Neue Werkzeuge für die Forschung
Der Biotechnologe Randall Platt hat mit 29 Jahren schon viel erreicht: Eine von ihm entwickelte Methode wird in über 1000 Forschungslabors weltweit eingesetzt. Und vor kurzem hat der Familienvater eine Professur an der ETH erhalten.
Ein paar Möbel, ein Computer, ein Dutzend Bücher und eine Wandtafel: Das Büro von Randall Platt ist so minimalistisch eingerichtet, dass es beinahe ungemütlich wirkt. «Das höre ich oft, aber mir gefällt es», sagt er. «So kann ich mich voll auf die Arbeit konzentrieren». Platt ist im Oktober letzten Jahres nach Basel an das Departement für Biosysteme (D-BSSE) der ETH gekommen, wo er eine Stelle als Assistenzprofessor angetreten hat. Seither arbeitet er mit Hochdruck daran, seine eigene Gruppe aufzubauen, das Labor einzurichten und Anträge für Forschungsgelder zu schreiben. Von Stress ist ihm trotzdem nichts anzumerken.
Neue Rolle als Chef
Der Amerikaner ist einer der jüngsten Professoren an der ETH: Mit 29 Jahren ist er kaum älter als seine Mitarbeiter, zu denen ein Postdoktorand, zwei Doktoranden und ein Masterstudent zählen. «An meine neue Rolle als Chef muss ich mich erst noch gewöhnen», sagt er. Ab und zu vergesse er, dass er nicht mehr selbst zu den Doktoranden gehört. Was jedoch nicht an seinen Professorenkollegen am Departement liege, denn diese hätten ihn sehr kollegial aufgenommen. So fühlt er sich in Basel sehr wohl.
Platts Forschungsgebiet ist das Biologische Engineering: Er entwickelt molekulare Werkzeuge, um die Funktion von Genen zu untersuchen. Ein solches Werkzeug ist die Genschere CRISPR/Cas-9, die ursprünglich in Mikroorganismen entdeckt wurde. Damit ist es möglich, jedes beliebige Gen in einem Organismus an- oder auszuschalten – und zwar viel einfacher und schneller, als dies mit bisherigen Methoden möglich war.
Platt war einer der ersten, der die neue Methode in Zellen von Säugetieren angewendet hat. Das war während seiner Doktorarbeit, die er bis 2016 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston durchführte. Dort erzeugte er transgene Mäuse, deren Körperzellen dauerhaft eine der Komponenten der Genschere CRISPR/Cas-9 produzieren. Diese sogenannten Cas-9-Mäuse sind ein ideales Modell, um Gene in einzelnen Organen oder Geweben ein- oder auszuschalten und so deren Funktion zu studieren. Das hat auch die internationale Forschergemeinde erkannt: Mit dem Mausstamm arbeiten bereits über 1000 Labore auf der ganzen Welt.
Fasziniert vom Gehirn
Für den Bioingenieur ist das ein gutes Gefühl: «Ich finde es aufregend, was mit dieser Methode möglich ist». Damit würden künftig viele biologische Rätsel gelöst werden, auf die es bisher keine Antwort gab. Ihn selbst interessieren dabei vor allem die Rätsel des Gehirns. «Dieses Organ fasziniert mich, weil es Unglaubliches leistet», sagt er. Doch man wisse immer noch sehr wenig darüber. Welche Gene steuern die Entwicklung des Gehirns? Was ist die genetische Grundlage von Entwicklungsstörungen wie Autismus? Solchen Fragen geht Platt auf den Grund. Erst vor kurzem hat er eine wissenschaftliche Arbeit publiziert, in der er ein Gen in Mäusen charakterisiert hat, das mit autistischem Verhalten in Verbindung steht. Insgesamt gibt es über 800 solcher Gene. Doch welche Funktionen sie haben und welche Symptome ein Defekt in einem bestimmten Gen auslöst, ist weitgehend unbekannt. Platt will sämtliche bisher bekannten Autismus-Gene im Mausmodell untersuchen. «Dank CRISPR/Cas-9 ist das nun möglich», sagt er. Mit bisherigen Methoden hätte dies viel zu viel Zeit in Anspruch genommen.
Platt hofft, dass durch eine bessere Kenntnis der genetischen Ursachen von Autismus auch bessere diagnostische Verfahren und Therapien entwickelt werden können. «Dasselbe gilt auch für viele andere komplexe Krankheiten», glaubt er. Deshalb will er sich in seiner Forschung auch nicht zu stark auf eine bestimmte Krankheit fokussieren. «Es ist nicht so, dass ich mich schnell langweile, aber ich beschäftige mich gerne mit vielen verschiedenen Themen». Am meisten reizt ihn, weitere molekulare Werkzeuge zu entwickeln, welche die Forschung voranbringen.
Zeit für die Familie
Aufgewachsen ist Randall Platt in der Nähe von Salt Lake City, wo die Berge direkt vor seiner Haustür lagen. Dort ging er oft zum Skifahren, Mountainbiken oder Wandern. «Ich wäre diesen Winter gerne einmal in den Alpen Ski gefahren, habe es aber bisher nicht geschafft», sagt er. Stattdessen verbringt er neben der Arbeit so viel Zeit wie möglich mit seiner Frau und seiner dreijährigen Tochter. «Meine oberste Priorität ist, jeden Abend mit meiner Familie zu essen». Auch die Wochenenden hält er sich zumeist frei. Das war früher anders: Während seiner Doktorarbeit in Boston stand er drei Jahre lang jeden Tag im Labor, auch an den Wochenenden. Auf Urlaub verzichtete er. Das hätten dort alle so gemacht: «Es war eine Art Bootcamp», sagt Platt. Er habe sehr viel gelernt und würde die Zeit gegen nichts tauschen wollen. Doch wegen seiner Familie sei das heute keine Option mehr für ihn.
Er ist froh, dass er sich trotz anderer Jobangebote für die Stelle am D-BSSE entschieden hat. «Die ETH ist ein hervorragender Ort zum Forschen», sagt er. Hier stünden ihm viele Ressourcen zur Verfügung. Ausserdem passe sein Forschungsgebiet sehr gut zu jenen der anderen Professoren im Department: «So können wir voneinander profitieren». Ob er nach seiner jetzigen Anstellung eine dauerhafte Position erhält, wird sich erst in etwa fünf Jahren entscheiden. Bis dahin liegt noch viel Forschungsarbeit vor ihm. Er ist jedoch optimistisch, dass er erfolgreich sein wird und in Basel bleiben kann: «Nachdem ich in den letzten Jahren an vielen verschiedenen Orten gewohnt habe, wäre es schön, mal wieder irgendwo richtig zu Hause zu sein».