Menschgemacht oder nicht?

Eine soeben in der Fachzeitschrift «Science» veröffentlichte Studie untersucht, ob eine Verbindung zwischen einem Erdbeben der Magnitude 5.5 in Südkorea und einem nahegelegenen Geothermieprojekt besteht.

Vergrösserte Ansicht: Der Bohrturm des Tiefengeothermie-Projekts nahe Pohang, Südkorea. (Bild: Robert Westaway, University of Glasgow)
Der Bohrturm des Tiefengeothermie-Projekts nahe Pohang, Südkorea. (Bild: Robert Westaway, University of Glasgow)

Verfasst wurde der Beitrag von einem Team des Schweizerischen Erdbebendienstes an der ETH Zürich unter Mitwirkung der Gruppe Ingenieurgeologie der ETH, des GFZ Potsdam und der Universität Glasgow. Bei dem Erdbeben, das sich am 15. November 2017 ereignete, wurden etwa 80 Menschen verletzt und zahlreiche Gebäude in der Stadt Pohang beschädigt. Sollte sich herausstellen, dass es sich dabei um ein menschgemachtes Beben handelt, wäre es das bisher grösste bekannte in Zusammenhang mit der Energiegewinnung aus Tiefengeothermie.

Seismogramme von induzierten Erdbeben unterscheiden sich in der Regel nicht von denen natürlicher Erdbeben. Untersuchungen dazu konzentrieren sich daher auf eine Reihe von Indikatoren und berücksichtigen unter anderem den Ort der Beben, ihre Tiefe sowie die im Untergrund vorgenommenen Stimulationsmassnahmen. Basierend auf der Analyse von öffentlich zugänglichen kontinuierlichen Wellenformdaten sowie geodätischen Satellitendaten leistet diese Studie einen Beitrag, um besser zu verstehen, ob es sich beim Pohang Beben um ein natürliches oder um menschgemachtes Ereignis handelt.

Beben nahe beim Geothermieprojekt

Die Studie zeigt, dass sich das Hauptbeben und seine grössten Nachbeben im Abstand von zwei Kilometern oder weniger vom Standort des Geothermieprojekts ereigneten. Ihre Epizentren liegen zudem nicht mehr als 1.5 km von einem induzierten Beben entfernt, das im April 2017 während einer der Stimulationskampagnen aufgetreten ist. Eine koreanische Studie, die zeitgleich in «Science» erschien, bestätigt diese Lokalisierungen.

Yangsan Verwerfung und Lage des Geothermieprojekts bei Pohang, Südkorea.
Yangsan-Verwerfung und Lage des Geothermieprojekts bei Pohang, Südkorea.

In der Regel gilt: Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs ist umso grösser, je kleiner die Distanz einer Erdbebensequenz zu einem Geothermieprojekt ausfällt, je näher die Sequenz an vorangehender, damit zusammenhängender seismischer Aktivität liegt und je geringer der zeitliche Abstand zu den Stimulationsmassnahmen im Untergrund ist. Sowohl das Hauptbeben als auch die vom 15. bis zum 30. November 2017 detektierten 46 Nachbeben ereigneten sich in Tiefen von 3 bis 7 Kilometern, was verglichen mit zuvor aufgezeichneten, natürlichen Beben in der Region ausserordentlich gering ist. Die Analyse der Satellitendaten zeigt, dass das Hauptbeben die Erdoberfläche permanent um bis zu vier Zentimeter verschoben hat. Dies deutet darauf hin, dass die nun aktivierte und bisher unbekannte Störung eine sehr oberflächennahe und steil einfallende Überschiebung ist, die direkt unterhalb des Bohrlochendes verläuft.

Zusammenhang liegt nahe

Diese Hinweise zusammengenommen, legen den Schluss nahe, dass vermutlich ein Zusammenhang zwischen dem Geothermieprojekt und dem Beben besteht. Allerdings ereignete sich das Hauptbeben erst zwei Monate nach Abschluss der letzten Stimulationsmassnahmen. Bislang fehlt ein quantitatives Model, welches einen Kausalzusammenhang zwischen den Stimulationsmassnahmen und diesem Ereignis herstellt.

Die koreanische Regierung hat eine unabhängige Expertenkommission einberufen, um alle Hinweise zu prüfen und zu untersuchen, ob das Beben durch die nahegelegene Stimulation ausgelöst worden sein könnte. Gemäss unserem Kenntnisstand wird die Kommission zu diesem Zweck alle verfügbaren Daten und Modelle (erneut) analysieren und bewerten. Miteinbezogen werden mikroseismische Daten, Injektionsvolumen, Druckverläufe im Reservoir und detaillierte hydrologische und geologische Daten. Sie sind wesentlich, um die Zusammenhänge zwischen den Stimulationsmassnahmen und der Erdbebensequenz verstehen zu können.

Der Schweizerische Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich hat die Öffentlichkeit im Rahmen eines Berichts über bewährte Strategien im Umgang mit induzierten Seismizität im November 2017 zum ersten Mal über das Erdbeben in Pohang informiert (s. SED News). Gleichzeitig hatte Geo-Energie Suisse AG den Kanton Jura in Kenntnis gesetzt. Auf dessen Gebiet liegt das momentan einzige petrothermale Tiefengeothermieprojekt (EGS), welches in der Schweiz eine Baubewilligung beantragt hat. Der Kanton Jura hat daraufhin die Geo-Energie Suisse AG angewiesen, mögliche Auswirkungen für das geplante Geothermieprojekt in Haute-Sorne einzuschätzen.

Kontrollierte Experimente

«Derart starke Beben in Zusammenhang mit Tiefengeothermieprojekten sind bisher weltweit noch nicht aufgetreten. Es ist aber bekannt, dass andere technische Eingriffe, die zu Spannungsänderungen im Untergrund führten, ähnlich grosse Beben verursachten. Ein vertieftes Verständnis der Ereignisse in Pohang ist zentral, um künftig sicher und nachhaltig geothermische Energie gewinnen zu können», sagt Stefan Wiemer, Leiter des Schweizerischen Erdbebendiensts (SED).

Die ETH Zürich beteiligt sich intensiv an der Forschung in diesem Bereich. Einerseits durch kontrollierte Experiment in Untergrundlaboratorien im Grimsel oder demnächst im Bedretto Tunnel, anderseits durch dir Entwicklung und Validierung von adaptiven Ampelsystemen, die echtzeitnahe alle verfügbaren Information auswerten und laufend in die Risikobeurteilung einbeziehen.

Literaturhinweis

Grigoli F, Cesca S, Rinaldi AP, Manconi A, López-Comino JA, Clinton JF, Westaway R, Cauzzi C, Dahm T, Wiemer S. The November 2017 Mw 5.5 Pohang earthquake: A possible case of induced seismicity in South Korea. Science 26 Apr 2018: eaat2010.
DOI: externe Seite 10.1126/science.aat2010externe Seite

Dieser Text ist zuerst auf der Website des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED) an der ETH erschienen.

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