open your eyes ETH Zürich Beiträge
Entdecken Sie die Beiträge zu jedem Sustainable Development Goal (SDG), welche die ETH Zürich für die open your eyes-Fotoausstellung porträtiert hat.
Informationen über das open your eyes Fotofestival finden Sie hier.
Für Medienanfragen kontaktieren Sie bitte Alexandra Cron, , 079 717 96 42
- chevron_right SDG 1: Keine Armut
- chevron_right SDG 2: Kein Hunger
- chevron_right SDG 3: Gesundheit und Wohlergehen
- chevron_right SDG 4: Hochwertige Bildung
- chevron_right SDG 5: Geschlechter-Gleichheit
- chevron_right SDG 6: Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen
- chevron_right SDG 7: Bezahlbare und Saubere Energie
- chevron_right SDG 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
- chevron_right SDG 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur
- chevron_right SDG 10: Weniger Ungleichheiten
- chevron_right SDG 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden
- chevron_right SDG 12: Nachhaltige/r Konsum und Produktion
- chevron_right SDG 13: Massnahmen zum Klimaschutz
- chevron_right SDG 14: Leben unter Wasser
- chevron_right SDG 15: Leben an Land
- chevron_right SDG 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
- chevron_right SDG 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele
Überwindung extremer Armut
Das berufliche und akademische Leben von Dr. Fritz Brugger zeichnet sich durch einen aussergewöhnlichen Beitrag zur internationalen Zusammenarbeit und zur Entwicklung von Sozialunternehmen in Afrika aus.
Nachhaltigkeit mitgestalten
In seiner Forschung untersucht Fritz Brugger, welche Auswirkungen unser erhöhter Verbrauch von Gold, Kupfer, Lithium und anderen Rohstoffen auf die Menschen in den Abbaugebieten hat. Er untersucht, ob die derzeitigen Sorgfaltspflichten der Industrie ausreichen, um Gesundheit und Umwelt zu schützen. In seiner Arbeit geht er auch der Frage nach, wie die Regeln für grenzüberschreitende Investitionen aussehen sollten, wenn einkommensschwache Länder gleichberechtigt an globalen Wertschöpfungsketten teilhaben sollen, ohne die Rechte der Arbeitnehmer zu missachten, die Menschenrechte zu verletzen oder die Umwelt zu schädigen.
Neben seiner Forschungstätigkeit ist Fritz Co-Leiter des Zentrums für Entwicklung und Zusammenarbeit (NADEL) an der ETH Zürich. Ziel des Zentrums ist es, zukünftige Führungskräfte in der globalen Zusammenarbeit zur Erreichung der SDGs auszubilden. Bislang hat das NADEL über 1500 Personen ausgebildet.
1.90 pro Tag
Als Gastgeber der Podcast-Reihe «1.90 pro Tag» diskutiert Fritz mit NADEL-Alumni über die Zukunft der internationalen Zusammenarbeit und fragt sie, wie ihre Arbeit dazu beiträgt, die extreme Armut zu beenden, die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen oder nicht nachhaltigen Konsum zu reduzieren.
Der Name des Podcast bezieht sich auf die bis letztes Jahr geltende Schwelle für extreme Armut, die auf 2.15 US-Dollar pro Person und Tag angehoben wurde.
Die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten halbiert. Das ist sehr ermutigend, sollte aber nicht den Blick auf das Ausmass der weltweiten Armut verstellen, die nach wie vor besteht: Fast fünf Milliarden Menschen müssen mit weniger als 10 US-Dollar pro Tag auskommen.
Die Podcast-Gespräche machen deutlich, wie vielschichtig die Herausforderung ist, Armut und Ungleichheit zu überwinden, und werfen ein Licht auf die komplexe Suche nach einer nachhaltigen Zukunft.
«Fast alles, was wir kaufen, konsumieren, benutzen oder besitzen, verbindet uns direkt oder indirekt mit Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen. Ich interessierte mich für diese globale Verbindung und dafür, wie die Spielregeln zwischen dem ‹Globalen Norden› und dem ‹Globalen Süden› gestaltet sind. Denn Nachhaltigkeit, Armutsbekämpfung und Gleichberechtigung können nur global gedacht und erreicht werden.»Dr. Fritz Brugger, Geschäftsleiter des Zentrums für Entwicklung und Zusammenarbeit (NADEL) der ETH Zürich
Innovatives Leadership
Dr. Adina Rom hat eine Leidenschaft für internationale Entwicklungsökonomie. Sie lebte in New York, San Francisco, Genf und Zürich, bevor sie im Alter von 23 Jahren ins ländliche Kenia zog. Das Leben dort war eine neue Erfahrung, die sie immer wieder überraschte, und Adina erkannte, wie viele falsche Annahmen und Vorurteile über Armut ihr Denken bis dahin geprägt hatten. Irritiert und inspiriert davon, beschloss sie, ihr Leben der evidenzbasierten Armutsbekämpfung zu widmen.
Armutsbekämpfung mit Forschung und Technologie
Der Anteil der Menschen, die weltweit in extremer Armut leben, hat sich in den letzten 20 Jahren halbiert. Dennoch leben immer noch rund 800 Millionen Menschen von weniger als 2 US-Dollar pro Tag und haben keinen Zugang zu angemessener Nahrung, sauberem Trinkwasser, sauberem Strom, nachhaltigem Transport und anderen grundlegenden Dienstleistungen. Als Exekutivdirektorin von ETH for Development (ETH4D), einem Netzwerk von 50 ETH-Professuren, die sich für ein verstärktes Engagement der ETH für die UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) einsetzen, ist Adina überzeugt, dass die Hochschulen die Verantwortung haben, dafür zu sorgen, dass der technologische Fortschritt der gesamten Weltbevölkerung zugutekommt und nicht nur den reichsten Gesellschaften.
Die rasante Entwicklung der Mobilfunktechnologie und der Solarenergie beispielsweise hat in den letzten zehn Jahren weltweit enorme Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft gehabt. Technologien wie 3D-Druck, Fernerkundung und KI versprechen, die Entwicklung voranzutreiben. Die ETH4D unterstützt deshalb Forschung, die das Wissen und die Fähigkeiten aus verschiedenen Disziplinen vereint und die Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlicher Forschung, Zivilgesellschaft, Industrie und Politik fördert.
Bildung für eine nachhaltige und gerechte Zukunft
Neben der Unterstützung von Forschungs- und Innovationsprojekten bildet die Initiative eine neue Generation von Ingenieuren und Wissenschaftlern aus, die Innovationen mit einer globalen Perspektive entwickeln und umsetzen können. Seit 2022 bietet sie zusammen mit der Ashesi University in Ghana einen gemeinsamen Masterstudiengang in Ingenieurwissenschaften an, bei dem Dozierende beider Einrichtungen gemeinsam vor Ort unterrichten. Die Initiative bietet auch Sommerschulen an, in denen Studierende gemeinsam Ideen für eine nachhaltige Zukunft entwickeln, und schafft an der ETH Zürich eine Drehscheibe für Themen der globalen nachhaltigen Entwicklung, indem sie entsprechende Vorträge und Veranstaltungen organisiert.
«Wenn Absolventinnen und Absolventen verstehen, wie eine gerechte globale Entwicklung aussieht, können sie viel bewirken.»Dr. Adina Rom, Geschäftsleiterin der Initiative ETH for Development (ETH4D)
Reduktion von Armut mit Innovation
Seit mehr als 15 Jahren forscht und lehrt Professorin Isabel Günther über globale Armut und Ungleichheit. Ursprünglich an der Universität Göttingen in Deutschland ausgebildet, hat sie in Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Frankreich, Ghana, Kenia, der Schweiz, Südafrika, Uganda und den USA geforscht.
Seit 2014 ist sie akademische Leiterin des NADEL Center for Development and Cooperation an der ETH Zürich, das Studierende sowie Fachleute aus NGOs, der öffentlichen Verwaltung und dem Privatsektor in globaler Zusammenarbeit für nachhaltige und gerechte Entwicklung ausbildet. Im Jahr 2019 war Isabel Günther Mitbegründerin des ETH for Development- Netzwerks ETH4D, das technologische Innovationen vorantreiben soll, die das Leben der 60 Prozent der Weltbevölkerung, die mit weniger als 10 US-Dollar pro Tag auskommen müssen, verbessern können.
Globale Armut und ihre vielen Dimensionen
In ihrer Forschung konzentriert sich Isabel darauf, wie lokale und globale Wirtschaftspolitik die Lebensbedingungen von Menschen verbessern kann, die mit einem geringen Einkommen auskommen müssen. Die globale Armut hat viele Dimensionen. Dementsprechend vielfältig sind die Forschungsfragen, die von der Gesundheitsversorgung über menschenwürdige Arbeit bis hin zur Solarenergie reichen.
Wie können wir eine Krankenversicherung gestalten, die den ärmsten Bevölkerungsgruppen der Gesellschaft zugutekommt? Wie können sich arme Menschen in dicht besiedelten Städten vor Pandemien wie Covid- 19 schützen? Welche Massnahmen sind wirksam, um Kinderarbeit auf Kakaoplantagen zu verhindern? Wie wirkt sich der Abbau von Rohstoffen auf die Lebensbedingungen der Menschen aus, die in den Bergbauländern leben? Was können neue Technologien wie Solarzellen oder Mobiltelefone zur Armutsbekämpfung beitragen? Wie beeinflussen globale Sozialstandards, wie zum Beispiel der faire Handel, das Konsumverhalten in reichen Ländern?
Wissen Sie, wie sich die globale Armut in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat?
In öffentlichen Vorträgen hat Isabel immer wieder gehört, dass viele Menschen in der Schweiz mehr über globale Ungleichheit und Armut wissen und selbst aktiv werden wollen. Seit 2021 führt sie eine landesweit repräsentative Befragung von 3 000 Schweizerinnen und Schweizern durch, um deren Einstellung zu globaler Armut und internationaler Zusammenarbeit zu erfragen. Diese Umfrage, die den Namen «Swiss Panel Global Cooperation» trägt, soll bis 2030 jährlich wiederholt werden.
Die ersten Ergebnisse zeigen, dass den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern die globale Gerechtigkeit oft wichtiger ist als die wirtschaftlichen Interessen der Schweiz. Im Jahr 2021 gab es eine breite Unterstützung für Bemühungen um geistige Eigentumsrechte, die zum Beispiel den Zugang zu Covid-19-Impfstoffen einschränken, und für Massnahmen, die von Schweizer Unternehmen eine genaue Überwachung ihrer Lieferketten verlangen. Die Ergebnisse zum Wissensstand der Schweizer Bevölkerung über die globale Armut weisen auf eine Informationslücke hin: Fast ein Drittel der Befragten gab an, dass sie sich nicht gut informiert fühlen und gerne mehr über Armut und globale Ungleichheit erfahren würden. Fast 90 Prozent hatten noch nie oder nur wenig von den SDGs gehört und nur 13 Prozent wussten, dass die weltweite Armut in den letzten 30 Jahren deutlich zurückgegangen ist.
«Während vor 200 Jahren schätzungsweise 90 Prozent der Weltbevölkerung in extremer Armut lebten, sind es heute immer noch 10 Prozent, das heisst mit weniger als 2 US-Dollar pro Tag – und das in einer Welt, in der das Durchschnittseinkommen in den reichsten Ländern bei über 200 US-Dollar pro Tag liegt. Die extremen globalen Einkommensunterschiede einerseits und die grossen Fortschritte in der Armutsbekämpfung in den letzten 30 Jahren andererseits motivieren mich täglich für meine Arbeit.»Prof. Dr. Isabel Günther, akademische Leiterin des Zentrums für Entwicklung und Zusammenarbeit (NADEL) der ETH Zürich und Sprecherin von ETH for Development (ETH4D)
Ein agrarökologisches Ernährungssystem
Dr. Kenza Benabderrazik wuchs in Marokko auf, wo Lebensmittel eine reiche Kulturgeschichte und eine starke Verbindung zur Natur haben. Die marokkanische mediterrane Ernährung wurde von den Jahreszeiten und ökologischen Gegebenheiten geprägt. Kenza erfuhr, was in der Umwelt geschah, durch das, was auf ihrem Teller landete.
Wie kann ein Lebensmittelsystem resilient sein?
Während ihres Studiums des Umweltingenieurwesens an der EPFL war Kenza fasziniert von den Auswirkungen, die eine Ware oder eine Dienstleistung im Lebensmittelsystem über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg auf Mensch und Umwelt haben kann. In ihrer Forschung analysiert sie die Zusammenhänge und befasst sich mit kniffligen Herausforderungen wie der Frage, wie Systeme angesichts von Klima-, Markt-, politischen und anderen Schocks widerstandsfähig sein können.
Kenza beginnt immer mit der Frage, wie man Krisen begegnet, dann, wie man sich an sie anpasst, und schliesslich, wie man das Lebensmittelsystem umgestalten kann, um es widerstandsfähiger zu machen.
Ihre Arbeit konzentriert sich darauf, wie Menschen, die entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette arbeiten, mit Schocks umgehen, und hebt die Doppelbelastung der Landwirt:innen hervor, die sowohl Umwelt- als auch Marktdruck ausgesetzt sind. Sie ist überzeugt, dass die Lebensmittel- und Agrarsysteme der Zukunft nachhaltig, gerecht und fair gestaltet werden müssen. Dies erfordert einen Systemwechsel hin zur Agrarökologie, während gleichzeitig eine gemeinsame Vision für unser zukünftiges Lebensmittelsystem geschaffen und geteilt werden muss, indem der Dialog zwischen den Beteiligten entlang der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette gefördert wird – von den Ökosystemleistungen und der Landwirtschaft über die Verpackung, den Vertrieb und den Konsum von Lebensmitteln bis hin zum Umgang mit Lebensmittelabfällen.
Kenza arbeitet auf dieses Ziel hin, indem sie soziale Räume schafft und pflegt, in denen die Teilnehmenden Wissen und Praktiken zur Agrarökologie austauschen können. Sie hat auch begonnen, Kunst und Wissenschaft zu verbinden, um mehr Menschen mit diesen Ideen zu erreichen – ein Schritt, der ihre tiefe Verbundenheit mit der Geschichte und Kultur des Essens widerspiegelt, die durch frühe Erfahrungen in ihrer Heimat Marokko geprägt wurde.
Agrarökologie für den Wandel
Kenza plant, sich intensiver mit den politischen Dimensionen der menschlichen Gestaltung von Lebensmittelsystemen zu befassen. Dabei geht es unter anderem darum, verschiedene Narrative zu beleuchten, wobei der Schwerpunkt auf der Anerkennung und Bewältigung von Machtasymmetrien in unserem System liegt. Es geht auch darum, mögliche Alternativen aufzuzeigen – könnte unser Lebensmittelsystem beispielsweise auf der Grundlage von Genossenschaften oder dezentralen Gewerkschaften und Gemeinschaften statt auf der Grundlage grosser Unternehmen organisiert werden?
Sie ist davon überzeugt, dass zur Erreichung von keinem Hunger (SDG 2) die Lebensmittelsysteme mit einem dekolonisierenden und feministischen Blickwinkel betrachtet werden müssen, der Vielfalt, Selbstermächtigung und Partizipation fördert. Ihre Vision ist eine Welt, in der die Menschen in ihrem Handeln verwurzelt sind und ein Gemeinschaftsgefühl fördern, das einen radikalen, nachhaltigen und gerechten Wandel vorantreibt und nährt.
«Sei mutig, eine bessere und strahlendere Zukunft zu sehen, aber auch neugierig und offen, um den Weg zu ebnen.»Dr. Kenza Benabderrazik, Postdoktorandin und Dozentin in der Gruppe Nachhaltige Agrarökosysteme, ETH Zürich
Auf der Suche nach alternativen und erschwinglichen Lebensmitteln
Das Aufwachsen auf einem Bauernhof vermittelte Professor Alexander Mathys schon früh Einblicke in die Lebensmittelproduktion. Jahre später, nachdem er sein Studium abgeschlossen und unter anderem in der Industrie gearbeitet hatte, spezialisierte er sich auf die Forschung zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen und Lebensmitteltechnologien.
Alexander Mathys’ Arbeit basiert auf der Erkenntnis, dass eine überwiegend fleischbasierte Ernährung massiv zur Umweltzerstörung beiträgt, indem sie die Ressourcen erschöpft und die Luft, das Süsswasser und den Boden verschmutzt. Die Produktion von genügend Nahrungsmitteln, um den Bedarf einer wachsenden Bevölkerung zu decken, ist eine der Hauptursachen für Umweltschäden – und dennoch erreichen die Nahrungsmittel nicht alle, die sie brauchen: 828 Millionen Menschen auf der ganzen Welt leiden Hunger.
Für Alexander ist es äusserst wichtig, dass seine Forschung allen Menschen zugutekommt, insbesondere denjenigen, die bereits unter anhaltenden und sich verschärfenden Krisen leiden.
Nachhaltige, bezahlbare und gesunde Lebensmittel für alle
Als Leiter des Forschungsteams «Sustainable Food Processing» an der ETH Zürich sucht Alexander nach Alternativen zu tierischen Lebens- und Futtermitteln, die nachhaltiger, erschwinglicher und nahrhafter sind. Er verfolgt einen systemischen Ansatz, indem er die Lebensmittelproduktion im Kontext der gesamten Wertschöpfungskette betrachtet und dabei sowohl die sozialen Bedürfnisse als auch die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen berücksichtigt.
Diese Forschung hat bestimmte Arten von Mikroalgen als vielversprechende Proteinquellen ins Visier genommen, und Alexander erforscht nun erschwinglichere Möglichkeiten der Produktion von Mikroalgen, um den menschlichen Nahrungsmittelbedarf zu decken. Er hat auch die Verwendung von Insekten als nachhaltige Nahrungsmittel für Mensch und Tier untersucht. Auch wenn der Gedanke in vielen Menschen sogar Ekelgefühle hervorruft, sind Insekten in vielen Teilen der Welt bereits Teil der Ernährung, enthalten viel Eiweiss und lassen sich effizienter züchten als herkömmliche Fleischquellen.
Eine fleischlose Ernährung: die Lösung?
Alexander plädiert für weniger tierisches Eiweiss in unserer Ernährung. Seine Forschung zeigt, dass diese Änderung der Ernährungsgewohnheiten der Umwelt und der sozialen Nachhaltigkeit weltweit zugutekommen kann – Hand in Hand mit den laufenden Bemühungen, die landwirtschaftliche Produktion durch technologische und politische Verbesserungen effizienter zu gestalten.
Eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten bedeutet nicht überall das Gleiche. In einigen Regionen Afrikas südlich der Sahara und Südasiens ist es beispielsweise wichtig, die Aufnahme nährstoffreicher Lebensmittel zu erhöhen, um einen Mangel an wichtigen Nährstoffen zu beheben. In Nordamerika und Europa hingegen wäre es für die Menschen und den Planeten gesünder, viel weniger Fleisch zu essen. Um die Ernährungsgewohnheiten zu ändern, bedarf es nicht nur der Aufklärung, sondern auch der Lobbyarbeit, um günstige politische Bedingungen zu schaffen – zum Beispiel um umweltschädliche Produkte zu regulieren und umweltfreundlichere Produkte zu subventionieren.
Alexander ist der Meinung, dass gesunde und nachhaltige Ernährung kein Luxus sein darf.
«Wir brauchen neue und bezahlbare proteinreiche Lebensmittel, um gesund zu leben»Alexander Mathys, Leiter des Labors für nachhaltige Lebensmittelverarbeitung, ETH Zürich
Gemeinsames Landmanagement zahlt sich aus
Prof. Dr. Emmanuel Frossard studierte und lehrte Agrarwissenschaften in Frankreich und Kanada, bevor er im Jahr 1994 Professor für Pflanzenernährung an der ETH Zürich wurde. Eines der grösseren und komplexeren Forschungsprojekte, die Emmanuel in seiner langen und bedeutenden Karriere durchgeführt hat, beinhaltet den Aufbau eines transdisziplinären Netzwerks von Partner:innen in Westafrika.
Wissenschaft-Praxis-Kooperationen
Durch das Netzwerk YAMSYS befassen sich Emmanuel und seine Partner:innen mit Problemen der Yams-Versorgung in Westafrika. Yams ist eine der wichtigsten Wirtschaftspflanzen in der Region. Sie bringt nicht nur Einkommen, sondern hat auch einen enormen ernährungsphysiologischen und kulturellen Wert. Doch der Anbau dieses Grundnahrungsmittels belastet die Umwelt und führt zur Abholzung der Wälder. Der Grund dafür ist, dass der grösste Teil des Produktionsanstiegs auf die Ausweitung der Anbauflächen und nicht auf die Steigerung der Erträge zurückzuführen ist. Das Problem liegt in der Qualität des Bodens: Ohne gesunde Böden müssen die Landwirte immer mehr Land roden, um die Produktion zu steigern. Wird Yams jedoch auf guten Böden angebaut, können die durchschnittlichen Erträge von 8-10 auf 40-50 Tonnen pro Hektar gesteigert werden. Da die Strategie, immer mehr Land abzuholzen, an ihre Grenzen stösst, zeichnet sich ab, dass es nicht möglich sein wird, eine wachsende Bevölkerung zu ernähren.
