«Die Ozeane gehören zu den bedeutendsten Klimamotoren der Erde»
Núria Casacuberta Arola untersucht mit Hilfe von Radionukliden die Wasserzirkulation, um die Rolle der Ozeane bei der Eindämmung des Klimawandels zu verstehen.
Was hat Sie als Ozeanographin nach Zürich gezogen, so weit weg vom Meer?
Die ETH Zürich verfügt über eine der wenigen Maschinen weltweit, die in der Lage sind, Umweltradioaktivität zu messen. Diese Beschleuniger-Massenspektrometer können Radioisotope im Meerwasser bereits zählen, wenn darin nur einige wenige Atome enthalten sind. Wir setzen sie ein, um sehr langlebige Radionuklide zu messen, die entweder auf natürlichem Weg oder durch menschliches Zutun ins Meer gelangt sind.
Sie haben die Ausbreitung radioaktiver Schadstoffe nach der Katastrophe von Fukushima untersucht. Was haben Sie daraus gelernt?
Auf unserer ersten Expedition vor der Küste Fukushimas stellten wir fest, dass die geschätzten Mengen an Radioaktivität im Pazifik für Lebewesen keine Gefahr darstellten. Da jedoch die Konzentration einiger Radionuklide um bis zu zwei bis drei Grössenordnungen gestiegen war, konnten wir anhand der Ausbreitung von Cäsium-137 die Oberflächenzirkulation im Pazifik nachvollziehen.
Warum ist es wichtig, die Ozeanzirkulation zu verstehen?
Die Ozeane gehören zu den bedeutendsten Klimamotoren der Erde, weil sie Wärme und Kohlenstoff transportieren und speichern. Die Kenntnis der Strömungsbahnen und Transportzeiten der Ozeanzirkulation lässt uns verstehen, welche Rolle die Ozeane bei der Eindämmung des Klimawandels spielen. Der Arktische Ozean und der Nordatlantik gehören heute zu den Gebieten, die von der globalen Erwärmung am stärksten bedroht sind.
Der Europäische Forschungsrat (ERC) finanziert Ihr aktuelles Projekt Titanica. Worum geht es?
Wir erforschen Strömungsbahnen, Transportzeiten und Durchmischung des Wassers im Arktischen und Atlantischen Ozean. Bahnbrechend ist der Einsatz von vier Radionukliden unterschiedlicher Herkunft und Inputfunktion. Wir verwenden modernste Zählverfahren, die zuletzt das Gebiet der Tracer-Ozeanographie revolutioniert haben.
Welche persönlichen Eigenschaften sind für die Arbeit in der Arktis wichtig?
Motivation und Begeisterung. Zwei bis drei Monate im Arktischen Ozean, oft ohne Internetzugang und in einer der abgelegensten Gegenden der Erde, sind sicherlich ein einzigartiges Abenteuer, erfordern aber auch enorme mentale und körperliche Stärke. Wenn wir zurückkommen, fühlen wir uns alle wie andere Menschen.
Zur Person
Núria Casacuberta Arola ist Assistenzprofessorin für Physikalische Ozeanographie am Departement für Umweltsystemwissenschaften.
Dieser Text ist in der Ausgabe 21/04 des ETH-Magazins Globe erschienen.