Bauen mit Aushubmaterial

Lehm ist ein ideales Baumaterial – es ist billig, schont Ressourcen und reguliert das Raumklima. Und: Lehmhaltige Erde ist meist reichlich vorhanden, wo man baut. Dennoch wird das Potenzial von Lehm im Bau noch immer unterschätzt.

Vergrösserte Ansicht: Erdhügel mit Bagger
Vielseitiger, als man gemeinhin denkt: Erde als Werkstoff. (Bild: Professur für Nachhaltiges Bauen / ETH Zürich)

Wenn der moderne Mensch ein Gebäude erstellt, dann erfolgt dies oftmals so: Er gräbt eine Grube, transportiert den Aushub mit Lastwagen ab und liefert dafür tonnenweise Sand, Kies und Zement heran. Das vermischt er mit Wasser zu Beton und bildet damit Fundament und Haus. Dieses bestückt er dann vornehmlich mit komplexer Gebäudetechnologie, um Einbussen an Komfort zu kompensieren.

Erdige Architektur  

Wir möchten zeigen, dass es auch anders geht. Und zwar mit einer besseren Nutzung von Aushubmaterialien, also der lehmigen Erde, auf der wir unsere Häuser bauen. Mit Aushubmaterialien können wir nämlich verschiedene Herausforderungen angehen, mit denen die bauende Gesellschaft konfrontiert ist – von Ressourcenknappheit über Klimawandel bis zum Raumklima mitsamt seinen oft nicht gänzlich funktionierenden Gebäudesystemen.

Deshalb organisiert die Professur für Nachhaltiges Bauen zusammen mit der IG Lehm, dem Verein für Lehmbau in der Schweiz, die Ausstellung Think Earth! in der Haupthalle der ETH Zürich (siehe Kasten). Die Ausstellung stellt Lehm als Werkstoff vor und zeigt entsprechende Bautechniken sowie Beispiele zeitgenössischer Lehm-Architektur.

Alternatives Baumaterial

Vergrösserte Ansicht: Lehmziegel
Ein stabilisierter Lehmziegel. Screenshot aus dem THINK Earth!-Film «Lehm und Ressourcen». (Bild: Professur für Nachhaltiges Bauen/ETH Zürich)

Seit der Mensch seine Höhlen verliess, vertraut er auf Erde als Baumaterial. So ist der Lehmbau zwar die älteste Bautechnik der Welt, aber leider nicht mehr die wichtigste, vor allem nicht in modernen Städten. Heute bauen wir vornehmlich mit Holz, Mauerwerk, Stahl oder Beton – aber selten mit Lehm. Zu selten, wie wir finden. Dabei ist Lehm als Baumaterial ähnlich wie Beton, nur bindet anstelle des Zements der Ton den Kies und andere Komponenten.

Doch es gibt gewichtige Unterschiede. Ein Blick auf die Ressourcenfrage zeigt eine paradoxe Situation: Fast überall auf der Welt ist die Bauwirtschaft besorgt, sich genügend guten Sand und günstigen Kies zu sichern für die – sehr energieintensive – Herstellung von Beton. Denn der scheinbar unendliche Rohstoff Sand wird von Flussläufen, Seen und Küsten abgebaggert und geht uns langsam aber sicher aus (siehe dazu diesen Blogbeitrag).

Gleichzeitig entnehmen wir dem Untergrund unserer Städte ein durchaus geeignetes Bausubstrat, transportieren es aufwändig zu Deponien oder lagern es in Kiesgruben ab. Würden wir stattdessen vermehrt mit Aushub bauen, schlössen wir nicht nur diese Lieferkette kurz, sondern schonten auch unsere Sand- und Kiesressourcen und sparten Energie und CO2 ein.

Natürlich reguliertes Raumklima

In Neubauten leiden Bewohner immer öfter unter trockener Luft. Solche Probleme mit Luftfeuchtigkeit und Innenraumklima rühren von der dichten Bauweise und den kontrollierten Lüftungen und Heizungen her. Die gängige Antwort auf diese Mängel lautet: möglichst noch raffiniertere und komplexere Technik.

Dabei kann Lehm als Putz den Feuchtigkeitsgehalt der Luft auf natürliche Weise regulieren und so den Komfort im Innenraum effektiv steigern. Wir sollten Erde daher weniger als vollwertigen (und ausreichenden) Ersatz für strukturelle Baumaterialien wie Beton sehen, sondern vielmehr auch als Alternative für Gebäudetechnik verstehen. So sorgt im ausgebauten Zürcher Stadtspital Triemli neben einem regulären Gebäudesystem zusätzlich ein Lehmputz für ein reguliertes Raumklima. Anders beim Kräuterzentrum von Ricola: Dort lagern die heiklen Kräuter dank massiven Lehmwänden bei der richtigen Luftfeuchtigkeit, ganz ohne weitere Gebäudesysteme.

Der Schulhaus Pavillon Allenmoos II (Boltshauser Architekten)
Lehmige Architektur: Der Schulhaus Pavillon Allenmoos II (Boltshauser Architekten). Screenshot aus dem THINK Earth!-Film «Lehm und Gesundheit». (Bild: Professur für Nachhaltiges Bauen / ETH Zürich).

Dreck neu gedacht

Wir sind überzeugt: Das traditionelle Baumaterial Lehm findet seinen Weg in die moderne Welt zurück. Dabei gibt es aber noch Hürden zu überwinden, denn die alten Verarbeitungstechniken sind mit den Anforderungen der heutigen Bauindustrie kaum mehr kompatibel.

Genau daran wird heute vielerorts geforscht. So entwickeln etwa die Empa Lehmputze mit Aerogels, um die feuchtigkeitsregulierenden Eigenschaften von Erde weiter zu verbessern. In Frankreich und der Schweiz entstehen innovative Ansätze für die Bewehrung von Erde durch Vorspannung. Und an der ETH Zürich arbeiten wir an flüssiger Erde, die wie konventioneller Beton in eine Schalung giessen lässt. Das würde die Arbeitskosten von Lehmbau wesentlich reduzieren.

Wenn Sie sich für Lehm und erdige Architektur interessieren, besuchen Sie Think Earth!. Sie sind herzlich eingeladen.

Guillaume Habert hat diesen Beitrag gemeinsam mit Sasha Cisar verfasst.

«Think Earth!» – Bauen mit Lehm heute

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Die Ausstellung zeigt das Potenzial von Aushub als Baumaterial. Die Eröffnung von findet am 30. Oktober 2017 um 17:30 Uhr im HG E 3 statt. Die Ausstellung zeigt Projekte des TERRA Award, dem Preis für zeitgenössische Lehmbauarchitektur. Zwei Diskussionsrunden vertiefen die Themen «Lehm und Gesundheit» (am 1. November, auf Deutsch) und «Lehm und Technologie» (am 3. November, auf Englisch), jeweils um 17.30 Uhr in der Semper Aula.

Mehr zur Ausstellung und zum Programm finden Sie hier.

Zu den Autoren

Guillaume Habert

Guillaume Habert

Professor für Nachhaltiges Bauen,

ETH Zürich

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Frühere Blogbeiträge

 

Sasha Cisar

Sasha Cisar

Doktorand am Lehrstuhl für Nachhaltiges Bauen,

ETH Zürich

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