Emmanuel ist davon überzeugt, dass die Lösung des Problems von einer Kombination aus wissenschaftlicher Feldarbeit und enger Zusammenarbeit mit Partner:innen vor Ort abhängt. Die Wissenschaft kann die besten Lösungen vorschlagen – aber wenn sie niemand umsetzt, sind sie einfach nutzlos. Damit solche Kooperationen funktionieren, ist es seiner Meinung nach wichtig, Vertrauen in Forschungsmethoden und Kooperationsnetzwerke zu schaffen.
Böden für die Yams-Produktion fruchtbar halten
Emmanuel und sein grosses Forschungsteam untersuchten, wie Böden fruchtbar gehalten und wiederhergestellt werden können, um nachhaltig Yams anzubauen. Die Forschenden erprobten Strategien zur Bodenbewirtschaftung – manchmal unter rauen Bedingungen – und die örtlichen Landwirt:innen forderten sie heraus, indem sie ihnen Zugang zu Böden von schlechter Qualität gewährten. Um ihr Vertrauen zu gewinnen, mussten die Forschenden also beweisen, dass sie auch unter ungünstigen Bedingungen nachhaltig Yams anbauen konnten. Dass es möglich war, überzeugte die lokalen Landwirt:innen, mehrere Vorschläge der Wissenschaftler:innen anzunehmen, z.B. Fruchtfolgen, Verwendung von Mineraldünger und Anbau von Leguminosen zur Erhöhung des Stickstoffgehalts im Boden.
Im Laufe dieser Arbeit baute Emmanuel ein Netzwerk von Landwirt:innen, lokalen und religiösen Behörden, Politiker:innen und sogar der Polizei in Westafrika auf und brachte sie über vier so genannte «Innovationsplattformen » zusammen, auf der die im Rahmen dieses Projekts gewonnenen Erkenntnisse ausgetauscht und diskutiert werden konnten.
Fortschritte brauchen Zeit und verschiedene Partner:innen
Der von YAMSYS entwickelte Ansatz wurde inzwischen von staatlich finanzierten Forschungs- und Entwicklungsprogrammen unter anderem in Côte d’Ivoire, den Vereinigten Staaten, Frankreich und Deutschland übernommen. Ein weiteres Zeichen für die Wirkung von YAMSYS ist, dass einer der Studenten, der mit YAMSYS gearbeitet hat, Landwirtschaftsminister in Burkina Faso geworden ist. Die Anerkennung durch westafrikanische Länder und darüber hinaus ist eine wichtige Bestätigung für das, was Emmanuel und seine Forschungspartner:innen erreicht haben.
«Wir müssen im Sinne einer transformativen Forschung denken, die Lösungen und Ideen liefert, wie wir das Lebensmittelsystem in Richtung Nachhaltigkeit bewegen können.»Prof. Dr. Emmanuel Frossard, Leiter der Gruppe Pflanzenernährung, ETH Zürich
Sichere sanitäre Einrichtungen für ein gesundes Leben
Der Bau von Toiletten in Mexiko war Prof. Dr. Elizabeth Tilleys erster Job nach ihrem Abschluss in Umwelttechnik an der University of Waterloo in ihrer Heimat Kanada. Da sie in einer Kleinstadt aufgewachsen ist, möchte sie sicherstellen, dass Menschen auf der ganzen Welt Zugang zu denselben Dienstleistungen und der unberührten Natur haben, die sie selbst erleben durfte.
Elizabeth ist der Meinung, dass es unmenschlich und ungerecht ist, dass Menschen einer giftigen Umwelt ausgesetzt sind und keinen Zugang zu sauberen sanitären Einrichtungen und sicherem Wasser haben. Ausgestattet mit den Fähigkeiten und der Entschlossenheit, diese Herausforderungen anzugehen, machte sie sich auf die Suche nach praktikablen Lösungen. Zugang zu sanitären Einrichtungen als Weg zur vollen Entfaltung des Potenzials.
In ihrer Forschung an der ETH Zürich konzentriert sich Elizabeth auf die Frage, wie man die Gesundheit der Menschen erhalten kann, indem man ihre Exposition gegenüber Umweltschadstoffen und Mikroorganismen, die Krankheiten verursachen können, einschränkt.
Es gibt einfache Technologien, die zur Verbesserung der Umweltqualität eingesetzt werden können. Die Frage ist nur, wie diese Technologien finanziell realisierbar und politisch attraktiv gemacht werden können. Europa wurde auf einer sicheren Abwasserentsorgung aufgebaut. Ohne sie wird der Rest der Welt sein Potenzial nicht voll ausschöpfen können. Heute haben die meisten Menschen immer noch keinen Zugang zu Ökosystemleistungen wie sauberem Wasser, sauberer Luft und gesunden Böden.
Ressourcen für eine gesunde Umwelt
Zürich ist einer der gesündesten Orte der Welt. Hier gibt es sauberes Wasser, eine vernünftige Abfallwirtschaft und frische Bergluft. Lebensbedingungen, wie wir sie in Zürich vorfinden, sind möglich, weil Ressourcen vorhanden sind, eine gute Regierungsführung und engagierte Bürger:innen. Es kostet viel Geld und kollektive Anstrengungen, eine Stadt und ihre Umgebung sauber zu halten. Wenn Sie also das nächste Mal versucht sind, sich über Ihre Steuern zu beschweren, nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um das Gemeinwohl anzuerkennen, zu dem Sie durch öffentliche Dienstleistungen und Bildung beigetragen haben!
Elizabeths Vision einer nachhaltigen Zukunft beruht auf weit mehr als dem Einsatz von Technologien oder dem sparsamen Umgang mit Wasser: Sie umfasst auch Bemühungen, alle Arten von Disziplinen und Fachwissen für den Bereich der globalen Gesundheit zu gewinnen. Dazu gehört auch, dass Daten und Informationen für Forscher:innen und Praktiker:innen weltweit zur Verfügung stehen – und nicht hinter einer Bezahlschranke versteckt sind.
«Meine Forschung zeigt, dass alles miteinander verbunden ist und wir ganze Systeme einbeziehen müssen, wenn wir über Gesundheit nachdenken. Sich wohlzufühlen und zu wissen, dass die eigene Familie gesund ist, ist schliesslich eines der wichtigsten Dinge für die Menschheit.»Prof. Dr. Elizabeth Tilley, Leiterin der Global Health Engineering Group, ETH Zürich
Medizin im Nanobereich praktizieren
Es war ein einschneidender Moment für Professor Simone Schürle, als sie zum ersten Mal die Welt durch die Linse eines Mikroskops entdeckte. Fasziniert von Physik und Mathematik, begann sie schließlich, sich mit der Nanotechnologie zu beschäftigen.
Dies eröffnete ihr völlig neue Dimensionen in ihrer Arbeit, die die einzigartigen physikalischen Kräfte erforscht, die unsere Welt im Nanobereich beherrschen. Simones Vision ist die Entwicklung von Robotern im Mikro- und Nanomassstab, die in der Lage sind, präzise Funktionen im menschlichen Körper auszuführen. Der Zweck: Diagnostik und gezielte Verabreichung von Medikamenten.
Mikroroboter, die im Körper navigieren können
In ihrer Forschung entwickelt und steuert Simone Mikroroboter, die speziell für biomedizinische Anwendungen konzipiert sind. Dabei handelt es sich um winzige Geräte, wie zum Beispiel Mikrokugeln, die in den Körper eingebracht und ferngesteuert werden können. Nachdem sie zum Beispiel über eine Vene verabreicht wurden, können sie durch den Körper wandern, um Krankheiten zu erkennen oder Medikamente gezielter an die betroffenen Stellen, zum Beispiel Tumore, zu bringen. Diese Mikroroboter können es Forschenden auch ermöglichen, ein tieferes Verständnis der Funktionsweise des Körpers auf zellulärer Ebene zu erlangen.
Simones Ziel ist es, die Medizin und das Gesundheitswesen durch die Entwicklung von Methoden zur Verbesserung der derzeitigen Diagnosestandards zu fördern. Eine frühere und präzisere Erkennung von Krankheiten bietet die besten Chancen für eine erfolgreiche Behandlung. Darüber hinaus können Medikamente gezielter auf die betroffenen Bereiche ausgerichtet werden, um die erforderliche Dosis zu minimieren und die systemische Belastung zu verringern. Dies ebnet den Weg für zahlreiche Medikamente, die ein großes Potenzial für die Patient:innen bergen, aber nur in begrenzten, verträglichen Dosierungen verabreicht werden können.
Gesunde Gewohnheiten für einen starken Körper
Simone setzt sich aus Überzeugung für eine gesunde Ernährung und körperliche Bewegung ein. Sie betont, wie wichtig es ist, im Alltag bewusste Gesundheitsentscheidungen zu treffen und gesunde Praktiken in den Tagesablauf zu integrieren. Nicht zuletzt deshalb, weil wir durch die Pflege unseres Körpers besser auf die Bewältigung von Krankheiten vorbereitet sind.
«Ich engagiere mich sehr für die Zusammenarbeit mit Mediziner:innen, um technologische Innovationen für die Medizin hervorzubringen und sie so zu implementieren, dass sie sich positiv auf die Patient:innenversorgung auswirken.»Prof. Dr. Simone Schürle, Leiterin des Responsive Biomedical Systems Lab, ETH Zürich
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- externe Seite call_made Simone Schürle-Finke: Engineering at the Nanoscale (Video)
- externe Seite call_made BREAKING THE WALL OF INEFFICIENT DRUG DELIVERY (Video)
- externe Seite call_made Deploying nanorobotics for diagnosis and treatment (Video)
Auf der Suche nach sinnvollem Fortschritt in der digitalen Gesundheit
Professorin Effy Vayena ist fasziniert von den Kontroversen, die durch die Entwicklung und den Einsatz von medizinischen Technologien ausgelöst werden. Nach einem Geschichtsstudium in Griechenland entwickelte sie eine Leidenschaft für Bioethik und Gesundheitspolitik, die sie in Großbritannien, den USA und der Schweiz studierte. Die Inspiration für ihre Arbeit ist, dass Wissenschaft und Technologie zwar zu Recht für einen Großteil unseres Fortschritts verantwortlich gemacht werden, aber auch ethische Herausforderungen mit sich bringen. Sie stellen oft soziale Normen in Frage und rufen starke gesellschaftliche Reaktionen hervor. Ihre Arbeit konzentriert sich auf die Entwicklung von Ansätzen und Rahmenbedingungen, die die Entwicklung und den Einsatz von Technologien ermöglichen, die für die Gesellschaft als Ganzes von Nutzen sind.
Verantwortungsvolle Technologie im Gesundheitswesen
Effy identifiziert und erforscht ethische Fragen, die sich aus der Entwicklung und Anwendung von Technologien im Gesundheits- und Pflegebereich ergeben. Neben den Möglichkeiten, der Gesellschaft Nutzen zu bringen, stellen sie viele gesellschaftliche Werte in Frage, wie etwa unsere Autonomie und Gerechtigkeit. Die heutigen Technologien entwickeln sich in einem rasanten Tempo, so dass nur wenig Zeit bleibt, um die Risiken abzuwägen, bevor man sie einsetzt. Effy zielt darauf ab, Denkansätze zu Risiken und Nutzen digitaler Gesundheitstechnologien zu entwickeln und schlägt Governance-Ansätze vor, die es ermöglichen, digitale Gesundheitstechnologien verantwortungsvoll und zum Wohle aller Menschen zu entwickeln und einzusetzen.
Wachsam und engagiert bleiben
Effy ist der Ansicht, dass mit der zunehmenden Abhängigkeit der Gesellschaft von der Technologie auch die Notwendigkeit zunimmt, dafür zu sorgen, dass die Technologie verantwortungsvoll entwickelt und eingesetzt wird. Technologie betrifft alle: Wir alle sind Nutzniesser:innen ihrer Vorteile und potenziellen Risiken. Effy fordert jeden von uns auf, wachsam zu bleiben und sich damit zu beschäftigen, wie unsere Technologie entwickelt wird und warum wir sie nutzen. Letztendlich haben wir alle die Möglichkeit, die Dinge in die richtige Richtung zu lenken, indem wir uns an den einschlägigen Debatten beteiligen, eine kritische Haltung einnehmen, unser Bestes tun, um den Hype zu durchschauen, und die Verantwortung für unseren eigenen Umgang mit diesen Technologien übernehmen.
«Meine Vision für eine nachhaltige Zukunft beruht auf den Säulen des Respekts und der Wertschätzung unserer natürlichen Umwelt und ihrer Ressourcen. In dieser Zukunft haben wir Menschen die Verantwortung für unser individuelles und kollektives Handeln übernommen, wir haben unsere Unzulänglichkeiten anerkannt und einige ehrliche und schmerzhafte Entscheidungen darüber getroffen, was für das menschliche Wohlergehen wirklich wichtig ist.»Prof. Dr. Effy Vayena, stellvertretende Leiterin des Instituts für Translationale Medizin, ETH Zürich
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Ein Raum für Innovationen
Das ETH Student Project House ist ein Lernort, der ein dynamisches Umfeld bietet, in dem die Studierenden ihren Leidenschaften aktiv nachgehen, ihre eigenen Ideen entwickeln und die Verantwortung für relevante ausserschulische Projekte übernehmen können.
Von der Theorie zur Praxis
Alle Studierenden der ETH Zürich, die auf ihren Bachelor-, Master- und Doktoratsabschluss hinarbeiten, haben Zugang zu diesem Raum. Er ermöglicht ihnen, im Rahmen einer umfassenden Innovationsreise Ideen in Konzepte und von dort aus in konkrete Projekte zu verwandeln. Am Anfang steht die Identifizierung eines bedeutsamen Themas, das ihnen am Herzen liegt. Die Studierenden entwickeln dann Lösungen für das Problem und arbeiten in einem schnellen Zyklus an Prototypen, Tests und der Verfeinerung ihrer Ideen auf der Grundlage von Rückmeldungen von Nutzer:innen.
Dabei sammeln sie wertvolle Erfahrungen in der Zusammenarbeit im Team, bei der Entscheidungsfindung, beim Lernen aus Rückschlägen, bei der Erkundung von Spitzentechnologien - und vor allem bei der Förderung des Selbstbewusstseins, sich voll und ganz auf die Innovationsreise einzulassen.
Zurzeit unterstützt das Student Project House mehr als 300 aktive Projekte, wobei diese Zahl exponentiell wächst. Etwa 70 % dieser Projekte befassen sich mit Themen im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit in ihrer sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Dimension. Der Raum soll eine Mentalität fördern, die darauf ausgerichtet ist, etwas zu schaffen, zu innovieren und einen wirksamen Wandel herbeizuführen.
Aus Fehlern lernen
Rückschläge sind Teil des kreativen Prozesses. Das SPH bietet jungen klugen Köpfen an der ETH Zürich einen sicheren Raum, um Fehler zu machen - und rasch daraus zu lernen. Es vermittelt die Idee, dass es viel besser ist, aus Fehlern zu lernen, als Fehler um jeden Preis vermeiden zu wollen. Es ermutigt die Studierenden auch, selbstbewusster an der Verwirklichung ihrer Ideen zu arbeiten, ihr unternehmerisches Potenzial auszuloten und vor allem ihren Leidenschaften zu folgen.
«Ich denke, es ist wichtig, dass alle Generationen ein Grundwissen über Innovation haben. Heutzutage verändert sich die Welt in einem rasanten Tempo. Es geht nicht nur darum, sich Wissen anzueignen, sondern auch darum, sich an ein sich schnell veränderndes Umfeld anzupassen.»Dr. Lucie Rejman, Leiterin des ETH Student Project House
Visionen für eine nachhaltige Zukunft
Circular Horizon ist eine Student:innenorganisation, die eine effizientere und skalierbare Technologie zur Kohlenstoffentfernung entwickelt. Das Team besteht aus Bachelor-, Master- und Doktoratsstudierenden, die ihre Zeit und ihre Talente investieren, um ihre Sache zu unterstützen.
Kräfte bündeln für positive Auswirkungen
Circular Horizon hat die Vision, eine Welt zu schaffen, in der alle Menschen Zugang zu dem Wissen, den Ressourcen und der Macht haben, etwas gegen die Klimakrise zu unternehmen. Circular Horizon ist bestrebt, Einzelpersonen, Gemeinschaften und Organisationen aufzuklären und zu befähigen, sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene tätig zu werden. Die studentischen Mitglieder sind davon überzeugt, dass jeder und jede von uns einen positiven Einfluss auf den Planeten ausüben und eine gesunde und nachhaltige Zukunft für alle sicherstellen kann.
Circular Horizon konzentriert sich auf drei zentrale Arbeitsbereiche: Förderung einer skalierbaren Lösung für die Entfernung von Kohlenstoff, Förderung von Bildungs- und Forschungsinitiativen und Investitionen in gemeinschaftsfördernde Veranstaltungen. Die Bedeutung ihrer forschungsbasierten Arbeit liegt in ihrer Relevanz für die Gesellschaft, denn die Auswirkungen des Klimawandels sind heute für alle spürbar. Durch die Verbesserung von Methoden zur aktiven Extraktion von Kohlendioxid aus der Atmosphäre kann die Organisation auch einen wertvollen Beitrag zur Abschwächung des Klimawandels leisten, was wiederum das Risiko extremer Wetterereignisse, des Anstiegs des Meeresspiegels und der Instabilität von Ökosystemen und menschlichen Gesellschaften verringert.
Aufruf zum Handeln für das Klima
Circular Horizon motiviert Individuen dazu, Initiativen zu unterstützen, die sich auf Kohlenstoffabbau und Klimaschutz konzentrieren. Wir alle können uns in unserem täglichen Leben aktiv für nachhaltige Praktiken einsetzen, z. B. durch die Wahl energieeffizienter Geräte, bewussten Konsum und das Eintreten für eine umweltfreundliche Politik, um unseren CO2-Fussabdruck zu verringern. Die Organisation ist der festen Überzeugung, dass Büger:innen einen positiven Wandel herbeiführen und eine nachhaltigere Welt schaffen können, wenn sie sich zu einer Gemeinschaft zusammenschliessen.
«Als Gesellschaft ist es unerlässlich, dass wir uns um nachhaltige Lösungen bemühen, die den Klimawandel wirksam bekämpfen und den Weg für eine bessere Zukunft sowohl für die jetzige als auch für die kommenden Generationen ebnen.»Timo Schneider, Team Präsident, Circular Horizon
Tüfteln an High-Tech Transportmitteln
Swissloop ist eine von Studierenden geleitete Initiative, die zur Erforschung und Weiterentwicklung der Hyperloop-Hochgeschwindigkeits-Transporttechnologie beiträgt. Angetrieben von der Mission, die Öffentlichkeit für die Auswirkungen von Hyperloop auf den Transport und die Mobilität der Zukunft zu sensibilisieren, entwerfen und bauen sie jedes Jahr eine neue Hightech-Transportkapsel oder «Pod», um deren Leistung zu steigern.
Das Hyperloop-Konzept
Das Hyperloop-Konzept wurde 2013 in einem Bericht von Elon Musk und anderen Tesla- und SpaceX-Mitarbeiter:innen vorgestellt und beschreibt eine Vision von Reisen durch Röhren mit niedrigem Luftdruck. Der neueste Pod von Swissloop, «Bertrand Piccard», beschleunigt mit einem linearen geschalteten Reluktanzmotor (1.6g), schwebt und steuert sich selbst mit einer elektromagnetischen Aufhängung, während er sich praktisch ohne Luftwiderstand in vakuumversiegelten Röhren über oder unter der Erde bewegt. Dieser innovative Ansatz verspricht bessere und nachhaltigere Langstreckenreisen, indem er die Vorteile der modernen Eisenbahn und des Flugverkehrs miteinander verbindet. Es wird erwartet, dass es Geschwindigkeiten von bis zu 1 200 km pro Stunde erreicht – schneller als die Durchschnittsgeschwindigkeit von Flugzeugen – und die Energieeffizienz verbessert, während es gleichzeitig leiser und autonomer arbeitet als bestehende Systeme.
Das Projekt ermöglicht es den Studierenden, sich jedes Jahr für eine Sache und ein bestimmtes Projekt zu engagieren. Durch ein ETH-weites Programm namens Fokus haben sie die Möglichkeit, zu jeder Tages- und Wochenzeit gemeinsam mit ihren Kommiliton:innen an den ausgewählten Projekten zu arbeiten. Diese praktische Erfahrung ermöglicht es ihnen, in die Bereiche Technik, Entwicklung und Innovation einzutauchen, und fördert ein tiefes Gefühl des Engagements für ihre Arbeit.
