Das Forschungszentrum «The LOOP Zurich» schafft eine zentrale Plattform für den Austausch von Gesundheitsdaten zwischen Universität Zürich, ETH Zürich und den vier universitären Spitälern. Damit Daten rasch und unkompliziert zugunsten der Patientinnen und Patienten genutzt werden können.
- Vorlesen
- Anzahl der Kommentare
Liegt eine Patientin auf der Intensivstation, überwachen zahlreiche Geräte ihren Gesundheitszustand. Zwischendurch erfolgt vielleicht eine Magnetresonanztomographie und im Hintergrund werden im Labor Blutproben ausgewertet. All dies mit dem Ziel einer bestmöglichen Behandlung. Dabei fallen pro Person auf einer Intensivstation jeden Tag rund 20 MB an Daten an, in speziellen Situationen werden gar 100 GB erreicht – eine gewaltige Menge, die etwa der Dateigrösse eines einstündigen Kinofilms entspricht.
Stimmen die Patientinnen und Patienten der Nutzung dieser Daten für die medizinische Forschung zu, wird es spannend. Denn besonders wenn eine grosse Datenmenge analysiert werden kann, werden darin Muster sichtbar, wie sich Krankheiten entwickeln und welche Therapien wirksam sind. Immer öfter kommen dabei Methoden der Künstlichen Intelligenz zum Einsatz und schaffen die Grundlage, um personalisierte, also auf jeden einzelnen Menschen zugeschnittene Behandlungen zu entwickeln. «Grosse Datenmengen sind eine wichtige Grundlage der Präzisionsmedizin», sagt Beatrice Beck Schimmer, Direktorin Universitäre Medizin Zürich.
Mehr Daten, mehr Wissen
Wird dieser Datenschatz auch genutzt? Wie sieht das in den vier universitären Spitälern in Zürich aus, also dem Universitätsspital Zürich, dem Universitäts-Kinderspital Zürich, der Universitätsklinik Balgrist und der Psychiatrischen Universitätsklinik? «Wir nutzen das riesige Potenzial der Daten noch zu wenig», ist Beatrice Beck Schimmer überzeugt.
Das Problem: Heute benutzt jedes Spital sein eigenes Informatiksystem. Die Daten der Patientinnen und Patienten sind nicht kompatibel mit anderen Systemen und können nicht zwischen den Spitälern ausgetauscht und für spitalübergreifende Forschungsprojekte genutzt werden. Es fehlt an einer gemeinsamen digitalen Infrastruktur. Auch an den einzelnen Spitälern fehlt bisweilen die Infrastruktur, um mit grossen Datenmengen umzugehen.
Eine Plattform für alle
Jetzt ist eine Lösung dafür in Sicht. Das Forschungszentrum The LOOP Zurich – eine gemeinsame Initiative von UZH, ETH Zürich und den vier universitären Spitälern – will bis 2025 eine Biomedizinische Informatikplattform (BMIP) aufbauen. Den Auftrag dazu hat The LOOP von der Universitären Medizin Zürich (UMZH) erhalten, wofür die Regierung des Kantons Zürich die notwendigen Mittel gesprochen hat. Damit entsteht ein zentrales Datenmanagement auf dem Forschungsplatz Zürich. «Ziel ist es, einen effizienten, einfachen Datenaustausch für alle beteiligten Forschenden zu garantieren. Das ist eine wichtige Basis für die langfristige Entwicklung des Medizinstandortes Zürich», sagt Michael Krauthammer, Medizininformatiker an der UZH und Ko-Projektleiter der Biomedizin-Plattform.
Der zweite Projektleiter auf Seiten der ETH Zürich ist der Biomedizininformatiker Gunnar Rätsch. Seine Gruppe entwickelt einerseits KI-Algorithmen, die aus biomedizinischen Daten lernen und für die Gewinnung neuer Erkenntnisse genutzt werden können. Andererseits arbeiten sie an Methoden, um grosse genomische oder medizinische Datensätze zu analysieren.
Die beteiligten vier universitären Spitäler werden ihre für jedes Forschungsprojekt erhobenen Daten an die neue Plattform senden. Dort werden alle Daten zusammengeführt, gespeichert und harmonisiert – also in ein Format gebracht, das den Austausch zwischen den einzelnen Spitälern erlaubt. Integriert in die Plattform werden auch die bestehenden Biobanken mit wertvollen Patientendaten unter anderem aus Gewebeproben. Die zentrale Lösung wird auch deutlich kostengünstiger sein. Für die Daten auf der Plattform gelten die gleich strengen Anforderungen an den Datenschutz wie in den Spitälern.
Zurück in die Klinik
Die Biomedizinische Informatikplattform wird nicht nur die Speicherung und den Austausch von Daten ermöglichen, sondern auch die Entwicklung und die vernetzte Anwendung von Künstlicher Intelligenz . So werden sich etwa Algorithmen aus einem Projekt des USZ auch für das Balgrist nutzen lassen. Denn die Plattform ist keine Einbahnstrasse. Daten und Algorithmen lassen sich daraus auch wieder in die Spitäler exportieren. Um auf das Beispiel der Intensivstation zurückzukommen: Dort können solche Algorithmen genutzt werden, um beispielsweise eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes frühzeitig zu erkennen und geeignete Massnahmen einzuleiten. Die auf der Plattform entwickelten Algorithmen können dazu auch direkt an den Geräten der Intensivstation angewandt werden.
Bereit für schweizweite Lösung
Die Zürcher Plattform wird den Standards entsprechen, wie sie derzeit im Rahmen des Swiss Personalized Health Network (SPHN) entwickelt werden. Diese Initiative des Bundes will einen schweizweiten Austausch von Gesundheitsdaten für die Forschung ermöglichen. Die Zürcher Informatikplattform wird sich in Zukunft über eine Schnittstelle direkt in die landesweite Lösung eingliedern lassen und könnte zum nationalen Vorbild für die datenzentrierte Forschung werden. Zudem soll sie zur interdisziplinären Forschungszusammenarbeit zwischen Ingenieurwissenschaften, Medizin und Informatik beitragen .
«Eine gemeinsame Infrastruktur für den Datenaustausch zwischen Hochschulen und Spitälern ist sowohl für die medizinische Versorgung in Zürich als auch in der Schweiz bedeutend», sagt Christian Wolfrum, ETH-Vizepräsident für Forschung, «grosse biomedizinische Datensätze, wie sie etwa in den USA bereits existieren, sind auch für unsere Grundlagenforschung unverzichtbar, um zuverlässig Krankheitsursachen zu erkennen und personalisierbare Behandlungsansätze für Patientinnen und Patienten zu entwickeln.»
Schliesslich soll die Biomedizinische Informatikplattform den Patientinnen und Patienten zugutekommen. Ihre Daten werden es ermöglichen, die Diagnostik und Therapie zahlreicher Krankheiten zu verbessern, damit sie die für sie wirksamste, evidenzbasierte Behandlung erhalten.
Dies ist eine leicht bearbeitete Version eines Artikels, der in den UZH News erschienen ist. Adrian Ritter ist freischaffender Journalist.