ETH-Brückenkopf im US-Powerhouse
Das ETH Alumni Chapter New England ist ein Vorposten der Hochschule inmitten eines der weltweit vitalsten Innovationsräume. Vom Engagement der Alumni profitieren der Techsektor der US-Ostküste und die ETH Zürich.
Rund um den Globus verfolgten Anfang Februar 2019 Sportbegeisterte, wie die New England Patriots beim Super Bowl triumphierten, dem prestigeträchtigsten Duell im amerikanischen Sportjahr. Neuengland ist ein Synonym für Spitzenleistung: Neben dem Sport gilt das auch für Wissenschaft und Wirtschaft. In der Region Boston herrscht weltweit die höchste Konzentration an Spitzenuniversitäten. An die sechzig Hochschulen und Forschungsinstitute sind hier angesiedelt, und von diesen sind Harvard und das MIT nur die klingendsten Namen. Damit Hand in Hand geht auch eine pulsierende High-Tech-Industrie.
Stützpunkt im Innovationsmekka
In diesem innovationsaffinen Umfeld amtet Patrick Anquetil seit 2016 als Präsident des ETH Alumni Chapter New England. Der 44-jährige Sohn eines Franzosen und einer Deutschen ist Absolvent von ETH, MIT und Harvard und heute Medtech-Unternehmer. Er verkörpert vielleicht idealtypisch, wozu ein ETH-Studium befähigt: zu einer von der Neugier geleiteten Karriere, für die Grenzen keine Rolle spielen. Er sei, so Anquetil, ein «erklärter ETH-Fan» und engagiere sich deshalb mit Leidenschaft für das Netzwerk. Als Maschinenbaustudent, der aus Frankreich nach Zürich kam, habe er sich an der ETH extrem gut aufgehoben gefühlt. «Die einzigartige Ausbildung und die Kontakte, die ich hier knüpfen konnte, waren für meinen späteren Lebensweg prägend. Mit meinem Engagement für die Alumni will ich der ETH etwas davon zurückgeben.»
Das Alumni Chapter New England wurde 2010 gegründet und hat heute rund 300 Mitglieder – es ist damit eines der grössten ausserhalb der Schweiz. «Die ETH-Brücke Zürich- Neuengland war damals überfällig. Nicht zuletzt, um die Suche nach neuen Talenten für die Hochschule zu unterstützen», erzählt Anquetil.
Gemeinschaft vom ersten Tag an
Ein zweiter Anstoss sei der riesige Wissensschatz der Ehemaligen gewesen. «Wir sind zuständig für den Reality-Check von Forschung und Lehre. Wir hoffen, dass die Fragen und Lösungswege, mit denen ETH-Absolventen im Beruf täglich arbeiten, in die ETH-Curricula einfliessen.» Darüber hinaus sind auch nichtfachliche Erfahrungen gefragt. Etwa, wie Universitäten wie Harvard oder das MIT es schaffen, den sozialen Kitt zu erzeugen, um den sie weltweit beneidet werden.
Hat Patrick Anquetil die Antwort? «Nun, sie bringen es fertig, ein unheimlich starkes Band um ihre Community zu schmieden, und zwar ab Tag 1 des Studiums.» An der Harvard Business School werde den Studierenden ein derart starker Gemeinschaftsgeist eingeimpft, «dass man buchstäblich alles stehen und liegen lässt, wenn sich jemand aus diesem Netzwerk meldet». Auf die Pflege ihrer Alumni legten diese Hochschulen besonderen Wert. «Aber», so Patrick Anquetil, «das hat auch mit der Suche nach finanziellem Support zu tun. Denn die meisten Topuniversitäten sind privatrechtlich organisiert und vom Goodwill Privater abhängig – sprich, vielfach von ihren Alumni».
Das bestgehütete Geheimnis
Das ETH-Studium als einzigartiges «Produkt» und Schlüssel zum Erfolg – diese Botschaft platziert der Unternehmer wiederholt. Wer Einblick in Universitäten hat, merke rasch: «Die ETH bietet eine absolute Spitzenausbildung, und das zu einem lächerlich tiefen Preis!» Gemessen am hervorragenden wissenschaftlichen Ruf der ETH sei ihr Bekanntheitsgrad noch zu tief: «Die ETH ist in der Hochschulwelt vielleicht das bestgehütete Geheimnis.»
Was tun die Bostoner Alumni, um das zu ändern? Erstens: bewusst netzwerken. «Die Verbindungen zur ETH und unter den Chapters wurden in den letzten Jahren systematisiert, sodass der globale Austausch unter ETH-Alumni heute rascher und effizienter vonstatten geht», erklärt Anquetil. Wenn ein ETH-Alumnus aus Tokio nach Boston reise, finde er heute sofort Anschluss und könne sich vernetzen.
Zweitens: Das Netzwerk dient als Plattform, um die Passion für Forschung und Technologie zu pflegen, die alle ETH-Alumni teilen und in ihr Umfeld tragen. «Und drittens: Die Alumni sehen sich als Botschafter für die ETH Zürich und den Wissensplatz Schweiz. Das ist für die ETH gerade hier in Boston eine grosse Chance.» Ein idealer Knotenpunkt dafür ist Swissnex, die Schweizer Drehscheibe für Wirtschaft und Wissenschaft in der Nachbarschaft von Harvard und dem MIT.
Die am besten besuchten Anlässe seien jene, wenn der ETH-Präsident das Chapter besucht, verrät Patrick Anquetil. Was wird er Joël Mesot fragen, sollte er ihm demnächst begegnen? «Vieles würde mich interessieren, aber das Wichtigste ist wohl: Wie will die ETH nicht nur für die Probleme der Schweiz, sondern für die weltweit drängenden Fragen wie Klima, Ernährung und Weltbevölkerung Lösungen erarbeiten? Und vor allem: Wie können wir als Alumni die ETH dabei unterstützen? Wir freuen uns darauf, dazu unseren Beitrag zu leisten.»
Zur Person
Patrick Anquetil ist seit 2016 Präsident des Alumni Chapter New England. Er studierte Maschinenbau an der ETH, absolvierte seinen Master an der Universität Tokio, doktorierte am MIT und machte einen MBA an der Harvard Business School. Er gründete mehrere Unternehmen und ist heute CEO von Portal Instruments, das ein nadelfreies Injektionssystem entwickelt hat.
ETH Circle
«Die Alumni sind weltweit wertvolle Botschafter der ETH», sagt Jürg Brunnschweiler, Leiter von ETH Global und Vertreter der Schulleitung im Vorstand der ETH Alumni Vereinigung. Deshalb will die ETH Zürich das Potenzial der Alumni noch stärker nutzen. Sie hat dazu im Januar 2019 am WEF in Davos den ETH Circle lanciert. Der ETH Circle ist eine neue, die Alumni-Vereinigung ergänzende Gemeinschaft von ETH-Botschaftern. Er bringt renommierte Persönlichkeiten des ETH-Netzwerks aus der ganzen Welt zusammen, die sich für die Hochschule verstärkt engagieren wollen. Ihr Erfahrungsschatz, ihre Kompetenzen und Kontakte sollen die internationale Positionierung der ETH unterstützen.