Raum für Wachstum
Die von Studierenden geleitete Initiative Swissloop ist ein «Think and Do-Tank». Ziel der Projektteams ist es, nicht nur fortschrittliche Gondeln, sondern auch eigene Hochgeschwindigkeits- Transportsysteme zu entwickeln. Die Initiative hat ihre Studierenden enorm wachsen sehen, indem sie gemeinsam durch gelegentliche Rückschläge hindurch gearbeitet haben, um wichtige Meilensteine zu erreichen und Erfolge zu erzielen. Dieser gemeinschaftliche Prozess ermutigt sie, an eine bessere Zukunft zu glauben und auf sie zu hoffen.
Auch wenn die heutigen Herausforderungen überwältigend erscheinen können, glauben die Mitglieder von Swissloop fest an ihre Problemlösungsfähigkeiten, an die Fähigkeit, vielversprechende Projekte zu verfolgen, und an die menschliche Anpassungsfähigkeit.
Swissloop hat kürzlich an der European Hyperloop Week 2023 teilgenommen. Swissloop hat fünf Preise gewonnen, darunter den «Complete Systems Award». Die nächstjährige Ausgabe findet in Zürich statt.
«Ich bin der festen Überzeugung, dass Bildung der Schlüssel ist. Sie hat das Potenzial, das Verhalten und die Kultur zu verändern und ebnet den Weg für eine nachhaltigere und bessere Zukunft.»Thomas Baptistal, European Hyperloop Week Organisation Lead, Swissloop
Umweltproblem durch kollektive Intelligenz lösen
Im Jahr 2020 gewannen Marlene Mader und Dr. Christian Pohl vom ETH Transdisciplinary Lab den ETH Kite Award mit ihrer innovativen Lehrveranstaltung «Umweltproblemlösen». Beide nehmen pro Semester rund 120 neue Bachelorstudierende mit auf eine Reise in problem- und projektbezogenem Lernen.
Design- und Systemdenken at its best
Während eines Jahres lernen Studierende der Umweltsystemwissenschaften an der ETH Zürich anhand eines konkreten Falls Umweltprobleme zu bearbeiten. Der Fokus von 2022/23 lag auf dem Klimaziel «Netto-Null» der Stadt Zürich. Betreut von Marlene und Christian und einem Team von Dozent:innen, Tutor:innen und Praxisexpert:innen arbeiten sich die Studierenden Schritt für Schritt entlang der Analyse der Ausgangslage bis hin zur praktischen Umsetzung von Massnahmen.
Kollaboration und kollektive Intelligenz
Das gemischte Lehrteam um Marlene und Christian herum ist überzeugt: Ein ganzheitlicher Blick auf das Fallthema und die Erarbeitung umsetzbarer Massnahmen in Zusammenarbeit mit Anspruchsgruppen ist nur durch die Integration verschiedenster Perspektiven, Praxisexpertise und lokalen Wissens möglich.
Die Zusammenarbeit in Gruppen prägt die Arbeitsweise. Nebst den Inhalten des bearbeiteten Umweltproblems werden so auch Strategien und Aspekte für eine funktionierende Zusammenarbeit erlernt. Der Arbeitsprozess wird mittels Reflexionsmethoden kritisch hinterfragt.
Wer die erarbeiteten Massnahmen umsetzen will, kann dies in einem fakultativen dritten Semester tun. Dazu gehören die Finanzierung zu klären, Bewilligungen einzuholen, Fragen der Urheberschaft zu lösen sowie die Massnahmen mit Projektpartner:innen tatsächlich umzusetzen.
Unternehmerisches Ökosystem
Die ETH Zürich bietet für solch lösungs- und unternehmerisches Arbeiten ein Innovations-Ökosystem, welches für die qualitativ hochwertige Bildung mit gesellschaftlichen Nachhaltigkeits- Herausforderungen unserer Zeit einen fruchtbaren Nährboden bietet.
«Gemeinsam durchlaufen wir alle beim Umweltproblemlösen einen iterativen und reflexiven Prozess; das Motto dabei "failing forward".»Marlene Mader und Prof. Dr. Christian Pohl, ETH Transdisciplinary Lab, Departement Umweltsystemwissenschaften, ETH Zürich.
LLernen für eine bessere Zukunft
Die ETH Zürich leistet mit der Ausbildung von qualifizierten Arbeitskräften einen wesentlichen Beitrag an Wirtschaft und Gesellschaft. Sie zählte 2022 exakt 5 765 Absolvent:innen. Ihre Diplome und Auszeichnungen erhalten die rund 2 000 Bachelor-, 2 500 Master-Absolvent:innen und 1 000 Doktor:innen und rund 300 Abgänger:innen von Lehrdiplomen/Didaktik- Zertifikaten- und Weiterbildungen basierend auf einer forschungsnahen und überfachlichen Lehre. Die ETH Zürich bildet ihre Studierenden zu eigenständigen und kreativen Denker:innen aus, die als aktive Mitglieder der Gesellschaft Verantwortung übernehmen und die Zukunft mitgestalten. Die befähigt sie, in einer komplexen Welt Probleme zu identifizieren und Lösungen zu finden.
«In der Ausbildung muss es einen grossen Schritt hin zu systemischem Denken geben. Wir brauchen weiterhin die Tiefe der fachlichen Spezialisierung in unseren Studiengängen, um die Probleme unserer Welt lösen zu können. Wir müssen aber unsere Fähigkeiten stärken, Systeme und deren Abhängigkeiten zu erkennen und in interdisziplinären Ansätzen ganzheitlich angehen zu können.»Prof. Dr. Günther Dissertori, Physiker und Rektor der ETH Zürich
Vernetzte und kritische Denker:innen
Die ETH Zürich motiviert ihre Studierenden, kreativ über Disziplinen und kulturelle Grenzen hinweg zu denken, komplexe Probleme unter gesamtheitlicher Betrachtung zu bewerten, eine auf ethischen Grundsätzen beruhende Haltung zu beziehen und Verantwortung zu übernehmen. Absolvent:innen der ETH Zürich tragen diese Kompetenzen in ihren beruflichen Positionen in die Gesellschaft. Um diejenigen Lehrveranstaltungen sichtbarer zu machen, die verantwortungsbewusstes Handeln unter Berücksichtigung der Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung lehren, stellt die ETH Zürich neben dem regulären einen zusätzlichen Kurskatalog auf Basis der Sustainable Development Goals (SDGs) zur Verfügung.
Kultur des eigenverantwortlichen Lernens
Die ETH Zürich pflegt eine Kultur des eigenverantwortlichen Lernens, die die individuellen Stärken der Studierenden fördert. Um die Qualität der Lehre sicherzustellen, wird sie mit modernen Methoden und Technologien sowie neusten Erkenntnissen aus der Wissenschaft kontinuierlich weiterentwickelt.
«Unsere Studenten und Studentinnen sind sehr daran interessiert, Nachhaltigkeit als Teil ihres Studiums zu begreifen.»Dr. Barbara La Cara, zuständig für strategische Initativen des Stabs Rektor
Mit dem Smartphone Programmieren lernen
Dr. George Jojo Boateng ist ein renommierter Informatiker, Ingenieur, Pädagoge und gemeinnütziger Unternehmer. Er ist ausserdem CEO und Mitbegründer von Kwame AI Inc, einem KI-Start-up, das es Lernenden und Fachkräften wie Pädagog:innen und Anwält:innen ermöglicht, ihre Ergebnisse und Produktivität zu verbessern.
Mangelnder Zugang zu Computern
Während ihres jährlichen Innovations- Bootcamps in Ghana stellten George und seine Mitbegründer:innen fest, dass nur 25 Prozent ihrer Teilnehmenden Laptops besitzen, aber alle ein Smartphone. Dies veranlasste sie zur Entwicklung eines bahnbrechenden Programmierkurses, der ghanaische Studierende befähigte, Pong-Spiele auf ihren Handys zu entwickeln und sogar unterwegs zu programmieren. Inspiriert von diesem Erfolg starteten sie 2018 «SuaCode», ein Online-Programm, das Millionen von afrikanischen Studierenden das Programmieren mit Smartphones beibringen soll.
Erwerb von Fähigkeiten für das 21. Jahrhundert in Afrika
Afrika hat die grösste und jüngste Erwerbsbevölkerung der Welt: fast 60 Prozent der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt. Die Jugendarbeitslosigkeit ist jedoch nach wie vor eine bedeutende Herausforderung, von der rund 16 Millionen junge Afrikaner:innen oder 13.4 Prozent der 15- bis 24-Jährigen betroffen sind. Das Problem ist auf den begrenzten Zugang zu einer Ausbildung zurückzuführen, die den Anforderungen des modernen Arbeitsmarktes entspricht. Den meisten afrikanischen Jugendlichen mangelt es an lebenswichtigen Fähigkeiten des 21. Jahrhunderts, wie zum Beispiel digitalen Kenntnissen, und nur ein Bruchteil der Absolvent:innen verfügt über Grundkenntnisse in der Programmierung. Obwohl Smartphones weit verbreitet sind, bleibt der Zugang zu Computern zum Lernen gering. Die Nutzung des Smartphone-Booms kann eine Lösung bieten, indem Millionen von Menschen Programmierkenntnisse vermittelt werden, um Afrikas Jugend eine bessere Zukunft zu ermöglichen.
George ist davon überzeugt, dass Herausforderungen auch Chancen für Innovationen bieten. Seine Forschungen haben gezeigt, dass Smartphones eine effektive und leicht zugängliche Plattform für die Vermittlung von Programmierkenntnissen in afrikanischen Gemeinschaften sein können. Dies ebnet den Weg für die Förderung der Programmiererziehung in ressourcenarmen Gebieten weltweit.
«Meine Vision ist es, eine Welt zu gestalten, in der Millionen junger Afrikaner:innen mit Programmierkenntnissen auf ihren Smartphones aufwachsen, was in der Folge zu besseren wirtschaftlichen Aussichten für sie führen wird.»Dr. George Jojo Boateng, Postdoktorand an der ETH Zürich
- externe Seite call_made SuaCode.ai
- externe Seite call_made SuaCode ai Demo (video)
- externe Seite call_made MIT Technology Review: 2021 Pioneer George Boateng
- chevron_right George Boateng: An African Tech Pioneer in Switzerland
- externe Seite call_made "An accidental project born out of our need to innovate”
Lebensmittelsystem gerechter gestalten
Professorin Johanna Jacobi hat familiäre Wurzeln in Bolivien und Deutschland. Sie hat in Europa, Nord- und Südamerika, Afrika und Indien gelebt und gearbeitet. Sie glaubt fest an partizipatorische Prozesse und daran, wie diese genutzt werden können, um nachhaltige, faire Anbaumethoden und Lebensmittelsysteme zu entwickeln, die auf verschiedenen Arten von Wissen basieren. Johanna analysiert, wie Ungleichgewichte in der politischen und marktwirtschaftlichen Macht das globale Lebensmittelsystem an einen Krisenpunkt treiben.
Ungleiche Machtverhältnisse aufdecken
In ihrer Arbeit führt sie die Hauptursachen dieser Krise auf Machtverhältnisse zurück, die mehrdimensional und zunehmend unausgewogen sind. Im Kern geht es dabei um die ungleiche Beteiligung an Entscheidungsprozessen zwischen Gruppen, die innerhalb des Lebensmittelsystems arbeiten und sich in Geschlecht, Alter und Kultur unterscheiden können. Um dem entgegenzuwirken, konzentriert sich Johanna in ihrer agrarökologischen Forschung, wo immer möglich, auf Geschlechterrollen und kulturelle Aspekte.
Gemeinsam mit ihrer Forschungsgruppe an der ETH Zürich und internationalen Partner:innen macht Johanna Verbindungen zwischen verschiedenen Aspekten des Ernährungssystems sichtbar. Sie ist beunruhigt über die Unstimmigkeiten, die sie zwischen menschlichem Handeln und dem restlichen Leben auf unserem Planeten sieht, und versucht, Widersprüche und Alternativen aufzuzeigen, die sonst unbemerkt bleiben würden.
Genossenschaften und Deliberation
In Brasilien und Kenia konnten Johanna und ihre Forschungspartner:innen beispielsweise zeigen, wie die Herstellung von Käse und anderen Milchprodukten fairer und demokratischer gestaltet werden kann und wie sie den handwerklichen Erzeuger:innen, meist Frauen, ein Einkommen verschaffen kann. Durch partizipative Aktionsforschung und Partnerschaften mit lokalen NGOs halfen sie bei der Gründung von Genossenschaften, die es den kleinen Milchproduzent:innen ermöglichen, ihre Produkte direkt an die Kund:innen zu vermarkten und so ihre Abhängigkeit von Zwischenhändler:innen zu verringern.
Johanna hat in ihrem Werkzeugkasten einen mächtigen Hebel und ein «partielles Gegenmittel» gegen ungleiche Machtverhältnisse: die Deliberation, das heisst das politische Gespräch der Bürger:innen, die kollektive Entscheidungsfindung und die Beteiligung an politischen Prozessen. Ihre systemische agrarökologische Forschung – die neben ökologischen und ökonomischen auch soziale und kulturelle Dimensionen gleichwertig berücksichtigt – zeigt, dass das System sicherer, nachhaltiger und gerechter wird, wenn einheimische Frauen und Männer ihre Ernährungssysteme selbst und gemeinsam aufbauen.
«Unser Ziel ist es, durch sozial-ökologische Systemforschung zu einer nachhaltigen und gerechten Transformation von Agrar- und Ernährungssystemen beizutragen.»Prof. Dr Johanna Jacobi, Leiterin der Agroecological Transitions Group, ETH Zürich
Gleichstellung an der ETH Zürich
Das Diversity-Team der ETH Zürich ist multidisziplinär: Dr. Raphaela Hettlage und ihre Kolleginnen und Kollegen vereinen geistes- und sozialwissenschaftliche Kompetenzen aus den Bereichen Geschichte, Psychologie, Soziologie, Ethnologie, Politikwissenschaft und Gender Studies. Sie sind leidenschaftlich und motiviert, einen Beitrag zu einer gerechteren Welt zu leisten.
Wie setzt sich die ETH Zürich für die Gleichstellung der Geschlechter ein?
ETH Diversity ist die hochschulinterne Stelle, die sich für die Gleichstellung innerhalb der ETH Zürich einsetzt. Sie bringt Ideen ein, beantwortet entsprechende Anfragen und prüft Möglichkeiten zur Umsetzung von Massnahmen, die dieses Ziel fördern. Die Fachstelle berät die Schulleitung der ETH Zürich in Fragen der Gleichstellung, der Diversität und der Inklusion sowie zu Aktivitäten, die einen Kulturwandel fördern können, um die ETH-Gemeinschaft zu ermutigen, Chancengleichheit für alle zu schätzen. Im Rahmen dieser Arbeit trägt ETH Diversity dazu bei, Barrieren abzubauen, die bestimmte Gruppen davon abhalten, im akademischen Bereich erfolgreich zu sein. Dies ist wichtig, denn eine Gesellschaft, eine Organisation oder ein wissenschaftliches Unternehmen, das sich an die Grundsätze der Chancengleichheit hält, ist nicht nur gerechter, sondern kann auch akademische Talente besser nutzen.
Die Arbeit von ETH Diversity trägt zu mehreren SDGs bei. Sie zielt auf eine inklusive und gerechte Qualitätsbildung (SDG 4), fördert die Gleichstellung der Geschlechter in der Wissenschaft (SDG 5), reduziert Ungleichheiten in der akademischen Welt (SDG 10) und fördert ein verantwortungsvolles und inklusives Umfeld an der ETH Zürich (SDG 16). Indirekt trägt das Büro auch zur Erreichung anderer globaler Ziele bei, indem es eine qualitativ hochstehende Ausbildung und Arbeitsbedingungen fördert, die Raum für SDG-relevante Forschung schaffen.
Die Förderung von Vielfalt ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit: Untersuchungen zeigen, dass sie zu besserer Bildung und besserer Forschung führt, mit spürbaren Vorteilen für die Wissenschaft und die Gesellschaft.
«Initiativen zur Beseitigung von Hindernissen für die Chancengleichheit richten sich nicht nur an unterrepräsentierte Gruppen, sondern fördern ein besseres Arbeits- und Studienumfeld für alle!»Dr. Raphaela Hettlage, Leiterin ETH Diversity
Mit Abwasser Geschichte schreiben
Dr. Fajer Mushtaq, Mitbegründerin des ETH-Spin-offs Oxyle, will etwas für die wertvollste Ressource der Erde tun: Wasser.
Fajer wuchs in Kaschmir in Nordindien auf, einem der wenigen Orte im Land, wo das Wasser so sauber ist, dass man es direkt aus dem Wasserhahn trinken kann. Als sie nach Neu-Delhi zog, wo sie die meiste Zeit ihrer Teenagerzeit verbrachte, ging die Verbindung ihrer Kindheit zu den natürlichen Ressourcen verloren: Der Zugang zu sauberem Wasser und sogar zu sauberer Luft war nicht mehr gewährleistet. Sie fand sich plötzlich an einem Ort wieder, an dem Wasser rationiert werden musste.
Während ihres Doktoratsstudiums an der ETH Zürich erlebte Fajer, wie Wasser in einer Forschungsumgebung genutzt und behandelt wird. Normalerweise werden Abwässer bei hohen Temperaturen verbrannt und Mikroverunreinigungen ins Wasser abgegeben. Diese Chemikalien wirken sich nicht nur auf die Umwelt in der Nähe der Mülldeponie aus, sondern auch auf weiter entfernte Gebiete, die manchmal Hunderte oder Tausende von Kilometern von der Quelle entfernt sind. Wenn sie erst einmal in der Umwelt sind, lassen sich einige dieser Chemikalien nur sehr schwer entfernen.
Entfernung von Mikroverunreinigungen aus dem Abwasser
Mit Oxyle haben Fajer und ihre Kolleg:innen eine universelle Behandlung zur Entfernung von Mikroverunreinigungen aus Wasser entwickelt. Die Technologie ermöglicht die vollständige Entfernung und Echtzeitüberwachung einer breiten Palette von Mikroverunreinigungen auf kostengünstige und nachhaltige Weise. Die Schadstoffe werden durch Zerstörung beseitigt, anstatt eine zweite Behandlungsphase wie die Filtration zu durchlaufen, die Teil des üblichen Wasserreinigungszyklus ist.
Oxyle hilft Unternehmen auch dabei, ihre soziale und ökologische Verantwortung zu stärken. Dies geschieht durch Beratung darüber, wie man über das Minimum an unternehmerischer Verantwortung hinausgehen kann, indem man sie mit guten technologischen Lösungen ausstattet.
Den Umgang mit Wasser verändern
Oxyle ist ein Team von leidenschaftlichen, mutigen Wasserunternehmer:innen. Sie sind der Meinung, dass das Wasseraufbereitungssystem überholt werden muss und dass wir alle unsere Einstellung zum Thema Wasser ändern müssen. Geleitet vom Geist des Unternehmertums sehen sie einen immensen Wert in der effizienten Aufbereitung von Abwasser und dessen Umwandlung in frisches Wasser, das wiederverwendet werden kann. Abwasser ist kein Abfall.
«Eine nachhaltige Zukunft im Bereich Wasser beinhaltet eine bessere Einbindung aller Interessengruppen, um sie aufzuklären, zu befähigen und zu ermächtigen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, wenn es darum geht, wie wir unser Abwasser, unser Grundwasser und unser Trinkwasser behandeln.»Dr. Fajer Mushtaq, Mitbegründerin und CEO von Oxyle
Wie man mit Wasser umgeht
Professor Paolo Burlando war schon als junger Student des Bauingenieurwesens vom Wasser fasziniert. Er verstand, wie wichtig Wasser für alle menschlichen Aktivitäten ist – es ist nicht nur für die Erhaltung des Lebens auf der Erde unerlässlich, sondern auch für die Landwirtschaft, die Energieerzeugung, die Industrie und den Umweltschutz. Er verstand auch, wie Übernutzung und Verschmutzung die Wasserressourcen in Gefahr bringen. Zu viel oder zu wenig Wasser kann zudem dramatische Auswirkungen wie Überschwemmungen und Dürreperioden haben.
