Drei neue Nationale Forschungsschwerpunkte für die ETH

Die Automatisierung und Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, neue Ansätze einer nachhaltigen Chemie sowie der Einfluss von Bakterien auf die Gesundheit – mit diesen Themen befassen sich drei neue Nationale Forschungsschwerpunkte, für die die ETH Zürich die Leitung oder Co-Leitung übernehmen wird.

Vergrösserte Ansicht:  «UControl», «Suchcat» und «Microbiomes» –  das sind die drei neuen Nationalen Forschungsschwerpunkte, die an der ETH Zürich verankert sind. (Bild: ETH Zürich)
«UControl», «Suchcat» und «Microbiomes» – das sind die drei neuen Nationalen Forschungsschwerpunkte, die an der ETH Zürich verankert sind. (Bild: ETH Zürich) 

Heute haben der Bundesrat und der Schweizerische Nationalfonds sechs neue Nationale Forschungsschwerpunkte (NFS) vorgestellt. Unter ihnen befinden sich drei Schwerpunkte, an denen die ETH Zürich beteiligt ist: Der NFS «UControl» widmet sich den Methoden der Automatisierung, die das Herz der Digitalisierung bilden. Der NFS «Suchcat» untersucht neue Wege einer nachhaltigen Chemie. In beiden NFS haben ETH-Forschende jeweils die Gesamtleitung inne. Den NFS «Mikrobiome», der erforscht, wie Bakteriengemeinschaften die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen beeinflussen, leitet die Universität Lausanne zusammen mit ETH-Forschenden.

Mit den Nationalen Forschungsschwerpunkten fördert der Bund die langfristige und themenbezogene Zusammenarbeit von Forschenden verschiedener Schweizer Hochschulen. Für Detlef Günther, den Vizepräsidenten Forschung und Wirtschaftsbeziehungen der ETH Zürich, untersuchen alle drei NFS Forschungsthemen, die für die Schweiz sehr relevant sind und zugleich Lösungsansätze zu den globalen Herausforderungen beitragen werden.

Wie schon die bereits laufenden NFS unter Federführung der ETH sind für Günther auch die drei neuen NFS so aufgestellt, dass sie die interdisziplinäre Zusammenarbeit unterstützen sowie die Lehr-​, Forschungs-​ und Transferaktivitäten beschleunigen können. «Am meisten freut mich, mit welcher Begeisterung ETH-​Forschende Verantwortung für komplexe und gesellschaftlich wichtige Forschungsthemen übernehmen und fachübergreifend an Lösungswegen forschen», sagt Detlef Günther. Er würdigt auch die Eingaben der ETH-​Forschenden, die nicht gefördert werden. Alle ETH-​Anträge, die in die Endauswahl gekommen sind, hätten sich durch ihre hohe wissenschaftliche Qualität ausgezeichnet und eine Förderung verdient.

Die drei nun ausgewählten NFS beinhalteten alle gesellschaftlich wichtige Forschungsthemen, sagt Günther. «Sie sind attraktiv für junge, talentierte Forschende, haben eine hohe Langzeitwirkung in ihren jeweiligen Fachbereichen und beinhalten – von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung – interdisziplinäre Ansätze zur Lösung komplexer Herausforderungen.»

Zuverlässige, allgegenwärtige Automatisierung

Vergrösserte Ansicht: John Lygeros (Bild: ETH Zürich / Giulia Marthaler)
John Lygeros

Mit den Grundlagen von Automatisierung und Digitalisierung befasst sich der NFS «UControl». Geleitet wird er von John Lygeros, Professor am Institut für Automatik, und Gabriela Hug, Professorin am Institut für elektrische Energieübertragung. Heute lassen sich viele Maschinen, Verfahren oder Netze in Wirtschaft und Gesellschaft automatisch steuern, ohne dass Menschen eingreifen müssen. In Zukunft dürfte sich die Automatisierung ganz oder teilweise auf die Steuerung von Städten («Smart Cities»), Stromnetzen («Smart Grids») und industriellen Prozessen («Industrie 4.0») ausweiten.

«UControl» legt seinen Hauptschwerpunkt auf eine «zuverlässige und allgegenwärtige Automatisierung». Wenn die Automatisierung in Wirtschaft und Gesellschaft weiter voranschreitet, werden ihr Erfolg und ihre Akzeptanz stark von der Zuverlässigkeit abhängen. Entsprechend untersucht der NFS neben neuen Methoden einer intelligenten Automatisierung auch Aspekte der IT-Sicherheit und der sicheren Interaktion von Mensch und Maschine.

