«Ich wollte an die beste Architekturschule der Welt»
Die ETH-Alumna Xi Zhang machte ihren Architektur-Bachelor in Shanghai, den Master in Zürich an der ETH. Auch heute ist die Chinesin noch in beiden Städten tätig: Sie leitet ein internationales Architekturbüro.
Heute in Zürich, vorgestern in Hongkong, vor drei Tagen in Shanghai. Die ETH-Architektin Xi Zhang ist erfolgreich. Sie hat je ein Büro in Zürich und Shanghai, pendelt in der Regel monatlich hin und her. Das Geschäft läuft gut. «Wir bieten, was der Markt braucht», erklärt Zhang ihr Erfolgsrezept. «In China die Schweizer Qualität, in der Schweiz die chinesische Geschwindigkeit.»
Aufgewachsen ist Zhang in einer Künstlerfamilie in Xi’an. Ihr Vater hat aber bald eingesehen, dass die chinesische Malerei nichts für seine Tochter ist. «Ich habe einen anderen Charakter», sagt Zhang. «Ich bin kribbelig und multitasking. Ich muss nach fünf Minuten mit etwas fertig sein, um etwas Nächstes zu machen.»
Ausserdem lagen ihre Stärken in der Schule bei den Naturwissenschaften. Und so kam die Familie auf die Idee mit der Architektur: Sie verbindet das Technische mit der Kunst. Als Zhang 1997 mit dem Studium an der Tongji University in Shanghai anfing, war schnell klar, dass es genau das Richtige für sie ist. «Ich hatte Glück, einfach perfekt.»
Glück, Zufall oder Können
Nach dem Abschluss 2002 wollte Xi Zhang unbedingt Auslanderfahrung sammeln. Es zog sie in die Schweiz. «Ich hatte ein einfaches Motiv», blickt Zhang zurück. «Die ETH ist die beste Architekturschule der Welt.» Da wollte sie hin. Doch dann gab es Probleme mit dem Visum und sie verpasste den Semesterstart. Pech? Mitnichten. Um die Zeit bis zum nächsten Semester zu überbrücken, bewarb sie sich um ein Praktikum bei Herzog & de Meuron, wurde genommen und konnte als Juniorarchitektin bleiben. Unter anderem arbeitete sie am Vogelnest in Peking. «Ich konnte Praxiserfahrung im besten Architekturbüro sammeln», freut sich Zhang noch heute. «Ich hatte wirklich Glück.»
Xi Zhang redet oft von Glück oder Zufall. Von ihrem Können und ihren unzähligen Talenten nicht. Aber sie gibt gerne zu, wie hart sie für ihren heutigen Erfolg gearbeitet hat, noch immer arbeitet. Phasenweise waren da gar keine Projekte, dann wiederum musste das ganze Team selbst an Weihnachten bis tief in die Nacht arbeiten. «Alles, was man tut, lohnt sich», ist die Chinesin überzeugt, und dass alles zurückkommt. «Wenn ich dir ein Lachen schenke, lächelst du sofort zurück. Aber je visionärer die Idee, desto länger dauert es.»
«Die ETH hat mir die Augen geöffnet – eigentlich den ganzen Kopf.»Xi Zhang
Zhangs Karriere als selbständige Architektin startete 2006 gleich nach Abschluss ihres Studiums. Mit dem ETH-Master in der Tasche ging sie zurück nach Shanghai und gründete dort mit einem Partner ihr Architekturbüro EXH Design. «Als ich an der ETH war, hatte ich gar nicht gemerkt, was ich über die reine Architektur hinaus alles lernte», blickt sie zurück. Wie man einen Vertrag abschliesst, in welcher Phase man aufpassen muss, wie man mit Mitarbeitenden umgeht. Erst im Nachhinein hat sie realisiert, dass die ETH sie alles gelehrt hat. Als sie anfing, die eigene Firma zu führen, hat die Jungunternehmerin die alten Bücher hervorgeholt und nochmals gelesen. «Nicht für die Prüfung, sondern für mich selbst.»
Neue Denkweise gelernt
In China beschäftigt ihre Firma heute 22 Angestellte, in Zürich sind es bislang deren drei. Der europäische Standort ist noch jung. Erst 2016 hat die Firma nach Europa expandiert. Das helle, reduzierte Büro liegt an bester Lage direkt am Zürichsee. Der kulturelle Unterschied zwischen den beiden Büros ist gross. «Hier in Zürich reden alle von der Work-Life-Balance, aber ich trenne das nicht», sagt Zhang. «Mein Ziel ist es, dass ich aus meiner Aktivität, egal ob Arbeit oder Ferien, Energie hole. Meine Arbeit ist zwar hart, aber ich werde inspiriert.»
Inspiriert hat sie auch das Studium an der ETH. «Die ETH war für mich ein Ozean des Wissens», schwärmt Zhang. «Ich habe so viel absorbiert.» Zum Beispiel Architekturgeschichte: In China lernte Zhang, was in welchem Jahr passiert ist. In der Schweiz sind die Innovationen der jeweiligen Epoche wichtig. Die Geschichte wird dadurch dynamisch und lebendig. Die junge Studentin hat auch gelernt, dieses Wissen anzuwenden: «Wenn ich mit den an der ETH gelernten Methoden meine eigene Kultur anschaue, dann sehe ich sofort die vielen Schätze in meiner Heimat.»
An der ETH durfte die Chinesin auch kritische Fragen stellen und ihre Meinung frei äussern. So hat sie neben dem eigentlichen Architekturhandwerk auch eine neue Denkweise gelernt. «Die ETH hat mir die Augen geöffnet – eigentlich den ganzen Kopf», sagt Xi Zhang und lacht dabei.