Management von Wasserressourcen
Paolos Forschungsarbeiten befassen sich mit Wasser in all seinen Formen, insbesondere mit Oberflächengewässern in Flusseinzugsgebieten. Ein Teil dieser Arbeit besteht darin, zu verfolgen, wie ein Regentropfen in einen fliessenden Fluss umgewandelt wird, indem er seinen Weg durch verschiedene Schichten von Land, Vegetation und Böden verfolgt. Ein besseres Verständnis dieses Weges ermöglicht es den Wissenschaftler:innen abzuschätzen, wie viel Wasser für ein breites Spektrum menschlicher Nutzungen zur Verfügung steht, und die Umwelt zu schützen. Dies wiederum ermöglicht es den Gesellschaften, Strategien und Infrastrukturen zu planen, zu entwerfen und umzusetzen, die zu einem nachhaltigeren Umgang mit dieser kostbaren Ressource beitragen.
Paolos konkreteres Ziel ist es, zu verstehen, wie Extremereignisse wie Überschwemmungen und Dürren vorhergesagt werden können und wie ihre Auswirkungen abgemildert werden können. Als ausgebildeter Ingenieur beschäftigt er sich auch mit der Frage, was es bedeutet, die Verfügbarkeit von Wasser für alle Nutzungen durch Mensch und Umwelt zu gewährleisten, insbesondere in Fällen, in denen die begrenzte Ressource umkämpft wird.
Eine bessere Bewirtschaftung der Wasserressourcen bedeutet, dass diese zum Nutzen Aller, auch künftiger Generationen, besser erhalten werden können. Paolos Forschung leistet einen entscheidenden Beitrag zu den Anpassungsstrategien, die zur Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels erforderlich sind.
Wasser und Klima sind eng miteinander verbunden
Paolo ist davon überzeugt, dass eine nachhaltige Zukunft darin besteht, dass alle Menschen gelernt haben, die natürlichen Ressourcen zu respektieren, und dass die Gesellschaften ihre Funktionsweise geändert haben, um die übermässige Ausbeutung dieser Ressourcen zu verringern. Aufbauend auf den vielen brillanten Erfolgen, die wir heute auf der ganzen Welt sehen, sind Wissenschaft und Technologie bereit, die Bemühungen zur Erreichung dieses Ziels zu unterstützen.
«Auch wenn es offensichtlich klingen mag, ist es immer wichtig, die Menschen daran zu erinnern, dass Wasser das kostbarste Gut ist, das uns die Natur gegeben hat. Wir sollten es bewahren, indem wir jede Verschwendung vermeiden und seine Verschmutzung verhindern. Darüber hinaus sollten wir uns bewusst sein, dass Wasser und Klima eng miteinander verbunden sind. Die Verhinderung und Abschwächung des Klimawandels bedeutet also auch die Verhinderung und Abschwächung von Wasserkrisen.»Dr. Paolo Burlando, Professor für Hydrologie und Wasserwirtschaft, ETH Zürich
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Die Technik, die unser Wasser reinigt
Während seines Studiums absolvierte Professor Eberhard Morgenroth ein Praktikum an der Universität von Kapstadt in Südafrika, durch das er sich für die städtische Wasserwirtschaft begeisterte. An den meisten Orten der Erde gibt es ernsthafte Wasserprobleme, und deshalb ist die Forschung zu diesem Thema äusserst wichtig: Eberhard sieht sie nicht als Luxus, sondern als Notwendigkeit zur Lösung realer Probleme.
Entwicklung von Technologien zur Wasseraufbereitung
Eberhard entwickelt Technologien zur Verbesserung der Wasseraufbereitung, um durch menschliche Aktivitäten verursachte Verunreinigungen, die der Gesundheit und der Umwelt schaden können, zu entfernen. Diese Technologie kann in grossen Kläranlagen in Industrieländern zum Einsatz kommen - oder in Form von eigenständigen Handwaschstationen in einfachen Siedlungsgebieten ohne Anschluss an eine Wasserleitung, ein Abwassersystem oder das Stromnetz.
Mit seiner Arbeit möchte Eberhard weltweit für sichere sanitäre Einrichtungen und Hygiene sowie für die Würde der Menschen sorgen. Darüber hinaus möchte er die Verfügbarkeit von Wasser in Regionen mit Wasserknappheit erhöhen.
Inspirierende Wissenschaft
Durch das Aufzeigen der Vorteile, die durch wissenschaftliche Fortschritte erzielt werden können, hofft Eberhard, andere dazu zu inspirieren, Forschung und Entwicklung zu unterstützen, die dazu beitragen können, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Er glaubt, dass wie Menschen viele Möglichkeiten haben, zu den SDGs beizutragen. Alle können etwas bewirken - sei es durch die Unterstützung wissenschaftlicher Forschung, eine nachhaltigere Lebensweise oder die aktive Teilnahme an Initiativen, die einen positiven Wandel fördern.
«Ich bin überzeugt, dass technologische Fortschritte eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Effizienz, der Bereitstellung lokaler Lösungen und der Bewältigung dringender ökologischer Herausforderungen spielen können.»Prof. Dr. Eberhard Morgenroth, Lehrstuhlleiter für Siedlungswasserwirtschaft ETH Zürich und Leiter Abteilung Verfahrenstechnik, Eawag
- externe Seite call_made Blue Diversion Autarky – Wastewater Treatment off the Grid
- externe Seite call_made Autarky water module proves itself as a handwashing station
- externe Seite call_made Bengaluru as a real-world laboratory for transforming urban water management (WaterReuseLab)
- externe Seite call_made Water reuse Switzerland
Effizientere elektrische Geräte
Die Forschung von Professorin Ulrike Grossner hat ihre Wurzeln in der Faszination ihrer Kindheit für die Reinheit und Nachhaltigkeit von Wasser. Die Physik wurde ihr Zugang zum Verständnis der Gesetze, die die natürliche Welt regieren. Auf der Suche nach einer Brücke zwischen abstrakten Konzepten und realen Szenarien vertiefte sie sich in die Festkörperphysik und arbeitete mit Materialien, die aus unzähligen Atomen bestehen.
Diese Reise führte Ulrike in den Bereich der Halbleiter – Materialien, die sowohl leitend als auch isolierend wirken. Mit Halbleitern lässt sich auch elektrische Energie regulieren und modulieren. Sie war fasziniert von dem Prozess der Gestaltung und Bearbeitung dieser Materialien, um verschiedene Geräte wie Detektoren und Leuchtdioden zu konstruieren.
Halbleiter verstehen
Ulrike und ihre Forschungsgruppe konzentrieren sich auf das Verständnis von Halbleitermaterialien, sowohl im Hinblick auf ihre grundlegenden Eigenschaften als auch auf ihre praktischen Anwendungen. Einerseits versuchen sie, die Zusammensetzung und mögliche Defekte dieser Materialien zu erforschen, andererseits versuchen sie, die Lücke zwischen diesem Verständnis des Materials und seinen Anwendungen, insbesondere im Bereich der Leistungselektronik, zu schliessen.
Nehmen Sie das Beispiel des Aufladens Ihres Laptops. Um dies effektiv zu tun, muss sichergestellt werden, dass die Halbleiterschalter, die zur Stromumwandlung verwendet werden, auch den hohen Spannungen auf den Stromübertragungsleitungen standhalten können. Die Forschungsgruppe befasst sich mit der Funktionsweise dieser Geräte, ermittelt die wichtigsten Fehlermechanismen, die im Material auftreten können, und untersucht, wie sich diese Fehler auf die Leistung und Zuverlässigkeit der Geräte im Normalbetrieb auswirken können.
Effiziente Adapter und die Zukunft der Mobilität
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die elektrische Energie effizient vom Netz auf unsere Geräte übertragen wird. Ulrike empfiehlt, in hocheffiziente Adapter für Geräte wie Laptops und Handyladegeräte zu investieren. Jeder kann diese einfache Änderung vornehmen, und der Nutzen kann enorm sein. Eine ihrer Studien zeigt, dass, wenn ältere Ladegeräte schon vor Jahren durch effizientere ersetzt worden wären, die eingesparte Energie der Abschaltung von bis zu drei Atomkraftwerken* entsprochen hätte.
Die Möglichkeit, mit Menschen auf der ganzen Welt in Verbindung zu treten und zu kommunizieren, ist einer der grössten technischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte. Neben der Telekommunikation sind wir alle auf den Verkehr angewiesen. Ulrikes Vision ist eine Zukunft mit sauberer und effizienter Mobilität, in der umweltfreundlichen Praktiken Vorrang eingeräumt wird. Sie ist der Meinung, dass wir alle ein Gleichgewicht zwischen der Erhaltung der Vorteile des Reisens und der Minimierung seiner Umweltauswirkungen finden müssen.
«Wir alle haben in den letzten Jahren gesehen, wie sehr unsere persönliche Welt, einschliesslich Familie und Freunde, von der Mobilität abhängt. Uneingeschränkte Mobilität ist entscheidend für die persönliche Entwicklung, die Förderung des Verständnisses und der globalen Einheit.»Prof. Dr. Ulrike Grossner, Leiterin des Advanced Power Semiconductor Laboratory, ETH Zürich
Beschleunigung der Energiewende
Professor Tobias Schmidt hat sich schon immer für Energie interessiert, ein Thema, das im Mittelpunkt gesellschaftlicher Herausforderungen wie Klimawandel, wirtschaftliche Entwicklung und Gesundheit steht. Als interdisziplinärer Forscher stützt sich seine Arbeit auf Fachwissen in der Elektrotechnik und den Sozialwissenschaften.
Bei mehreren Aufenthalten in Entwicklungsländern hat Tobias aus erster Hand erfahren, was es bedeutet, in den ärmeren Teilen der Welt ohne Strom zu leben. Mehr als 600 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu Elektrizität und sauberen Kochbrennstoffen, was ihre Entwicklungschancen einschränkt.
Beseitigung von Hindernissen für die Energiewende
Tobias und seine Forschungsgruppe analysieren, wie die öffentliche Politik den Übergang zu nachhaltigeren Energiesystemen beschleunigen kann. In den Industrieländern bedeutet dies, dass Technologien, die Kohlendioxid ausstossen, durch Technologien ersetzt werden, die dies nicht tun. In Ländern mit niedrigem Einkommen bedeutet dies, den Zugang zu modernen, erneuerbaren Energiequellen, wie z. B. Solarstrom, zu ermöglichen. Seine Forschung liefert politischen Entscheidungsträger:innen auf nationaler und internationaler Ebene Empfehlungen, wie der Übergang zu sauberen und erschwinglichen Energietechnologien beschleunigt werden kann.
Die Energiewende ist ein entscheidender Hebel, um den Klimawandel abzumildern und eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Allerdings stehen ihr viele Hindernisse im Weg, seien sie technischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher oder politischer Natur. Tobias und seine Gruppe wollen politische Konzepte ermitteln, die dazu beitragen können, diese Hindernisse zu beseitigen, um den Übergang zu beschleunigen.
Mit Blick auf die Zukunft möchte Tobias den Umfang seiner Forschung auf Sektoren ausweiten, in denen die Technologien für die Dekarbonisierung noch nicht so weit fortgeschritten sind, wie z. B. in der Fracht- und Lebensmittelindustrie. Er denkt auch aktiv darüber nach, welche Rolle die Energiewende bei der Schaffung neuer Möglichkeiten für Entwicklungsländer spielen kann, an Energie- und Materiallieferketten teilzunehmen.
Energiepolitik
Die gute Nachricht ist, dass viele saubere Energietechnologien nicht nur verfügbar sind, sondern auch immer erschwinglicher werden. Um den Übergang weiter zu beschleunigen, kann die öffentliche Politik eine Schlüsselrolle bei der Überwindung der zahlreichen Hindernisse spielen, die dem im Wege stehen. Wirtschaftspolitische und soziale Massnahmen müssen kohärent und konsistent sein.
«Ich hoffe, dass es uns besser gelingt, Innovationen in eine Richtung zu lenken, in der sie zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen, anstatt neue gesellschaftliche Probleme zu schaffen.»Prof. Dr. Tobias Schmidt, Leiter der Gruppe Energie- und Technologiepolitik, ETH Zürich
Wie man die Energiewende vorantreibt
Dr. Gianfranco Guidati interessierte sich schon während seines Studiums für die Energiewissenschaft und arbeitete dannach als Ingenieur für Gasturbinen bei einem Kraftwerkshersteller. In den 1990er Jahren sahen Windturbinen wie Spielzeug aus und die Photovoltaik war so teuer, dass sie nur auf Satelliten eingesetzt werden konnte. Heute sind es genau diese Technologien, die den günstigsten Strom erzeugen.
Vernetztes Denken
Die Energiewende lässt sich nicht durch den Austausch einzelner Komponenten oder Technologien erreichen – das gesamte System muss neu konzipiert werden. Gianfranco ist überzeugt, dass Ingenieure heute in Systemen denken müssen, denn mehr noch als in der Welt der nicht erneuerbaren Ressourcen stehen alle Komponenten der sauberen Energie in komplexer Wechselwirkung zueinander.
Gianfranco und sein Team wollen verstehen, welche Technologien und Systeme am besten geeignet sind, um schädliche Treibhausgasemissionen zu reduzieren und das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Dabei kann es sich um Energieerzeugungstechnologien wie Photovoltaik, Windkraft und Geothermie handeln, um Speichertechnologien für Wärme, Strom und Gase oder um Endverbrauchstechnologien wie Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge. Gianfranco verwendet mathematische Modelle, um ein Energiesystem zu beschreiben, und nimmt dann kleine Änderungen vor – zum Beispiel das Entfernen einer Technologie –, um zu beobachten, wie das System reagiert und wie seine verschiedenen Komponenten zusammenwirken.
Vom Modell zum Handeln
Auf der Grundlage dieser Modelle gewinnen die Forschenden Erkenntnisse, die zu praktischen Empfehlungen führen und Politiker:innen und öffentlichen Verwaltungen bei der Ausarbeitung neuer Gesetze und Anreize zur Förderung der Energiewende helfen. Gianfranco und seine Kolleg:innen ermitteln, welche Technologien entwickelt, getestet und eingesetzt werden sollten, um die Energiewende zu unterstützen. Um ihre Forschungsergebnisse besser zugänglich zu machen, haben sie sogar eine Augmented-Reality-Visualisierung des heutigen und zukünftigen Energiesystems entwickelt, die jetzt im Verkehrshaus der Schweiz ausgestellt ist.
Gianfranco ist überzeugt, dass jeder noch so kleine Beitrag, den wir zur Energiewende leisten, wertvoll ist. Sei es, dass wir weniger Fleisch essen und weniger fliegen, dass wir häufiger den öffentlichen Verkehr oder das Velo benutzen, dass wir die Öl- oder Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzen oder dass wir uns entscheiden, im Bereich der erneuerbaren Energien zu arbeiten.
«Die Energiewende ist möglich, wir müssen uns nur entscheiden, dass wir sie wirklich wollen – und es dann auch tun!»Dr Gianfranco Guidati, stellvertretender Direktor des Energy Science Center, ETH Zürich
Der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft
Die akademische Arbeit von Professorin Eva-Marie Meemken im Bereich Agrarwissenschaften und Ökonomie hat sie nach Deutschland, Mexiko, in die Vereinigten Staaten und nach Dänemark geführt. Durch Aufenthalte auf kanadischen, spanischen und deutschen Bauernhöfen sowie in Projekten der Entwicklungszusammenarbeit in Bangladesch und Peru sammelte sie wertvolle praktische Erfahrungen.
Eva-Marie hat sich schon immer für die Herkunft der Lebensmittel interessiert, die wir konsumieren, und für die sozialen Bedingungen, unter denen sie produziert werden. Auf der Suche nach Möglichkeiten zur Förderung menschenwürdiger Arbeit im Agrarsektor startete sie ein Projekt mit Schwerpunkt auf der Fairtrade-Zertifizierung. Diese Forschungsarbeit führte sie nach Uganda, wo sie Fokusgruppendiskussionen und eine umfangreiche Umfrage unter Kaffeekleinproduzent:innen durchführte. In Ostafrika ist es nicht ungewöhnlich, dass Landwirt:innen Gefangene als kostenlose Arbeitskräfte auf ihren Farmen einsetzen. Die Fairtrade-Regeln verbieten diese Praxis, aber Eva-Marie kam nicht umhin, sich zu fragen: Wenn ich ein Sträfling wäre, würde ich meine Tage lieber in einer Gefängniszelle verbringen oder hart auf einer Farm arbeiten?
Sie erkannte auch, dass über diese spezifische Praxis hinaus das Problem der menschenwürdigen Arbeit in der Landwirtschaft ein wichtiges, aber übersehenes Thema ist. Angestellte in der Landwirtschaft sind oft mit prekären Arbeitsbedingungen konfrontiert, sowohl in Ländern mit höherem als auch mit niedrigerem Einkommen, und haben von allen Teilnehmenden an den globalen Lebensmittelversorgungsketten die geringste Macht. Die Erhebung von Daten über die Lohnarbeit im Agrarsektor ist alles andere als einfach. Sie erfordert das Auffinden und Befragen von Arbeitskräften, bei denen es sich häufig um saisonale Migrant:innen handelt. Die Arbeit ist oft schwierig, und sie kann riskant sein. Doch Eva-Marie und ihre Gruppe nahmen die Herausforderung an.
Forschung für bessere Arbeitsbedingungen
Ihre Forschungsgruppe konzentriert sich auf zwei Hauptfragen im Zusammenhang mit landwirtschaftlicher Arbeit. Die eine Frage lautet, wie Politik und Technologie dazu beitragen können, die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft, der Lebensmittelverarbeitung und den Lebensmitteldienstleistungen zu verbessern. Die zweite Frage lautet, wie dem Arbeitskräftemangel begegnet werden kann.
Arbeitskräftemangel ist in vielen Ländern der Welt an der Tagesordnung. Aber die Gründe, Auswirkungen und Massnahmen, die dagegen ergriffen werden können, sind noch wenig bekannt. Heute konzentriert sich Eva-Maries Forschungsgruppe auf Fallstudien aus Nigeria, Myanmar, Ghana und der Schweiz, wobei sie umfangreiche Erhebungen durchführt, um Daten sowohl von Arbeitnehmenden als auch von ihren Arbeitgebenden, wie landwirtschaftlichen Betrieben oder Lebensmittelunternehmen, zu sammeln.
Fortschritt durch Politik und Technologie
Auch wenn noch viel getan werden muss, um die prekären Arbeitsbedingungen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft zu verbessern, bleibt die Tatsache bestehen, dass in diesem Sektor viele gering qualifizierte Arbeitskräfte aus Ländern mit niedrigem Einkommen beschäftigt sind, entweder im Inland oder im Ausland. Diese Beschäftigungsmöglichkeiten sind von entscheidender Bedeutung, insbesondere in Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung.
«Wir müssen Politiken und Technologien entwickeln und identifizieren, die das Wohlergehen sowohl der Menschen fördern, die Lebensmittel produzieren, als auch der Menschen, die sie konsumieren. Menschenwürdige Arbeit ist nur ein Aspekt, aber einer, der mehr Aufmerksamkeit und Finanzierung verdient.»Prof. Dr. Eva-Marie Meemken, Leiterin der Food Systems Economics and Policy Group, ETH Zürich
Die Zukunft einer besseren Arbeitswelt
Die Faszination von Professorin Gudela Grote für die Arbeits- und Organisationspsychologie beruht auf einer einfachen, aber aussagekräftigen Beobachtung: Arbeit ist entscheidend für das Wohlbefinden. Daraus folgt, dass die Gestaltung besserer Arbeitsbedingungen notwendig ist, um den Menschen zu helfen, ein besseres Leben zu führen. Gudela interessiert sich auch dafür, wie die Arbeit mit der Identität und der Kompetenzentwicklung der Menschen zusammenhängt. In ihrer Forschung taucht sie tief in die Arbeitspraktiken des Einzelnen ein und untersucht, wie und warum Menschen über die reine Erledigung von Aufgaben hinaus erfolgreich sind.
Wie können die Arbeitsbedingungen verbessert werden?
Das übergeordnete Ziel von Gudelas Forschungsgruppe ist es, die Arbeitsbedingungen so zu verbessern, dass die Menschen ihre Arbeit gut erledigen, lernen und dabei ihre persönlichen Fähigkeiten entwickeln können. Im Grunde genommen geht es darum, den eigenen Lebensunterhalt in einer Arbeitsumgebung zu verdienen, die das Wohlbefinden fördert und zumindest keinen Schaden verursacht.