Vergrösserte Ansicht: Gabriela Hug (Bild: ETH Zürich / Giulia Marthaler)
Gabriela Hug

Die neu entwickelten Methoden und rechnergestützten Werkzeuge sollen sich dereinst auf dringende, gesellschaftlich relevante Probleme des Energiemanagements, der Mobilität der nächsten Generation und auf hochentwickelte Fertigungsprozesse anwenden lassen. Im Rahmen der NFS-Aktivitäten wird – zusammen mit Städten, Gemeinden und der Industrie – ein vollständig automatisiertes und dezentralisiertes Energiemanagementsystem auf Nachbarschafts- und Gemeindeebene entwickelt.

Die Vision von «UControl» ist es, dass der Wissens- und Technologietransfer parallel zur Forschung stattfinden kann und nicht erst am Ende des Forschungsprozesses. Dies wird im Bereich des Energiemanagements durch die Gründung eines Unternehmens beispielhaft gezeigt. Diese Firma unterstützt die Methodenentwicklung im Projekt und die anschliessende Verwertung der im Prozess entwickelten Expertise. Das «UControl»-Netzwerk umfasst 16 Forschungsgruppen der ETH Zürich, der EPFL, der Empa und der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Wege zu einer nachhaltigen Chemie

Vergrösserte Ansicht: Javier Pérez-Ramirez (Bild: ETH Zürich / Giulia Marthaler)
Javier Pérez-Ramirez

Digitalisierung spielt auch eine Rolle im NFS «Suchcat» («Sustainable chemical processes through catalysis», nachhaltige chemische Prozesse mittels Katalyse), der von ETH-Chemieprofessor Javier Pérez-Ramirez geleitet wird. In diesem NFS will man neue Wege finden, um chemische Produkte nachhaltiger herzustellen. Damit soll der Übergang hin zu einer ressourceneffizienteren und CO2-neutralen chemischen Industrie geschafft werden. Am Netzwerk von «Suchcat» beteiligen sich 27 Forschungsgruppen der ETH Zürich, der EPFL sowie von fünf weiteren Universitäten und Fachhochschulen.

Sehr viele Produkte, die aus unserem Alltag nicht wegzudenken sind – Medikamente, Treibstoffe, Pflanzendünger, Elektronikbauteile und viele mehr –, werden mittels chemischer Synthese hergestellt. In den meisten Fällen kommen dabei Katalysatoren (Reaktionsbeschleuniger) zum Einsatz. Javier Pérez-Ramirez und seine Mitstreitenden werden neue chemische Prozesse entwickeln und in der Industrie einführen, die nicht auf Erdöl, sondern auf reichlich vorhandenen und erneuerbaren Rohstoffen beruhen und welche die Luft-, Wasser- und Boden-Reinhalteziele einer nachhaltigen Chemie erfüllen.

Insbesondere werden die Forschenden katalytische Synthesewege entwickeln, um kleine chemische Moleküle wie CO2, Methan, Wasser und molekularen Stickstoff in Grundchemikalien und Treibstoffe zu überführen. Diese Grundchemikalien sind die Basis für zahlreiche weitere Chemikalien. Um die neuen Prozesse zu entwickeln, sollen unter anderem moderne, leistungsfähige Labortechniken wie Hochdurchsatzexperimente und digitale Methoden wie maschinelles Lernen zum Einsatz kommen.

Mikrobengemeinschaften verstehen und nutzen

Julia Vorholt (Bild: ETH Zürich / Giulia Marthaler)
Julia Vorholt

Komplexe Gemeinschaften von Mikroorganismen, sogenannte Mikrobiome, sind für Menschen, Tiere und Pflanzen wesentlich. Mikrobiome umfassen oft mehrere hundert Arten von Bakterien, die miteinander, mit ihren Wirten und mit der Umwelt wechselwirken. Aufgrund ihrer Komplexität sind Mikrobiome schwer zu erfassen und zu verstehen. Jan Roelof van der Meer, Professor in Umweltmikrobiologie an der Universität Lausanne (Gesamtleitung), wird deshalb in den kommenden vier Jahren zusammen mit Julia Vorholt, Professorin für Mikrobiologie im Departement Biologie der ETH Zürich, den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) «Microbiomes» leiten.

Ziel des interdisziplinären Forschungsverbundes ist es, systemübergreifend Gesetzmässigkeiten in Mikrobiomen zu erkennen. Zudem wollen die Forschenden Mikrobiome konstruieren oder gezielt verändern. Dies kann zum Beispiel dazu genutzt werden, um Krankheitserreger bei Menschen und Pflanzen zu eliminieren oder Mikroorganismen mit gewünschten Eigenschaften zu stabilisieren. Auf diese Weise wollen die Wissenschaftler lernen, das Potenzial von Mikrobiomen auszuschöpfen. Am NFS «Microbiomes» wirken Forschende aus dem Universitätsspital Lausanne, drei weiteren Departementen der ETH Zürich, der EPFL, der Universität Bern und der Universität Zürich mit.

Die Laufzeit bei allen NFS beträgt vier Jahre, kann aber zweimal um eine zweite und dritte Phase auf insgesamt zwölf Jahre verlängert werden.

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