht besser, wenn für solche "wissenschaftlichen Experimente" kein Mozart oder Beethoven hinhalten muss.
Wir haben die Qualität des angebotenen Ausschnitts geprüft und haben ausser der durch die Komprimierung bedingten Qualitätseinbusse kein weiteres Qualitätsproblem feststellen können. Als Tipp: Klick mit rechter Maustaste auf die Zeitleiste, "Audiofile speichern unter" wählen und die Datei auf Ihrer Festplatte speichern. Von dort mit einem Audioplayer abspielen.
Ich wage es nicht, diese Neuigkeit zu kommentieren...