Die Gruppe verfolgt drei Forschungsschwerpunkte. Eine davon ist eine alle zwei Jahre durchgeführte Erhebung über die Arbeitsbedingungen in der Schweiz, die als Grundlage für Entscheidungen von Unternehmen und Politik zur Verbesserung der Bedingungen dient. Der zweite Bereich besteht aus mehreren Projekten, die sich mit der Frage befassen, wie KI-basierte Technologie und neue Technologien im Allgemeinen die Art der Arbeit verändern. Dazu gehört auch die Analyse der Frage, wie eine wirksame Integration der Technologie in die Arbeitswelt bereits in einer frühen Phase des Einführungsprozesses gefördert werden kann. Die Gruppe legt besonderen Wert darauf, die Verantwortung für die Arbeitsergebnisse mit der Kontrolle darüber in Einklang zu bringen, wie diese Arbeitsergebnisse mithilfe der Technologien erzielt werden. Im dritten Bereich untersucht das Team, wie Einzelpersonen und Organisationen mit Unsicherheiten in arbeitsbezogenen Prozessen umgehen, sei es durch die Gestaltung neuer Regeln, die Ermutigung von Mitarbeitenden, sich zu äussern, oder das Eintreten für organisatorische Veränderungen.
Im Mittelpunkt ihres Handelns steht das Bestreben, menschenwürdige Arbeit für alle zu schaffen und gute Arbeitsbedingungen mit wirtschaftlicher Effizienz zu verbinden. Gudela und ihr Team sind davon überzeugt, dass Menschen motivierter und produktiver sind, wenn sie bei der Arbeit respektiert werden, die Möglichkeit haben, zu lernen und sich weiterzuentwickeln, und über ein gewisses Mass an Autonomie verfügen.
Sind Sie mit Ihren Arbeitsbedingungen zufrieden?
Gudela plädiert dafür, dass Entscheidungsträger:innen in Organisationen oder in der Regierung über die Arbeitsbedingungen nachdenken und überlegen, wie sie verbessert werden können. Dazu müssen sie den Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und wirtschaftlicher Effizienz besser verstehen.
In ihrer Zukunftsvision wird die Technologie so eingesetzt, dass die Arbeit besser wird, anstatt die Produktivität zu steigern. Das könnte bedeuten, die Arbeitszeit für alle zu verkürzen, das Wohlbefinden und die persönliche Entwicklung durch angemessene Arbeitsbedingungen zu fördern oder den Zugang zu formellem und informellem Lernen als Grundlage für nachhaltige Beschäftigung zu ermöglichen.
«Wenn es bei der Arbeit nicht gut läuft, sollte man die Situation verbessern und nicht die Menschen.»Prof. Dr. Gudela Grote, Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie, ETH Zürich
Internationalen Handel umweltfreundlicher gestalten
In seiner Forschung und Lehre beschäftigt sich Professor Thomas Bernauer mit der Frage, wie globale Umweltprobleme entstehen und wie sie gelöst werden können. Sein besonderes Interesse gilt dabei der Frage, wie politische Massnahmen konzipiert werden können, die einerseits wirksam zur Lösung von Umweltproblemen beitragen, andererseits aber auch unter Berücksichtigung der spezifischen Interessen von Bürger:innen, Verbraucher: innen, Unternehmen und politischen Gruppen durchsetzbar sind.
Thomas erhielt seine Ausbildung in Politikwissenschaften in Zürich, Genf und Boston. Er arbeitete mehrere Jahre für die Vereinten Nationen und ist seit 1995 Professor an der ETH Zürich.
Internationaler Handel und Umweltschutz: ein Widerspruch in sich?
Ein Schwerpunkt seiner Forschung ist die Beziehung zwischen internationalem Handel und Umweltschutz. Die wirtschaftliche Globalisierung, insbesondere der internationale Handel, ist Segen und Fluch zugleich. Die meisten Menschen stehen ihr zwiespältig gegenüber.
Die Menschen in reichen Ländern wie der Schweiz konsumieren eine riesige Menge an importierten Waren, deren Produktion im Ausland Umweltschäden verursacht. Das ist die wichtigste ökologische Herausforderung im Zusammenhang mit dem internationalen Handel. Dazu gehören beispielsweise Mineralien, die im Bergbau gewonnen werden und die Umwelt schädigen, oder Lebensmittel wie Palmöl, die möglicherweise nicht nachhaltig produziert werden. Bis zu 80 Prozent der gesamten Umweltauswirkungen des Konsums der Schweizer:innen finden ausserhalb der Landesgrenzen statt. Das bedeutet, dass sie in ökologischer Hinsicht auf Kosten anderer Länder leben.
Thomas’ Forschungsarbeit untersucht dieses Phänomen und geht der Frage nach, wie der internationale Handel zur Verlagerung der Umweltauswirkungen durch globale Lieferketten beiträgt. Er analysiert dabei auch, wer diese Auswirkungen auf wen abwälzt, und untersucht, wie sich die Länder durch ihre Konsum- und Handelsmuster gegenseitig Umweltschäden zufügen und was Nachhaltigkeitsstandards dagegen ausrichten könnten.
Den Konsum-Fussabdruck in grossem Massstab reduzieren
Der globale ökologische Fussabdruck des lokalen Konsums zeigt, dass es nicht ausreicht, die Umweltqualitätsziele nur in den reichen Ländern zu erreichen. Das bedeutet, dass neben der Umstrukturierung der heimischen Wirtschaft auch die internationale Handels- und Lieferkettenpolitik neu gestaltet werden muss, um die Einfuhr von Gütern, deren Produktion im Ausland enorme Umweltschäden verursacht, drastisch zu reduzieren.
«Wir schätzen die Vorteile der Globalisierung als Konsument:innen und als Reisende, und sie hat Ländern wie der Schweiz zu Wohlstand verholfen – aber wir machen uns auch Sorgen darüber, wie die Globalisierung unsere Gesellschaften verändert, etwa durch Verschiebungen der kulturellen Identität oder durch wirtschaftliche und ökologische Risiken»Prof. Dr. Thomas Bernauer, Leiter Internationale Politische Ökonomie und Umweltpolitik, ETH Zürich
Stadtverkehr neu gedacht
Als Bauingenieur ist Professor Kay W. Axhausen ein Experte für Stadtplanung geworden. Karten und Stadtpläne bedeuten für ihn mehr als die physischen Merkmale, die sie darstellen: Sie zeigen Städte als komplexe Systeme. Indem sie die sozialen, technischen und ökologischen Dimensionen von Städten berücksichtigen, streben Stadtplaner wie Kay danach, das Engagement der Gemeinschaft zu fördern, eine effiziente Verwaltung der Infrastruktur zu gewährleisten und die Nachhaltigkeit zu fördern.
E-Bike-Stadt
Kay und seine Gruppe widmen sich der Entschlüsselung und Vorhersage des Mobilitätsverhaltens. Sie tun dies, indem sie systematisch messen, simulieren und wertvolle Erkenntnisse und Daten in ein umfassendes, gross angelegtes Modell integrieren. Der aktuelle Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Erforschung des Potenzials für die Schaffung von «E-Bike-Städten» durch die Umgestaltung der bestehenden Infrastruktur für Fahrräder, Fusswege oder andere öffentliche Verkehrsmittel. Ein Teil dieser Forschungsarbeit besteht darin, die Vorteile und anderen Auswirkungen einer solch dramatischen Veränderung in der Organisation des städtischen Verkehrssystems zu untersuchen, um die Machbarkeit und Durchführbarkeit eines nachhaltigen Verkehrs zu bewerten, der im Mittelpunkt der Städte steht.
Ihre Forschung und Simulationen zielen darauf ab, Szenarien zu entwickeln, die Stadtplaner:innen, politische Entscheidungsträger:innen und andere nutzen können, um die potenziellen Vorteile und Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Übergang zu E-Bike-Städten zu beleuchten. Durch die Erforschung von Möglichkeiten zur Förderung eines nachhaltigen Verkehrs, zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen und zur Verbesserung der Lebensqualität in den Städten trägt ihre Arbeit letztendlich dazu bei, eine grünere und nachhaltigere Zukunft für städtische Umgebungen weltweit zu gestalten.
Neue Verkehrssysteme
Kay appelliert an die politischen Entscheidungsträger:innen, neue Wege zur Gestaltung von Verkehrssystemen zu erforschen. Er ist überzeugt, dass angesichts des erheblichen Beitrags des Verkehrssektors zu den Treibhausgasemissionen neue Ideen und positive Visionen erforderlich sind, um die öffentliche Diskussion voranzutreiben und die Unterstützung der Wähler:innen zu gewinnen. Um die Emissionen des Sektors zu reduzieren, sind Innovation, interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Hervorhebung der allgemeinen Vorteile eines nachhaltigen Verkehrs erforderlich. Gleichzeitig müssen soziale Gerechtigkeit und eine Reihe von Interessengruppen in die Diskussion einbezogen werden, um sicherzustellen, dass die Energiewende fair und gerecht ist.
«Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit und Systemdenken können Städte so gestaltet werden, dass sie widerstandsfähig, integrativ und umweltbewusst sind, die vielfältigen Bedürfnisse ihrer Bewohner:innen erfüllen und gleichzeitig die Ressourcen für die Zukunft erhalten.»Prof. Dr. Kay W. Axhausen, ehemaliger Leiter des Instituts für Verkehrsplanung und Transportsysteme, ETH Zürich
Wohnraum, der den Planeten nicht unnötig belastet
Das ETH-Spin-off Oxara wurde von Gnanli Landrou aus Togo und Thibault Demoulin aus Frankreich mitbegründet. Beide haben einen akademischen Hintergrund in Materialwissenschaften. Gnanli wuchs in Westafrika auf und war aktiv am Bau von Lehmhäusern beteiligt, was seine Sichtweise auf die Materialverwendung prägte. Diese Bauweise ist auch in Thibaults Heimatregion, der Bretagne, üblich, wo der Lehmbau eine lange Tradition hat.
Durch ihre Erfahrungen und Gespräche entdeckten Gnanli und Thibault eine gemeinsame Faszination für Lehmbaustoffe. Ihre individuellen Begegnungen mit dem Lehmbau an verschiedenen Orten führten zu einer gemeinsamen Wertschätzung der einzigartigen Qualitäten und des Potenzials nachhaltiger Baukonzepte.
Nachhaltiges Bauen und erschwinglichen Wohnraum ermöglichen
Nach Angaben von UN Habitat werden bis 2050 drei Milliarden Menschen keinen Zugang zu angemessenem, nachhaltigem und erschwinglichem Wohnraum haben. Der Bau ausreichender Wohnungen ist jedoch mit Kosten für den Planeten verbunden. Herkömmliche Baumaterialien wie Zement, Beton und Ziegelsteine sind für 10 Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen verantwortlich und machen ein Drittel des weltweiten Abfalls aus.
Oxara hat sich zum Ziel gesetzt, Bauabfälle wie Aushub- und Abbruchmaterial in nachhaltige und erschwingliche Bauprodukte umzuwandeln. Zu diesem Zweck bietet das Unternehmen eine Reihe spezialisierter Zusatzmittel und Bindemittel an, die es ihm ermöglichen, bestehende Infrastrukturen und Verfahren zu nutzen, um die schnelle Einführung neuer Technologien in grossem Massstab zu fördern.
Die von Oxara hergestellten Produkte können den Kohlenstoff-Fussabdruck von Baumaterialien verringern. Durch das Upcycling von Abfallstoffen wird auch der Bedarf an intensivem Bergbau verringert. Letztlich ermöglicht das Unternehmen den Bau von nachhaltigeren und erschwinglicheren Häusern.
Öffentliches Bewusstsein für nachhaltiges Bauen und Kreislaufwirtschaft
Oxara ermutigt Immobilienentwickler:innen, Bauherr:innen, Bauunternehmer: innen und Materialhersteller:innen, sich zu verpflichten, zukünftige Häuser so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Sie können dies tun, indem sie weniger oder gar keinen Zement verwenden, lehmbasierte und biobasierte Ressourcen nutzen und so viel Abfallmaterial wie möglich wiederverwerten, um die Kreislaufwirtschaft zu fördern.
Zurzeit ist Oxara hauptsächlich in der Schweiz tätig. Ziel ist es jedoch, zu zeigen, dass ihr Ansatz auch in anderen Teilen der Welt funktioniert. Derzeit wird daran gearbeitet, die Effizienz ihres Produkts in einer Reihe von Ländern wie Indien, Ruanda und Tansania zu demonstrieren.
«Die Zeit für eine Veränderung ist jetzt! Gemeinsam können wir das Wohlbefinden der Menschen verbessern und eine gesunde Umwelt schaffen.»Dr. Gnanli Landrou and Dr. Thibault Demoulin, Mitbegründer Oxara
Bewusste Konsumentscheidungen
Schon während ihres Studiums besuchte Professorin Stefanie Hellweg alle Kurse, die mit Umwelttechnologien zu tun hatten, die es damals gab. Aus der Leidenschaft für Umweltthemen entwickelte sich während ihres Promotionsstudiums ein Interesse für das Gebiet der Ökobilanzierung. In dieser Phase fühlte sie sich von der Idee angezogen, einen Systemansatz für das Materialrecycling zu wählen und umfassende Bewertungen von Technologien oder Produkten über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg, «von der Wiege bis zur Bahre», durchzuführen. Dieser Ansatz ermöglicht eine effiziente Entscheidungsfindung, um die besten Umweltlösungen für ein bestimmtes Problem zu finden.
Messung der Umweltauswirkungen
Stefanie und ihre Forschungsgruppe entwickeln und wenden Methoden an, die Entscheidungen über nachhaltige Produktion und nachhaltigen Verbrauch unterstützen. Sie wollen verstehen, wie sich Treibhausgasemissionen und Ressourcenverbrauch auf die Umwelt auswirken, und können die Auswirkungen von Produkten, Verfahren und neuen Technologien quantifizieren. Ihre Arbeit konzentriert sich nun auf die Kreislaufwirtschaft, insbesondere auf die Untersuchung der Vorteile und Auswirkungen von Materiallebenszyklen.
Der Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt sind die grössten Bedrohungen unserer Zeit. Stefanie und ihre Gruppe ermitteln Hebel für Veränderungen, die dazu beitragen können, diese Probleme abzuschwächen und zu verringern. Wenn sie zum Beispiel verschiedene Materialalternativen bewerten und vergleichen, können sie die umweltfreundlichsten Optionen ermitteln. Da die gebaute Infrastruktur ein wichtiger Faktor für Treibhausgasemissionen ist, untersucht das Team, wie Stadtplanung, Gebäude und andere Infrastrukturen verbessert werden können, um die Auswirkungen auf das Klima zu verringern.
Bewusste Konsumentscheidungen
Stefanie ist der Ansicht, dass es von entscheidender Bedeutung ist, dass Gesellschaften und Volkswirtschaften einen tief greifenden Wandel in ihrem Produktions- und Konsumverhalten vollziehen, wenn die Welt die drängenden Probleme des Klimas und der biologischen Vielfalt wirksam angehen will.
Als Verbraucher:innen hat jede:r von uns die Möglichkeit, einen positiven Einfluss auszuüben, indem wir bewusster mit unseren Konsumentscheidungen umgehen. Indem wir uns der ökologischen und sozialen Auswirkungen unseres Handelns bewusst sind, können wir unseren Teil zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen beitragen. Das bedeutet, dass wir unnötigen Konsum, der die Umwelt stark belastet, vermeiden und uns für nachhaltigere Alternativen entscheiden sollten.
«In einer nachhaltigen Zukunft werden wir gelernt haben, innerhalb der planetarischen Grenzen zu leben. Dies setzt voraus, dass Energie ‹defossilisiert› wird, Materialien effizient genutzt und im Kreislauf weitergegeben (z.B. wiederverwendet oder recycelt) werden und Menschen bewusst konsumieren und in nachhaltige Anlagen investieren.»Prof. Dr. Stefanie Hellweg, Leiterin des Instituts für Ökologisches Systemdesign, ETH Zürich
Ungleichheit neu denken
Dr. Isabel Martinez wuchs als Tochter einer Schweizer Mutter und eines spanischen Vaters in einem Vorort von Bern in der Schweiz auf. Ihr Vater erlebte den offenen Rassismus, den manche Menschen gegenüber Gastarbeiter: innen und Immigrant:innen an den Tag legten. Ihre Mutter war in den 1980er Jahren eine teilzeitarbeitende Mutter, was damals eher die Ausnahme als die Regel war.
Isabel wuchs in einer Familie auf, die sich sehr für Politik interessierte und engagierte. Schon früh erkannte sie, dass sich die meisten Themen letztlich um Ungleichheiten und Verteilung drehten.
Einkommens- und Vermögensverteilung als Determinanten der Ungleichheit
Isabel arbeitet in zwei verschiedenen, aber verwandten Forschungsbereichen. In ihrer Arbeit über Einkommens- und Vermögensungleichheit untersucht sie, wie viel Vermögen die reichsten Menschen in der Schweiz besitzen. Die langfristige Entwicklung von Einkommen und Vermögen und deren Verteilung helfen, die Determinanten der Ungleichheit aufzudecken. In ihrer Arbeit über Steuern befasst sie sich mit Fragen im Zusammenhang mit Steueränderungen. Dies trägt zur Entwicklung optimaler Steuersysteme bei, bei denen sowohl Effizienz- als auch Gerechtigkeitsaspekte berücksichtigt werden.
Die Ungleichheitsforschung ermöglicht es den Menschen, politische Vorschläge auf der Grundlage von Fakten und nicht von Annahmen über die Vermögensverteilung zu diskutieren. Wenn wir verstehen, wie die Menschen auf verschiedene Steuern reagieren, können wir Schlupflöcher schliessen und bessere Steuersysteme entwickeln.
Ungleichheit als Chance
Die Ungleichheit, insbesondere die Vermögensungleichheit, hat in der Schweiz seit den 1990er Jahren zugenommen. Die Volkswirtschaftslehre gibt keine Antwort darauf, wie viel Ungleichheit wir anstreben sollten oder wie viel Ungleichheit zu viel ist. Das sind Fragen, die die Gesellschaft immer wieder neu diskutieren und angehen muss. Wie viel Umverteilung zwischen Arm und Reich wir wollen, bleibt eine politische und philosophische Frage, auf die die Gesellschaft mit Hilfe der demokratischen Entscheidungsfindung eine Antwort finden muss.
Ein Kernprinzip moderner, demokratischer Gesellschaften ist, dass jeder Mensch sein volles Potenzial im Leben ausschöpfen können sollte, unabhängig von seiner Erziehung, seinem Vermögen, seinem Geschlecht, seiner Herkunft oder seiner Hautfarbe. Wir müssen uns stärker auf die Ungleichheit der Chancen konzentrieren, anstatt nur die Ungleichheit der Ergebnisse zu betrachten.
«Ich hoffe, dass durch die Verbesserung der Chancengleichheit die Ungleichheiten bei den Ergebnissen schliesslich wieder geringer werden.»Dr. Isabel Martinez, Senior Researcher bei der KOF Konjunkturforschungsstelle, ETH Zürich
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Ein inklusiver Design-Wettbewerb
CYBATHLON ist eine Plattform, die Teams aus der ganzen Welt herausfordert, alltagstaugliche assistive Technologien mit und für Menschen mit Behinderungen zu entwickeln. Die Idee wurde von Prof. Robert Riener entwickelt, der Forschenden, Entwickler:innen und Endnutzer:innen – Menschen mit Behinderungen – zusammenbringen wollte, um alltägliche Aufgaben zu lösen. CYBATHLON wurde 2013 als Non-Profit-Projekt im Sensory-Motor Systems Lab der ETH Zürich gegründet.
Die Gründer:innen waren überzeugt, dass ein Wettbewerb der beste Weg ist, um inklusives Design zu beschleunigen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, warum Forschung und Entwicklung zugunsten von Menschen mit Behinderungen für die Gesellschaft wichtig ist.
Teams herausfordern, assistierende Technologien zu entwickeln
Die treibende Kraft hinter CYBATHLON sind internationale Wettbewerbe. Bei diesen Veranstaltungen bewältigen Teams, die sich aus Technologieentwickler:innen von Universitäten, Unternehmen oder Nichtregierungsorganisationen und einer Person mit Behinderung zusammensetzen, verschiedene Alltagsaufgaben mit den neuesten von ihnen entwickelten unterstützenden Technologien.
Die Entwicklungsteams, die von Tausenden von Zuschauer:innen in einem Stadion beobachtet und angefeuert werden – und die nun live übertragen oder bei Veranstaltungen in der ganzen Welt nachgebildet werden –, haben das Bewusstsein für die Hindernisse geschärft, mit denen Menschen mit Behinderungen in ihrem Alltag konfrontiert sind, und dafür, wie Technologie zur Überwindung dieser Barrieren beitragen kann.
Die Möglichkeit, an einem Wettbewerb teilzunehmen, ist für die teilnehmenden Teams sehr wichtig. Es hilft ihnen, ihre neuen Produkte in einer sicheren Umgebung zu testen und so das Design zu verbessern, indem sie eventuelle Schwächen beseitigen, bevor sie auf den Markt kommen.
Bei der Verringerung der Ungleichheit geht es darum, das Bewusstsein dafür zu schärfen
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Ein Gemeindetreffen findet im ersten Stock eines örtlichen Gebäudes statt, und die einzige Möglichkeit, dorthin zu gelangen, besteht darin, die Treppe hinaufzugehen. Das hat zur Folge, dass eine Person, die im Rollstuhl sitzt, nicht an der Kommunalpolitik teilnehmen kann, die sie betrifft. Das ist ungerecht. Neue Hilfstechnologien können die soziale Eingliederung von Menschen mit Behinderungen gewährleisten.
Inklusion kann nur erreicht werden, wenn wir alle bereit sind, uns an dem Prozess zu beteiligen, öffentliche Infrastrukturen für alle zugänglich zu machen. Es ist wichtig, dass Inklusion diskutiert wird und nicht länger ein Stigma ist. CYBATHLON ist der Ansicht, dass das Teilen der Geschichten von Menschen mit Behinderungen den Weg zu mehr Vielfalt in der Gesellschaft ebnet. Vielfalt bedeutet, Unterschiede zwischen Menschen zu entdecken und zu schätzen, ebenso wie andere Lebensweisen und Standpunkte.
«Man muss nicht in allem übereinstimmen, aber gegenseitiger Respekt ist der Schlüssel. Vielleicht ist unsere Gesellschaft in 20 Jahren an diesem Punkt der Inklusion angelangt.»Annegret Kern, Co-Leiterin CYBATHLON
Open Data zu sozialen Machtbeziehungen
Dieses Forschungsteam entwickelt mit Hilfe von Computermodellen Theorien zur globalen Politik und zeigt auf, wie Nationalstaaten entstehen und sich auflösen. Professor Lars-Erik Cederman ist Politikwissenschaftler und seit 2003 Professor für Internationale Konfliktforschung an der ETH Zürich. Luc Girardin ist Computer- und Datenwissenschaftler mit einem Fuss in den Sozialwissenschaften. An der Schnittstelle ihrer Expertise haben sie öffentlich zugängliche Datenbanken entwickelt, um die Forschung über die Beteiligung ethnischer Gruppen an sozialen Konflikten zu unterstützen.
Ethnische Machtbeziehungen
Zusammen mit ihren Forschungspartner: innen auf der ganzen Welt haben Lars-Erik und Luc die Beziehung zwischen Ungleichheit und Konflikten erforscht. Sie haben globale Datensätze über ethnische Gruppen für den Zeitraum von 1946 bis 2021 zusammengestellt, aus denen sie Erkenntnisse über die Möglichkeiten zur Teilung der Regierungsmacht gewinnen. Ihre Untersuchungen zeigen, dass regionale Autonomie und die Beteiligung ethnischer Minderheiten an politischen Entscheidungen für einen dauerhaften Frieden unerlässlich sind. Ebenso wichtig ist eine ausgewogene Verteilung von Wohlstand und Basisdienstleistungen.
Open Data zu sozialen Konflikten
Die Datensammlungen, die Lars-Erik und Luc aufgebaut haben, sind öffentlich zugänglich und können von Politiker:innen, der Verwaltung, Wissenschaftler:innen und der breiten Öffentlichkeit genutzt werden (siehe: https://icr.ethz.ch/data/). Die GROWup-Plattform, die Teil der Sammlung ist, bietet eine Visualisierung von Siedlungsmustern politisch aktiver ethnischer Gruppen in der ganzen Welt von 1946 bis 2020. Sie zeigt Informationen über den Zugang ethnischer Gruppen zur Exekutivgewalt der Regierung, ihre Beteiligung an Bürgerkriegen, Verwaltungseinheiten und andere Variablen wie die physische Höhe oder die Bevölkerung und das Bruttoinlandsprodukt nach Gebieten. Ein weiterer Teil der Sammlung, die Ethnic Power Relation Dataset Family, liefert Daten über den Zugang ethnischer Gruppen zur Staatsmacht, ihre Siedlungsmuster, Verbindungen zu Rebellenorganisationen, grenzüberschreitende Verbindungen ethnischer Verwandtschaftsgruppen und innerethnische Spaltungen.
Zusammen mit Forschungspartner:innen aus Indien, einem der vielfältigsten Länder der Welt, haben Lars-Erik und Luc ihren datengestützten Ansatz auf der Makroebene mit Studien auf der Mikro- oder lokalen Ebene kombiniert. Sie haben festgestellt, dass die Wahrnehmung von Ungleichheit oft besser geeignet ist, soziale Spannungen zu erklären, als objektiv gemessene Ungleichheiten. Dies hilft Forschenden und lokalen Behörden zu verstehen, was die Wahrnehmung von Ungerechtigkeit nährt, die oft zu politischen Unruhen führt.
«Eines ist völlig klar: Ungleichheit führt zu Konflikten. Und wenn das der Fall ist, führt weniger Ungleichheit auch zu Frieden.»Prof. Dr. Lars-Erik Cederman, Vorsteher des Departements für Geistes-, Sozial- und Staatswissenschaften, ETH Zürich
Stadt und Land im Gleichgewicht
Sacha Menz ist Professor für Architektur und Bauprozess an der ETH Zürich und seit 2020 Direktor des Future Cities Laboratory (FCL G).
Seine Faszination für Städte entdeckte er als Kind auf einer Reise durch Italien. Die meisten Städte, die in der Renaissance und in den Achtzehnhundertjahren gebaut wurden, sind fantastische Beispiele für eine lebenswerte Stadtentwicklung. Sie setzen menschliche Dimensionen und öffentlich zugänglichen Raum um und bieten gleichzeitig wirtschaftliche Möglichkeiten.
Erforschung von Städten durch eine transdisziplinäre Linse
FCL G ist ein Forschungsprogramm, das sich auf die Untersuchung und Verbesserung von Städten und den sie umgebenden suburbanen und ländlichen Gebieten durch eine transdisziplinäre Sichtweise konzentriert. Die Arbeit von FCL G geht über die traditionellen akademischen Grenzen hinaus und fördert die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch zwischen Expert:innen aus verschiedenen Bereichen.
FCL G erforscht innovative Methoden und Techniken zur Bewältigung der komplexen Herausforderungen, mit denen die Städte konfrontiert sind. Es wird untersucht, wie verschiedene Disziplinen zur Lösung städtischer Probleme beitragen können, sei es durch wissenschaftliche Analysen, kreative Designkonzepte, effiziente technische Verfahren oder wirksame Verwaltungsstrategien.
Förderung der Interdependenzen zwischen ländlichen und städtischen Gebieten
FCL G sensibilisiert die Öffentlichkeit für die Herausforderungen und Chancen des modernen Städtebaus und fördert die Kommunikation zwischen Forschenden, Interessensgruppen und Bürger:innen. Da die städtischen Gebiete weiter wachsen, gibt es ein zunehmendes Ungleichgewicht bei den Ressourcen, Möglichkeiten und Dienstleistungen zwischen den Städten und ihren umliegenden Regionen. Städte ziehen oft mehr Investitionen, Infrastrukturentwicklung und Beschäftigungsmöglichkeiten an, was zu einem Ungleichgewicht bei Wirtschaftswachstum und Beschäftigungsaussichten führt. Dieses Ungleichgewicht führt zu einem Kreislauf, in dem Menschen aus Vororten oder ländlichen Gebieten auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen in die Städte strömen, was zu einer höheren Bevölkerungsdichte und einer stärkeren Belastung der städtischen Infrastruktur führt.
Sacha Menz wünscht sich, dass die Menschen mehr regional als global denken und handeln. Ungleiche Abhängigkeiten zwischen ländlichen Gebieten und Städten nehmen zu. Wir brauchen mehr Verflechtungen.
«Chancengleichheit sollte durch eine gross angelegte Wissensverbreitung geschaffen werden. Das fängt in jedem Haushalt an, bei der Erziehung der Kinder, und muss sich bis in die Schulen und Universitäten ausbreiten.»Direktor des Future Cities Laboratory (FCL G); ETH Zürich
Mit vertikalen Farmen das System aufbrechen
Mark E. Zahran, ein Schweizer Architekt, entwickelte während seines Studiums in Mexiko ein tiefes Interesse für das Konzept der vertikalen Landwirtschaft in städtischen Umgebungen. Diese Faszination wurde durch die Lektüre des Buches «The Vertical Farm: Feeding the World in the 21st Century» von Dickson Despommier gezündet. Marks Begeisterung für die Idee wuchs exponentiell, so dass er den Autor bald darauf persönlich traf. Im Jahr 2019 wurde sein Startup YASAI mit dem ETH-Spin- Off-Label ausgezeichnet.
Vertical Farming
YASAI baute in Niederhasli, Zürich, die grösste Vertical Farm der Schweiz, um diese neue, effizientere Art des Pflanzenanbaus zu präsentieren. Sie wird Vertical Farming genannt, weil YASAI ihre Erträge in bis zu sechs Schichten übereinander stapelt, wie in einem Lagerhaus.
Diese Art der Lebensmittelproduktion ist nachhaltiger, weil sie kostbaren Platz spart und bis zu 200-mal mehr Ertrag pro Quadratmeter produzieren kann. Durch zirkuläre Systeme verbrauchen sie 95 Prozent weniger Süsswasser als die traditionelle Landwirtschaft. Es müssen auch keine chemischen Pestizide eingesetzt werden, da ihre Pflanzen in einer sicheren und kontrollierten Umgebung wachsen.
YASAI möchte das derzeitige Lebensmittelsystem aufbrechen, indem es nachhaltiger und widerstandsfähiger wird. Normalerweise werden acht Monate im Jahr frische Kräuter in die Schweiz importiert. Da YASAI das ganze Jahr über Kräuter vor Ort anbaut, können sie die dadurch verursachten Lebensmittelmeilen und Lebensmittelabfälle vermeiden.
Bewusste Entscheidungen bei der Lebensmittelauswahl
YASAI zielt darauf ab, Menschen und Pflanzen zu verbinden. Vertikale Farmen werden ein fester Bestandteil städtischer Umgebungen sein und als Infrastrukturen in Grossstädten auf der ganzen Welt integriert werden. Sie schaffen widerstandsfähigere und autarke Lebensräume, in denen sowohl Menschen als auch andere Arten gedeihen können.
Die Entscheidungen, die wir in Bezug auf unseren Konsum treffen, haben erhebliche Auswirkungen sowohl auf unsere Gesellschaft als auch auf die Gesundheit unseres Planeten. Es wird immer deutlicher, dass eine gesunde Ernährung nicht nur unserem persönlichen Wohlbefinden dient, sondern auch zu einem insgesamt gesünderen Planeten beiträgt. Durch einen gesunden und ausgewogenen Lebensstil kann jeder aktiv zu einem positiven Wandel beitragen.
Auch wenn die Technologie bei der Förderung eines nachhaltigeren Lebensmittelsystems eine Rolle spielt, ist es wichtig, dass die Verbraucher: innen ihre eigene Verantwortung erkennen, um wirklich etwas zu bewirken. Indem wir bewusste Entscheidungen über die von uns gekauften Lebensmittel treffen, können wir gemeinsam etwas bewirken.
«Gehen wir in die Vertikale und bauen wir mehr mit weniger an!»Mark E. Zahran, Co-CEO von YASAI
Kreislaufwirtschaft im Bauwesen
Prof. Dr. Catherine De Wolf hat einen multidisziplinären Hintergrund in Bauingenieurwesen und Architektur. Seit sie ein kleines Mädchen war, spielte sie gerne mit Legosteinen. Sie baute etwas, baute es wieder ab und baute dann etwas Neues mit denselben Bausteinen. Dies weckte ihr Interesse an den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft in der Architektur und an Technologien, die die Wiederverwendung und Regeneration im Bauwesen fördern können.
Catherine De Wolf war schon immer fasziniert von dem Kontrast zwischen der rationalen Seite des Ingenieurwesens und der Mathematik und der kreativen Seite der Architektur. Sie beschloss, beides zu verbinden. Angesichts der aufkommenden digitalen Innovation ist sie davon überzeugt, dass die Technologien zum Guten genutzt werden können.
Überwindung der Linearität des Bausektors
Der Bausektor verschmutzt die Umwelt, erzeugt Abfälle und erschöpft die Ressourcen. In der Schweiz stammen mehr als 65 Prozent aller Abfälle aus dem Bau- und Abbruchsektor. Warum ist das so? Der Sektor baut traditionell linear: Er gewinnt, produziert, nutzt und entsorgt Gebäude und Baumaterialien am Ende seines Lebenszyklus.
Was wir brauchen, ist eine Kreislaufwirtschaft, in der wir unsere Gebäude so lange wie möglich nutzen und dann unsere Baumaterialien und Komponenten wiederverwenden und ihnen ein neues Leben geben, anstatt sie zu «downcyceln» oder zu deponieren.
Catherine sah es als ihre Berufung an, dafür zu sorgen, dass weniger Material verschwendet wird, und so gründete sie das Circular Engineering for Architecture (CEA) Lab. In ihrer Forschung untersucht sie die digitale Transformation, um das zirkuläre Bauen effizienter zu machen.
Mithilfe digitaler Tools und Technologien ermöglicht Catherine eine umfassende Zusammenarbeit und den Austausch von Wissen und verbessert die Sicherheit, indem sie Gefahren vor Baubeginn identifiziert und beseitigt. Durch die Einführung dieser digitalen und zirkulären Ansätze können Städte für ihre Bewohner:innen integrativer, sicherer, widerstandsfähiger und nachhaltiger werden. Darüber hinaus trägt der offensichtliche Umweltnutzen des zirkulären Bauens dazu bei, unsere Klimakrise zu bewältigen.
Kreislaufwirtschaft als Lösung
Catherine De Wolf hofft, dass die Grundsätze des zirkulären Bauens in den eigenen Einflussbereich aufgenommen werden können. Ob Sie nun Architekt:in, Ingenieur:in, Bauunternehmer:in, politische:r Entscheidungsträger:in oder einfach nur ein an nachhaltigem Leben interessierter Mensch sind, Sie können etwas tun, um zur Kreislaufbau-Bewegung beizutragen. Informieren Sie sich über Strategien des Kreislaufbaus, fördern Sie die Optimierung von Ressourcen und die Reduzierung von Abfällen bei Bauprojekten und setzen Sie sich für die Einführung digitaler Technologien ein, die den Kreislaufgedanken ermöglichen.
«Meine Vision für eine nachhaltige Zukunft ist ein regenerativer Bausektor. Die Zusammenarbeit zwischen den Akteur:innen ist von entscheidender Bedeutung, um Silos aufzubrechen und Partnerschaften zu fördern, um nachhaltige Praktiken während des gesamten Lebenszyklus des Bauwerks zu gewährleisten.»Prof. Dr. Catherine De Wolf, Leiterin des Circular Engineering for Architecture (CEA) Lab , ETH Zürich
Die illegalen Märkte im Visier
Rechtswidrige Wirtschaftspraktiken, versteckte Wertschöpfungsketten: Mit diesen undurchsichtigen Geschäften befasst sich Dr. Joschka J. Proksik in seiner Forschung. Joschkas Interesse an illegalen Wirtschaftsformen wurde während einer Studienreise in den Kosovo im Jahr 2009 geweckt. Dabei wurde deutlich, dass die Präsenz illegaler wirtschaftlicher Aktivitäten, einschliesslich der organisierten Kriminalität, weitreichende Auswirkungen auf Frieden, Entwicklung, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und lokale Politik hat. Diese Erfahrung erweiterte seine Sichtweise auf die Funktionsweise illegaler Wirtschaftsaktivitäten. Er erkannte, dass es sich dabei nicht nur um eine Reihe illegaler Aktivitäten handelt, sondern um ein komplexes Phänomen mit tiefgreifenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen.
In Regionen, in denen die illegale Wirtschaft floriert, verschwimmen oft die Grenzen zwischen Legalem und Illegalem. Die Bewältigung dieses Phänomens ist nicht nur eine technische Herausforderung für die Strafverfolgungsbehörden, sondern ist eng mit der politischen Dynamik verwoben.
Die Unterbindung illegaler Finanzströme zugunsten der Finanzierung globaler Ziele
Joschkas aktuelle Forschungsarbeit befasst sich speziell mit informellen und illegalen Wirtschaftspraktiken im Zusammenhang mit der Gewinnung natürlicher Ressourcen in Entwicklungsländern und wie diese mit den globalen Handelszentren verbunden sind. Die steigende Nachfrage nach wertvollen Mineralien wie Gold verleitet viele arme Menschen dazu, ihren Lebensunterhalt im informellen Bergbau zu verdienen. Die meisten informellen Bergleute arbeiten jedoch ausserhalb der Legalität und ohne Aufsicht. Obwohl der informelle Bergbau das Potenzial hat, die Armut zu lindern und die lokale Entwicklung zu fördern, führt er daher häufig zu negativen Auswirkungen auf die gesamte Bevölkerung, zum Beispiel zu einer schlechten öffentlichen Gesundheit und einer massiven Umweltzerstörung. In einigen der schlimmsten Fälle sind solche Tätigkeiten auch mit Zwangs- und Kinderarbeit, sexuellem und Drogenmissbrauch sowie der Finanzierung von kriminellen und bewaffneten Gruppen verbunden.
Auch auf nationaler Ebene gibt es negative Auswirkungen. Viele Förderländer erleiden finanzielle Einbussen, weil sie keine Steuern auf illegal gehandelte und über die Grenzen geschmuggelte Ressourcen erheben können. Durch diese Einnahmeverluste entgehen den Regierungen dringend benötigte Einnahmen für den Bau von Infrastrukturen, die Finanzierung von Bildungs- und Gesundheitsdiensten und generell für die Finanzierung der Bemühungen um die Verwirklichung der SDGs.
Letztendlich wird die Fähigkeit, die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem informellen Bergbau und dem illegalen Handel zu bewältigen, das Potenzial der Länder beeinflussen, Menschen aus der Armut zu befreien und nachhaltige Lebensgrundlagen zu ermöglichen. Die Auswirkungen sind auch global: Umweltbelastungen wie Quecksilberverschmutzung und Entwaldung tragen neben anderen weitreichenden Folgen zum Klimawandel und zum Verlust der biologischen Vielfalt bei.
Joschka plant ferner, die Auswirkungen des Übergangs zu grüner Energie» und der damit verbundenen Nachfrage nach kritischen Mineralien wie Lithium auf die Regionen zu untersuchen, die diese fördern.
Gold verantwortungsvoll nutzen!
Auf der Grundlage seiner Forschungsergebnisse fordert Joschka die Konsument:innen auf, auf die Herkunft der in Elektronik und Schmuck verwendeten Mineralien zu achten. Je mehr wir alle unsere Besorgnis zeigen und uns über die Produktionsbedingungen erkundigen, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Hersteller und Händler verantwortungsvollere Beschaffungspraktiken anwenden werden. Die Etablierung globaler Nachhaltigkeitsstandards und verantwortungsvoller Lieferketten erfordert jedoch internationale Zusammenarbeit und faire wirtschaftliche Austauschbeziehungen.
«Um eine nachhaltige Zukunft zu erreichen, ist es von entscheidender Bedeutung, die derzeitigen geopolitischen Konflikte und Rivalitäten zwischen Grossmächten zu überwinden. Diese Konflikte behindern eine effektive internationale Zusammenarbeit und verhindern Fortschritte auf dem Weg zu einer gerechteren Weltordnung. Dies erfordert Mut und verantwortungsvolle politische Führung im globalen Norden und Süden.»Joschka J. Proksik, Postdoc in Entwicklungsökonomie an der ETH Zürich
Ein sinnliches und verblüffendes Geschmackserlebnis
Das ETH-Spin-off Tastelab ist seit 2015 aktiv und wurde von der Astrophysikerin Sue Tobler und dem Informatiker Remo Gisi gegründet. Sie kombinierten ihre drei grossen Leidenschaften: Essen, Wissenschaft und das Umsetzen von Ideen. Als kulinarische Visionäre und experimentelle Wissenschaftler:innen gilt das Tastelab-Team als führender Schöpfer von sinnlichen und zum Nachdenken anregenden Erlebnissen rund um Essen, Wissenschaft und Nachhaltigkeit. Bei dieser Liebesgeschichte zwischen Kochen und Wissenschaft geht es um die Zukunft des Essens.
Die Leidenschaft fürs Kochen hat Sue von ihrer Mutter geerbt. Ihren ersten bezahlten Catering-Job hatte sie im Alter von 11 Jahren, während eines Skiurlaubs. Remo teilt mit ihr die Leidenschaft für die Organisation von Veranstaltungen rund um das Thema Essen und die Begeisterung dafür, Menschen zusammenzubringen, um aussergewöhnlich schmackhafte, nachhaltige und hochwertige Lebensmittel zu geniessen.
Von der Physik zur Nahrung
«Alles im Leben geschieht aus einem bestimmten Grund. Und dieser Grund ist meistens die Physik.»
Sue und Remo sind davon überzeugt, dass man ein besserer Koch und Restaurantunternehmerin wird, wenn man den Kochprozess gut versteht, den gesamten Lebenszyklus von Lebensmitteln vom Bauernhof bis zum Tisch nachvollziehen kann und mit einem analytisch geschulten Verstand an das kulinarische Handwerk herangeht. Sie schlüsseln wissenschaftliche Ergebnisse auf, um sie in überzeugende Geschichten über Lebensmittelproduktion und -verarbeitung, Kochen und Catering zu verwandeln.
Für das Tastelab-Team hat jedes Lebensmittel eine Geschichte, und Essen ist ein Erlebnis. Ihre Veranstaltungen schärfen das Bewusstsein dafür und schaffen Erinnerungen für ihre Gäste. Der Geschmack, den wir durch Mund und Nase wahrnehmen, ist nur ein kleiner Teil dessen, was wirklich im Gehirn passiert, wenn wir essen. Unser Geschmackssinn entsteht hauptsächlich in unserem Gehirn, und 80 Prozent davon sind bereits festgelegt, wenn das Essen in den Mund gelangt. Nach der Analyse von Sue und Remo bedeutet dies, dass die grösste Hürde auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Lebensmittelkonsum und einer nachhaltigeren Lebensmittelproduktion in der Tat psychologischer Natur ist.
Eines ihrer Projekte konzentriert sich darauf, den Fussabdruck von Lebensmitteln während ihres gesamten Lebenszyklus so klein wie möglich zu halten. Seit 2019 kochen sie ausschliesslich mit pflanzlichen Zutaten, weil sie überzeugt sind, dass dies eines der grössten Hebel für eine nachhaltigere Küche ist. Tastelab arbeitet mit zwei weiteren ETH-Spinoffs zusammen: Planted und ein weiteres Start-up-Unternehmen, das an einem Garnelenersatz auf der Basis von Mikroalgen arbeitet. Essen ist Tradition und ein Teil unserer Identität. Tastelab und seine Mitarbeitenden zeigen mit ihrem Beispiel, wie genussvoll und facettenreich pflanzliches Essen sein kann.
Die Zukunft ist pflanzenbasiert
Um Lebensmittel verantwortungsvoller zu konsumieren und zu produzieren, ist es wichtig, weniger Ressourcen zu verbrauchen. Das bedeutet in der Regel, sich pflanzlichen Lebensmitteln zuzuwenden. Um die Botschaft zu verbreiten, was mit Pflanzen alles machbar ist, wendet sich Tastelab an traditionelle französische Restaurants in Zürich und lädt sie ein, ihre vegane Gänseleber zu verwenden, die hauptsächlich aus Cashewnüssen und Pinienkernen hergestellt wird. Remos Vision für das zukünftige Lebensmittelsystem basiert auf globalem Bewusstsein, aber lokalem Fortschritt. Es ist eine Zukunft, in der wir uns besser, gesünder und hochwertiger ernähren und gleichzeitig weniger ökologische und soziale Schäden in den Teilen der Welt verursachen, in denen unsere Lebensmittel produziert werden.
«Konsumieren Sie bewusster und überdenken Sie Ihre Stereotypen in Bezug auf Lebensmittel. Seien Sie offen, um die Vielfalt pflanzlicher Lebensmittel zu geniessen.»Remo Gisi, Mitbegründer von Tastelab
Was kann eine Kuh essen, damit Sie weniger Treibhausgase ausstösst?
Die Leidenschaft von Professor Mutian Niu für die Tiergesundheit spiegelt sich in seinem Namen wider: «Niu» oder 牛 bedeutet im Chinesischen «Vieh», und «Mutian» oder 牧田 bedeutet «auf der Weide grasen». Geboren und aufgewachsen in China, wo er Tierwissenschaften studierte, setzte er sein Studium in den Vereinigten Staaten fort, wo sein Forschungsschwerpunkt, wie auch heute, das Milchvieh war. Im Jahr 2021 kam er als Assistenzprofessor für Tierernährung an die ETH Zürich.
Kuh auf Diät
Wiederkäuer sind weltweit die hauptsächliche Quelle für Fleisch und Milchprodukte. Sie erfüllen auch eine wichtige Funktion bei der Umwandlung von Nährstoffen: Rinder, Schafe und Ziegen können Pflanzen, die der Mensch nicht essen kann, zu wertvollen Nahrungsmitteln verdauen. Bei der Verdauung von Gras und anderen Pflanzenmaterialien wird jedoch Methan als Nebenprodukt freigesetzt – ein starkes Treibhausgas.
Das wirft die Frage auf, was eine Kuh fressen könnte, um weniger Methan zu produzieren. Nius Forschungsgruppe befasst sich mit dieser Frage, indem sie sich sowohl auf die Art des Futters und die Ernährungsphysiologie der Tiere als auch auf die Verbesserung der Nachhaltigkeit und Effizienz in der Viehwirtschaft konzentriert. Sie entwickeln Ernährungsstrategien für Kühe, Ziegen, Schafe und andere Tiere, die für die Milch- und Fleischproduktion genutzt werden, mit dem Ziel, die Nährstoffverwertung der Tiere zu verbessern und gleichzeitig die umweltschädlichen Methanund Lachgasemissionen zu verringern.
Ihre Arbeit deutet darauf hin, dass die Methanemissionen mit nur einem kleinen Futtermittelzusatz um etwa 30 Prozent reduziert werden können. Auch durch eine Änderung der Zusammensetzung des Tierfutters, das aus den ohnehin verfütterten Körnern wie Gräsern und Hülsenfrüchten hergestellt wird, lassen sich erhebliche Verbesserungen erzielen.
Tierschutz in einem sich ändernden Klima
Niu und sein Team planen, ihre Arbeit über die Verringerung der Umweltauswirkungen von Wiederkäuern hinaus auszuweiten, indem sie die Frage umdrehen und untersuchen, wie sich der Klimawandel auf die Tiere auswirkt. So sind Kühe beispielsweise sehr hitzeempfindlich, was ihre Immunabwehr beeinträchtigt und zu Entzündungen führt. Hitzewellen können sich auch auf das Wohlergehen der Tiere auswirken, indem sie ihr Verhalten sowie die Produktion und Qualität ihres Futters verändern.
Auf der Suche nach Ernährungslösungen, die diesen Veränderungen entgegenwirken, arbeitet Nius Team mit Forschungsgruppen an der ETH Zürich und in anderen Ländern zusammen. Einer ihrer Ansätze besteht darin, die Technologie der Präzisionslandwirtschaft und Computer-Vision- Tools zu nutzen, zum Beispiel mit Methoden der künstlichen Intelligenz, um die Überwachung der Tiere zu verbessern. In einem gemeinsamen Projekt mit der ETHZ-Gruppe für analytische Chemie entwickeln die Tierernährungsforscher neue Möglichkeiten, den Gesundheitszustand der Tiere mit nicht-invasiven Methoden über den Atem zu überprüfen.
«Erstens: Wiederkäuer sind wichtig. Zweitens: Glaubt an die Wissenschaft!»Prof. Dr. Mutian Niu, Leiter der Animal Nutrition Group, ETH Zürich
Vorbereitung auf Verluste durch die Klimakrise
Dr. Chahan Kropf, Dr. Lukas Riedel and Emanuel Schmid are leading the development of CLIMADA, a state-of-the-art model designed to estimate the economic impacts of climate change. Two of them, Chahan and Lukas, are physicists by training, and have studied in Switzerland, Germany, and Italy. They share a deep love and respect for the environment that was nurtured since childhood. Their fascination with climate risk emerged during their research, teaching, and public engagement on the topic.
CLIMADA
CLIMADA ist eine Open-Source-Software, die hochentwickelte probabilistische Modelle verwendet, um die Auswirkungen extremer Wetterereignisse in einem sich verändernden Klima abzuschätzen. Zunächst werden die zu erwartenden Verluste unter Berücksichtigung des heutigen Risikos berechnet, dann wird abgeschätzt, wie hoch der zu erwartende Schaden ist, wenn neben dem Klimawandel auch sozioökonomische Veränderungen berücksichtigt werden, und schließlich, wie hoch das Risiko durch verschiedene Anpassungsmaßnahmen verringert werden kann. Das Team hat die Software so entwickelt, dass sie zur Abschätzung der Auswirkungen von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, tropischen Wirbelstürmen oder Hitzewellen verwendet werden kann. Ihr Modell berücksichtigt alle Dimensionen der sozioökonomischen Auswirkungen - von Schäden an Häusern, Ackerland, Kraftwerken und Bahnlinien über die Auswirkungen auf Leben, Lebensunterhalt und Migration bis hin zur Störung von Ökosystemen wie Wäldern, Korallenriffen und der alpinen Fauna.
Ziel von CLIMADA ist es, Politiker:innen, humanitären Organisationen, Unternehmen und anderen Entscheidungsträger:innen ein solides, wissenschaftlich fundiertes Instrument an die Hand zu geben, um Entscheidungen zur Anpassung an die globale Erwärmung zu treffen.
Wie man sich an die Klimakrise anpasst
Die globale Erwärmung ist die eigentliche Bedrohung, die bereits jetzt tiefgreifende Auswirkungen auf das gesamte Leben auf der Erde hat. Selbst die technologisch fortgeschrittenen Gesellschaften von heute sind auf ein stabiles Klima angewiesen, sind anfällig für häufigere und intensivere Naturkatastrophen und müssen selbst bei den optimistischsten Klimaszenarien ein hohes Risiko in Kauf nehmen. Die Notwendigkeit, sich an den Klimawandel anzupassen, ist nicht mehr verhandelbar, und das bedeutet, dass jede Verzögerung bei den Anpassungsbemühungen die Kosten und das Leid für die Gesellschaft erhöhen wird. Aber auch die Anpassung hat ihre Grenzen, so dass eine drastische Reduzierung der Kohlendioxidemissionen unerlässlich ist.
Mit Blick auf die Zukunft planen die Softwareentwickler, die Wirkung von CLIMADA zu verstärken, indem sie seine Fähigkeit zur gleichzeitigen Vorhersage des Risikos durch verschiedene Gefahren erhöhen. Außerdem wollen sie Methoden entwickeln, die die langfristigen Auswirkungen von Naturgefahren auf globale Ökosysteme in einem sich verändernden Klima erfassen, einschließlich der Auswirkungen auf die Bereitstellung von Dienstleistungen wie sauberes Trinkwasser oder Erosionsschutz. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung eines Modellierungsrahmens ähnlich einer meteorologischen Vorhersage zur Unterstützung der humanitären Arbeit.
Das CLIMADA-Team möchte Ihnen einen Rat geben: Wenn Sie Ihre Zukunft planen - z. B. den Kauf eines Hauses -, sollten Sie nicht davon ausgehen, dass die Vergangenheit ein guter Ratgeber ist, sondern die potenziellen Risiken durch noch nie dagewesene Naturgefahren wie schwere Überschwemmungen, heftige Hagelstürme, Erdrutsche oder Dürren im Auge behalten.
«Ökologische Nachhaltigkeit ist nur in Verbindung mit einer nachhaltigen und gerechten Gesellschaft erreichbar. Dies scheint derzeit nicht möglich zu sein.»Dr. Chahan Kropf, CLIMADA, ETH Zürich
Auf der Suche nach Verbindungen von fernen Gletschern zum täglichen Leben
Professor Daniel Farinottis Faszination für hochalpine und polare Regionen wird durch seine Liebe zur Natur, zum Abenteuer und zur Wissenschaft angetrieben. Nach seiner Ausbildung zum Umweltingenieur an der ETH Zürich vertiefte er sich während seines Nachdiplomstudiums in die Gletscherforschung und Glaziologie.
Was macht ein Gletscherexperte?
Heute leitet Daniel eine Forschungsgruppe mit vier Hauptarbeitsbereichen. Bei der Forschung zu den großräumigen Auswirkungen geht es um die Frage, wie Gletscher wachsen und schrumpfen und wie sich diese Prozesse auf Umweltfragen wie Wasserressourcen, den Anstieg des Meeresspiegels oder die biologische Vielfalt auswirken. Der zweite Bereich ist die Grundlagenforschung in der Glaziologie, die darauf abzielt, Gletscher bis ins kleinste Detail zu verstehen: wie sie sich bewegen, wie das Wasser in und unter ihnen fliesst, oder wie sie die Sedimente, auf denen sie ruhen, erodieren. Der dritte Bereich konzentriert sich auf die Überwachung. Die Gruppe beobachtet und verfolgt, wie sich die Gletscher verändern, und arbeitet mit Partner:innen der Universitäten Zürich und Freiburg zusammen, um die Schweizer Gletscher zu überwachen. Im vierten Bereich, der Auftragsforschung, bearbeitet die Gruppe Fragen, die ihr von öffentlichen und privaten Stellen gestellt werden. Diese Fragen können sich auf alles beziehen, von der zukünftigen Wasserverfügbarkeit in einem Einzugsgebiet, das für die Wasserkraftnutzung genutzt wird, bis hin zu den Gefahren, die von einem bestimmten Gletscher oder Gletschersee ausgehen.
Daniels Ziel ist es, zur Lösung von Problemen im Zusammenhang mit Gletschern beizutragen, die Auswirkungen auf die Gesellschaft haben - sei es in Bezug auf die Sicherheit der Wasserversorgung, die Bewältigung von Gefahren oder langfristige Veränderungen in wichtigen natürlichen Systemen wie Wassereinzugsgebieten.
Die Verfügbarkeit von Wasser ist für jede Gesellschaft entscheidend, ebenso wie das Bedürfnis nach Sicherheit. Beide sind von Gletschern betroffen. Der Anstieg des Meeresspiegels hat globale Auswirkungen: Mehr als 200 Millionen Menschen leben weniger als 1 Meter über dem Meeresspiegel. Stellen Sie sich vor, vor welchen Herausforderungen die Gesellschaft stünde, wenn alle diese Menschen umziehen müssten und die gesamte von ihnen genutzte Infrastruktur neu aufgebaut werden müsste. Nach den neuesten Prognosen ist ein Anstieg des Meeresspiegels um 1 Meter bis zum Jahr 2100 nicht unwahrscheinlich.
Lasst uns auf unseren Planeten Erde achtgeben
Unser Planet ist ein komplexes und vernetztes System. Auch wenn wir nicht täglich mit Schnee, Eis und Gletschern in Berührung kommen, haben Veränderungen in diesen Elementen Auswirkungen auf das natürliche System und damit auf unsere Gesellschaft weltweit.
Der Planet Erde ist unser Zuhause, ein unglaublich schöner und doch unvorstellbar kleiner Ort im Universum - und wir haben kein zweites Zuhause. Klimawandel, Verlust der biologischen Vielfalt, Raubbau an den Ressourcen und Umweltverschmutzung stellen uns vor nie dagewesene Herausforderungen. Daniel ist nach wie vor zuversichtlich, dass wir als Gesellschaft irgendwann einen Weg finden werden, nachhaltig zu leben und die Ressourcen in dem Masse zu nutzen, in dem sie auf natürliche Weise ersetzt werden - auch wenn wir heute weiter von diesem Ziel entfernt sind als je zuvor.
«Wir alle sollte dazu beitragen, unseren Planeten zu erhalten. Er ist zu wertvoll, um aufgegeben zu werden.»Prof. Dr. Daniel Farinotti, Professur für Glaziologie an der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW), ETH Zürich
Die finanziellen Hindernisse für den Klimaschutz
Bevor er als Professor für Klimafinanzierung und -politik an die ETH Zürich kam, arbeitete Professor Bjarne Steffen als Ökonom in der Unternehmensberatung und beim Weltwirtschaftsforum mit den Schwerpunkten Energie und saubere Verkehrsinfrastruktur.
Klimafinanzierung und -politik
Durch seine Arbeit in der Industrie erhielt Bjarne Steffen tiefe Einblicke in die Art und Weise, wie Energieversorgungsunternehmen auf kohlenstoffarme Technologien wie erneuerbare Energien umsteigen (oder auch nicht) und wie neue "grüne" Energieunternehmen um ihren Markteintritt kämpfen. Die Eindämmung des Klimawandels erfordert massive Investitionen in neue Technologien und günstige Bedingungen, damit sich diese Investitionen auszahlen. Derzeit sind diese Investitionen jedoch weit von dem entfernt, was nötig wäre, und insbesondere in den Entwicklungsländern, die dringend in Klimaschutz und Anpassung investieren müssen, gibt es grosse Lücken.
Auf dem Weg zu Netto-Null
In Zusammenarbeit mit seiner Forschungsgruppe für Klimafinanzierung und -politik untersucht Bjarne nun, wie die öffentliche Politik den Übergang zu neuen und sauberen Technologien zur Eindämmung des Klimawandels beeinflusst. Dabei geht es beispielsweise um die Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien, von Verbrennungsmotoren auf Elektroautos oder die Entwicklung von Technologien mit negativen Emissionen. Die Forschenden konzentrieren sich auf die Rolle des Finanzsektors bei der Umstellung - etwa auf Entscheidungen von Banken oder Pensionsfonds oder auf die Auswirkungen verschiedener finanzpolitischer Massnahmen.
Bjarne und sein Team stellen im Rahmen dieser Arbeit eine Reihe von Fragen. Wie unterscheiden sich die Technologien hinsichtlich der Art der Finanzierung, die sie erfordern? Wie entscheiden die Finanzinstitute zwischen den Technologien? Wie beeinflusst die öffentliche Politik die Verfügbarkeit und die Kosten von Kapital für neue Technologien? Auf der Grundlage der Erkenntnisse über diese Fragen beraten sie die politischen Entscheidungsträger:innen, wie sie Finanzmittel für den Klimaschutz mobilisieren können.
"Wir haben die Technologien, jetzt brauchen wir die Politik, um Finanzmittel in grossem Umfang zu mobilisieren"
Um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen und Fortschritte bei den SDGs zu erzielen, müssen die Investitionen in saubere Energietechnologien schnell und massiv steigen. Bjarnes Untersuchung zeigt, dass dies in Europa einen sofortigen Anstieg der Investitionen um 40 % bedeutet. Im globalen Süden ist die Investitionslücke sogar noch grösser. Seine Analyse zeigt, dass die Energiewende oft nicht durch technologische Herausforderungen behindert wird, sondern durch das Fehlen institutioneller Strukturen - insbesondere der öffentlichen Politik -, die Investitionen in Sektoren mobilisieren und kanalisieren können, die ein enormes Potenzial haben, den Wandel zur Nachhaltigkeit voranzutreiben.
«Dank der phänomenalen Fortschritte bei der Photovoltaik und den Batterien verfügen wir über die Technologien, um im nächsten Jahrzehnt Hunderten von Millionen Menschen Zugang zu sauberer Energie zu verschaffen. Die Herausforderung besteht darin, Finanzmittel in grossem Umfang zu mobilisieren. Wirksame öffentliche Massnahmen sind der Schlüssel dazu.»Prof. Dr. Bjarne Steffen, Assistenzprofessor für Klimafinanzierung und -politik, ETH Zürich
Der Schutz unserer Ozeane
Professorin Núria Casacuberta Arola ist in Barcelona, Spanien, geboren und am Meer aufgewachsen. Ihre Leidenschaft für das Meer wurde geweckt, als sie die Gelegenheit hatte, an einer Forschungsexpedition in den Pazifik teilzunehmen, um die Auswirkungen der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 zu untersuchen. Als Teil eines wissenschaftlichen Teams, das die Freisetzung von radioaktivem Material in den Pazifischen Ozean überwachen sollte, brachte Núria ihr Fachwissen in den Umweltwissenschaften ein und half, die Auswirkungen auf den Ozean zu untersuchen.
Núria glaubt an die Macht des Sammelns von Daten und deren Nutzung, um die Dynamik des Ozeans zu verstehen. Das Besondere an ihrem Forschungsansatz ist die Verwendung von radioaktiven Atomen, die bei industriellen Prozessen in den Ozean gelangen. Die Dosis der radioaktiven Verseuchung, die Núria verwendet, ist weder für Tiere noch für Menschen gefährlich, aber wenn sie in ausreichender Menge freigesetzt wird, kann sie Tausende von Kilometern von der Quellregion entfernt nachgewiesen werden.
Núrias Arbeit trägt auch zum Verständnis der Rolle bei, die die Ozeane bei der Regulierung des globalen Klimas spielen.
Wie Wasser reist
Ein Teil der Forschung konzentriert sich auf die Feststellung, wie sich der Ozean bewegt; welche Wege die Wassermassen nehmen und wie lange sie durch die Ozeanbecken wandern. Durch das Verständnis der Wege und Zirkulationszeiten können Núria und ihr Team die Kapazität verschiedener Wassermassen zur Speicherung von Substanzen wie Treibhausgasen abschätzen.
Die Rolle der Ozeane bei der Milderung des Klimawandels
Núria möchte die Tracer-Ozeanografie in den Vordergrund der Ozeanforschung rücken und aufzeigen, wie sehr sich die Ozeane im Zuge der globalen Klimaveränderung verändern. Sie hofft, dass sich die Gesellschaft stärker bewusst wird, wie wichtig die Ozeane für die Regulierung des Klimas auf der Erde sind und wie entscheidend es ist, dass sie für unsere Zukunft gut funktionieren, auch für Menschen in Binnenländern wie der Schweiz.
«Die Ozeane spielen eine entscheidende Rolle bei der Regulierung unseres Klimas. Wenn wir die Dynamik des Ozeans verstehen, gewinnen wir auch Erkenntnisse über seinen Zusammenhang mit dem Klimawandel.»Prof. Dr. Núria Casacuberta Arola, Assistenzprofessorin am Departement für Umweltsystemwissenschaften der ETH Zürich
Softroboter nach dem Vorbild der Natur
Als ausgebildeter Maschinenbauingenieur ist Professor Robert Katzschmann von der Robotik fasziniert. Er fragte sich, warum die meisten Roboter nicht so gebaut sind, dass sie die Flexibilität der Natur nachahmen, und machte sich daran, weiche Roboter aus flexiblen Materialien zu entwickeln.
Weiche Roboterfische
Robert begann mit der Erforschung der Unterwasserrobotik, wobei er sich von der natürlichen Weichheit vieler Wasserlebewesen wie Kraken und Fischen leiten und sich von deren Fähigkeit inspirieren liess, verformbare Strukturen zu schaffen, die sich immer wieder neu formen lassen.
Sein Team hat einen weichen Roboterfisch entwickelt, der die Bewegung eines echten Fisches durch eine zyklische, wellenförmige Bewegung nachahmt. Dieses Verhalten macht den Roboterfisch weniger einschüchternd als die meisten Unterwasserfahrzeuge, die auf Systeme wie Propeller oder Düsen angewiesen sind, die das empfindliche Gleichgewicht der Unterwasser-Ökosysteme stören können.
Robert nutzt die Biomimikrie - die Praxis des Lernens und der Anpassung von Mustern aus der Natur -, um das Meeresleben zu verstehen und bessere Kenntnisse über Unterwasserarten und ihr Verhalten zu erlangen. Er entwickelt eine anpassbare Plattform für Biolog:innen, die sich mit der Erforschung und Nachahmung von Fischarten befassen. Er arbeitet auch an langfristigen Umweltüberwachungsanwendungen, bei denen Roboter mit eDNA-Filtern ausgestattet werden, um Daten über Fischarten und ihre Lebensräume zu sammeln. Mit Hilfe dieser Daten können Fische in Echtzeit identifiziert und verfolgt werden.
Den Roboter neu denken
Robert ist davon überzeugt, dass wir das Design und den Zweck von Robotern überdenken sollten, und stellt sich eine Zukunft vor, in der sie so gestaltet sind, dass sie sich in unsere natürliche Umgebung einfügen und sich für Wohn- und Arbeitsbereiche eignen. Durch die Verwendung nachhaltiger und biologisch abbaubarer Materialien können Roboter mit minimalen Auswirkungen auf die Umwelt hergestellt werden.
Ein Gadget wie ein Roboterfisch kann auch die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit auf sich ziehen. Robert ist optimistisch, dass dadurch ein gesteigertes Interesse am Leben im Meer und an Meerestieren geweckt werden kann, was wiederum dazu beitragen kann, dass die Menschen ihre Ernährungs- und Konsumgewohnheiten überdenken, um zur Wiederherstellung von Lebensräumen und Fischpopulationen beizutragen.
«Um eine nachhaltige Zukunft zu schaffen, müssen wir die Auswirkungen unseres Handelns als Menschen und Technologen verstehen. Indem wir Systeme und Technologien entwickeln, die unseren ökologischen Fussabdruck minimieren, können wir den Weg für eine produktive und gleichzeitig umweltbewusste Zukunft ebnen»Prof. Dr. Robert Katzschmann, Leiter des Soft Robotics Lab der ETH Zürich
Ein neues Zuhause für Riffbewohner per 3D-Druck
rrreefs ist ein ETH Spin-Off, das von vier Frauen geleitet wird - Ulrike Pfreundt, Marie Griesmar, Hanna Kuhfuss und Josephine Graf.Dr. Ulrike Pfreundt ist Expertin für tropische Ozean-Ökosysteme, sie versteht die Dynamik des Ozeans aus der Sicht seiner kleinsten Bewohner. Marie Griesmar erlernte nach ihrem Masterabschluss in Bildender Kunst digitale Fertigungsverfahren, um künstliche Riffstrukturen weiterzuentwickeln.
Als Ulrike und Marie sich an der ETH Zürich kennenlernten, ergab sich ein perfektes Duo. Beide haben eine tiefe Verbundenheit mit dem Meer. Ihre Leidenschaft wurde durch das Tauchen verstärkt; eine Möglichkeit, sich mit der Unterwasserwelt auf einer anderen Ebene zu verbinden. Sie haben die Schönheit von Korallenriffen gesehen, aber leider auch deren Zerstörung. Dieser Verlust der Artenvielfalt motivierte sie, sich über die Ökologie der Riffe zu informieren und Lösungen zu finden, um diese empfindlichen Ökosysteme zu erhalten.
Wiederaufbau von Riffstrukturen mit 3D-gedruckten Tonmodulen
In den letzten 30 Jahren hat die Welt die Hälfte ihrer Korallenriffe verloren, und es wird erwartet, dass bis 2050 mehr als 90 % aller Riffe verschwinden werden.
rrreefs hat es sich zur Aufgabe gemacht, geschädigte Korallenriffe wieder aufzubauen, um eine reiche Meeresflora und -fauna wiederherzustellen, die Küsten zu schützen und die Widerstandsfähigkeit der Küstengemeinden zu stärken. Ihre Riffsysteme bieten ein neues Zuhause für Rifforganismen und fördern die Ansiedlung von Korallenlarven. Es handelt sich um ein modulares System aus 3D-gedruckten rrreef-Modulen, die aus natürlichem Ton hergestellt werden.
Die Zukunftsvision von rrreefs ist die Wiederbelebung von 1 % der Korallenriffe an der Küste bis 2033. Sie sind der Meinung, dass Unternehmen, Institutionen und Einrichtungen eine Verantwortung für unseren Planeten tragen und die Möglichkeit haben, positive ökologische Auswirkungen zu erzielen.
Sensibilisierung für den Wert von Korallenriffen
Die Forschung und Feldarbeit von Rrreefs eröffnet einen Raum der Möglichkeiten, der Hoffnung wecken und gleichzeitig Wirkung zeigen soll. Alle, die aktiv zum Schutz der Korallenriffe beitragen wollen, können dies tun, sei es, indem sie sich beim nächsten Tauchurlaub über die lokalen Herausforderungen informieren, Müll aus dem Meer sammeln oder Organisationen wie rrreefs von zu Hause aus unterstützen. rrreefs kann durch eine einfache Spende unterstützt werden oder indem man Teil seiner Gemeinschaft wird, um das Bewusstsein für den Verlust der Korallenriffe zu stärken.
«Wir haben eine Möglichkeit für Changemaker und Pionier:innen geschaffen, um einen positiven ökologischen Effekt zu erzielen»Marie Griesmar, Mitbegründerin von rrreefs
Strategische Spiele für nachhaltiges Palmöl
Der Ende der 1960er Jahre im Irak geborene Professor Jaboury Ghazoul zog nach Grossbritannien, um Evolutionsökologie zu studieren, und ist heute Professor für Ökosystemmanagement. Ein charakteristisches Merkmal seiner Arbeit im Bereich Ökologie und Umwelt in den Tropen wie auch in Europa ist ihr transdisziplinärer Aufbau: Jaboury legt großen Wert darauf, Partner:innen aus Wissenschaft und Praxis in Forschungsprojekten zusammenzubringen. Seit mehr als sieben Jahren arbeitet er mit einem grossen Team von Partner:innen aus Kamerun, Kolumbien und Indonesien an der Umsetzung eines komplexen Projekts, das sich mit der Frage beschäftigt, wie der Ölpalmenanbau nachhaltiger gestaltet werden kann.
Erforschung von Szenarien für die Palmölproduktion
Die Ausdehnung von Ölpalmenplantagen ist eine der Hauptursachen für die Abholzung von Wäldern und die Veränderung der Landnutzung in den Tropen. Diese Ausdehnung bringt den Ländern, Unternehmen und Kleinbäuer:innen, die Palmöl produzieren, beträchtliche Gewinne ein - aber sie ist mit ökologischen und sozialen Kosten verbunden, die über die Gebiete hinausgehen, in denen die Ölpalme angebaut wird.
Im Rahmen des Projekts "Oil Palm Adaptive Landscape" hat Jabourys Team alternative Szenarien für die Ausdehnung des Ölpalmenanbaus entwickelt. Neben der wissenschaftlichen Arbeit und mit dem Ziel, Informationen für die Politik und die Entwicklung der Landnutzung zu liefern, hat das Team interessierte Parteien einbezogen, die in der Lage sind, die Politik im tropischen Asien, Afrika und Lateinamerika zu beeinflussen. Diese Interessengruppen konnten gemeinsam mit Landwirt:innen verschiedene Szenarien für die Entwicklung des Ölpalmenanbaus erkunden, indem sie strategische Spiele durchführten, die auf den integrierten Modellen des Teams aufbauten, die soziale, wirtschaftliche und ökologische Faktoren, die das Ölpalmengeschäft beeinflussen, zusammenführen.
Empfehlungen basierend auf Wissenschaft und Praxis
Jaboury und seine Forschungspartner:innen sind davon überzeugt, dass die Entscheidungsträger:innen, um einen Wandel herbeizuführen, eine Politik entwerfen und verabschieden müssen, die die Ölpalmen produzierenden Länder auf den Weg einer "grünen" Entwicklung bringt. Dies setzt voraus, dass sie in einem Umfeld der Unsicherheit ein Gleichgewicht zwischen Entwicklungs- und Naturschutzzielen herstellen.
Um ihre Botschaft an eine Vielzahl von Zielgruppen zu vermitteln, haben Jaboury und seine Partner:innen leicht zugängliche Videos, Blogs und andere Veröffentlichungen wie z. B. Policy Briefs erstellt. Die Erkenntnisse, die sie aus der Zusammenarbeit mit verschiedenen Partner:innen und aus der Veränderung der Naturlandschaft gewinnen, können den Weg in eine integrativere und nachhaltigere Zukunft ebnen.
«Bei der Ölpalmenproduktion liegt der Schwerpunkt häufig auf den Umweltauswirkungen und nicht auf den sozialen und wirtschaftlichen Chancen. Und das müssen wir ändern.»Prof. Dr. Jaboury Ghazoul, Professor für Ökosystemmanagement, ETH Zürich
Nachhaltige Waldbewirtschaftung
Professorin Verena Griess hat den Wald schon immer geliebt. Fasziniert von den vielen Funktionen und Vorteilen, die Waldgebiete bieten, studierte sie Forstwirtschaft mit dem Schwerpunkt Waldmanagementplanung.In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit der Frage, wie diese Ressourcen heute und in Zukunft am besten genutzt werden können. Sie entwickelt neue Ansätze für die Inventarisierung von Waldressourcen, entwickelt Entscheidungshilfesysteme für die Bewirtschaftung gefährdeter Wälder und Instrumente zur Vermittlung von Forschungsergebnissen an alle, die sich für Wälder interessieren.
Nachhaltige Waldbewirtschaftung tangiert etliche SDGs
Wälder bieten viele Vorteile wie sauberes Trinkwasser, Schutz vor Naturgefahren, Holz und Nutzholz, sowie Lebensraum für Wildtiere. Doch trotz ihres unglaublich hohen Wertes werden sie oft in einer Weise bewirtschaftet, die ihrer langen Lebensdauer nicht gerecht wird. Dies bedeutet, dass die Art und Weise, wie die Waldressourcen weltweit heute bewirtschaftet werden, ihren Nutzen für künftige Generationen untergräbt. Verena ist überzeugt, dass wir durch eine bessere Bewirtschaftung der Wälder diese Vorteile nicht nur erhalten, sondern auch ausbauen können. Sie glaubt, dass Wälder Lösungen für viele der heutigen sozialen Herausforderungen bieten.
Die Suche nach neuen Wegen zur nachhaltigen Bewirtschaftung gefährdeter Wälder trägt direkt zu mehreren SDGs bei. Zum einen können Wälder zur Armutsbekämpfung beitragen, indem sie beispielsweise Arbeitsplätze bieten, insbesondere für marginalisierte Gruppen wie Frauen in ländlichen Gebieten (SDG 1, 5 und 8). Sie können zur Ernährungssicherheit beitragen, indem sie Tieren und Pflanzen Schutz bieten und Lebensmittel liefern, die in Waldgebieten wachsen (SDG 2). Das Vorhandensein von Wäldern in städtischen Gebieten hat nachweislich positive Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit - sowohl psychisch als auch physisch (SDG 3). Wälder tragen zur Versorgung mit sauberem Wasser bei (SDG 6), ihr Holz kann als erneuerbare Energiequelle genutzt werden (SDG 7), und ihre Fähigkeit, Kohlenstoff zu binden, spielt eine wichtige Rolle bei unseren Bemühungen, den Klimawandel zu bekämpfen (SDG 13). Allein in der Schweiz beherbergt der Wald über 26’000 Arten, von denen rund die Hälfte als Arten von nationaler Priorität für den Schutz des Lebens an Land gelten (SDG 15).
Ein Joker im Kampf gegen den Klimawandel
Verena will mit ihrer Forschung die vielfältigen Risiken, denen der Wald ausgesetzt ist, besser verstehen und quantifizieren und mit diesem Wissen die Folgen einer nicht nachhaltigen Bewirtschaftung der Waldflächen vorhersagen.
«Für eine nachhaltige Zukunft müssen wir die negativen Auswirkungen der menschlichen Gesellschaft auf die natürlichen Systeme verringern. Wir müssen ökologische Prozesse besser verstehen und anfangen, von den vielen Lösungen zu profitieren, die die Natur bereits bietet. Ein großer Schritt wird darin bestehen, unsere Verkehrssysteme, die Energieerzeugung und -nutzung sowie die Bauindustrie zu überdenken»Prof. Dr. Verena Griess, Lehrstuhl für Waldressourcenmanagement, ETH Zürich
Die Bedeutung von gesundem Grasland
Das Interesse von Professorin Nina Buchmann an der Ökosystemökologie hat sich im Laufe der Jahre auf immer mehr Disziplinen ausgeweitet, von der Bodenkunde über die Pflanzenökophysiologie bis zur Ökosystemökologie. Heute ist sie eine ausgewiesene Expertin für Grasland, mit einem starken Interesse an funktioneller Biodiversität und dem Austausch von Treibhausgasen zwischen der Biosphäre und der Atmosphäre.
Welche Art von Fragen stellt eine Graslandforscherin?
Nina ist davon überzeugt, dass es wichtig ist, wissenschaftliche Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie Grasland, aber auch Ackerland und Wälder funktionieren und wie sie durch Landnutzung, Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt beeinflusst werden. Angetrieben von einem Gefühl für die Dringlichkeit der aktuellen Probleme, liefert ihre Arbeit Erkenntnisse über diese Ökosysteme, z. B. über den Zielkonflikt zwischen Nahrungsmittelproduktion und Kohlenstoffspeicherung - und wie er gelöst werden kann.
Ninas Forschungsgruppe untersucht, wie Ökosysteme wie Grasland, Ackerland und Wälder Treibhausgase aufnehmen oder ausstossen. Ihre Forschung quantifiziert, wie diese Ökosysteme durch Klimaextreme oder Bewirtschaftung beeinträchtigt werden, und sucht gleichzeitig nach Lösungen - zum Beispiel, wie die Kohlenstoffsenke erhöht oder die Treibhausgasemissionen verringert werden können. Ein aktueller Schwerpunkt der Gruppe ist die Erforschung der Lachgasverluste von Acker- und Graslandflächen. Ein weiterer Forschungsbereich ist die Untersuchung der funktionalen Pflanzenvielfalt und der Ökosystemdienstleistungen, die Grasland bietet.
Mit ihrer Gruppe sucht Nina nach Antworten auf eine Reihe von Fragen. Wann sind Wälder Kohlenstoffsenken und können wir diese Senken erhöhen? Wie reagieren die Schweizer Ökosysteme auf den Klimawandel und wie können wir die negativen Auswirkungen reduzieren? Warum stossen Ackerflächen so viele Treibhausgase aus und wie können wir dies vermeiden? Warum hat die Pflanzenvielfalt im Grasland so viele Vorteile, und wie können wir sie in der Landwirtschaft nutzen?
Handlungen haben Konsequenzen
Um eine nachhaltige Land- oder Forstwirtschaft zu verwirklichen, muss man nach Ninas Überzeugung in Systemen denken, in denen Prozesse, Funktionen und Auswirkungen eng miteinander verbunden sind. Noch wichtiger ist ihrer Meinung nach, dass wir über die Folgen unseres Handelns nachdenken müssen. Wenn wir zum Beispiel Biomasse ernten, um uns oder unsere Tiere zu ernähren, hat dies auch Auswirkungen auf den Boden und die Atmosphäre. Die Ernte von Biomasse kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, manche umweltfreundlicher als andere. Bei der Nachhaltigkeit geht es darum, Win-Win-Lösungen zu finden, die ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Zielen herstellen, und die dann angenommen und umgesetzt werden können. Wenn wir zusammenarbeiten, kann es uns gelingen, unsere Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit umzugestalten.
«Wir müssen in Systemen denken, um die großen Herausforderungen zu bewältigen, vor denen wir derzeit stehen»Prof. Dr. Nina Buchmann, Professorin für Graslandwissenschaften, ETH Zürich
Mithilfe von sozialen Medien Frieden schaffen
Dr. Medinat Malefakis studierte in Nigeria an der Ahmadu Bello University Zaria und an der Nigerian Defence Academy, bevor sie als Gastdoktorandin nach Zürich kam. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf den humanitären Herausforderungen von Zwangsvertreibungen infolge von Konflikten und Terrorismus. Medinat analysiert die Friedenskonsolidierung, die sich parallel zu einem laufenden Konflikt entwickelt. Sie sieht darin eine Möglichkeit, die Vertreibung zu verringern und die Reintegration und Rehabilitation zu fördern. Digitale Technologien spielen in ihrer Arbeit eine Schlüsselrolle.
Ein Konfliktkatalysator und ein Instrument der Friedensförderung
In ihrer Forschung untersucht Medinat den Einsatz sozialer Medien und anderer digitaler Technologien in Konflikten und sozialen Bewegungen in Nigeria. In ihrer Arbeit untersucht sie deren Potenzial als friedensfördernde Instrumente anstelle als Katalysatoren für Konflikte und Terrorismus.
In Zeiten von Konflikten neigt die digitale Technologiebranche dazu, einen Interventionsmodus einzunehmen, der sich oft auf die Regulierung von Hetzsprache und Desinformation beschränkt. Die Arbeit von Medinat geht darüber hinaus und befasst sich mit dem Handeln und der gelebten Realität der von Konflikten betroffenen Menschen. Anhand der Fallstudie einer sozialen Bewegung in Nigeria - der #ENDSARS-Bewegung und dem terroristischen Aufstand von Boko Haram - schlägt sie ein neues Modell für die gemeinsame Entwicklung von Initiativen zur Friedenskonsolidierung vor. Die Idee ist, Gruppen, die anfällig für Konflikte sind, die durch digitale Technologien ausgelöst werden, in die Lage zu versetzen, ihren eigenen Weg der Friedensförderung zu definieren. Medinat ist überzeugt, dass die Ko-Kreation friedensfördernde Prozesse nachhaltiger machen wird.
Sie ist sich der komplexen Dynamik bewusst, die den Verlauf von Konflikten auf der ganzen Welt und speziell in Nigeria bestimmt, und glaubt, dass ein grösseres Bewusstsein für die verschiedenen Wege, auf denen soziale Medien diese Dynamik beeinflussen und verstärken, zur Stärkung der Friedensförderung genutzt werden kann.
Friedenskonsolidierung vor Entwicklung
Frieden ist die Voraussetzung für Entwicklung. Gesellschaften machen bessere Fortschritte, wenn sozial- und wirtschaftspolitische Massnahmen in einem sicheren Umfeld entwickelt und umgesetzt werden. Durch die Förderung einer Methode, die es den von Konflikten betroffenen Gruppen ermöglicht, die für sie geeigneten Mechanismen zur Friedenskonsolidierung vorzuschlagen, trägt die Forschung von Medinat auch zu Inklusivität, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit bei. Digitale Technologien und soziale Medien nehmen einen großen Teil unserer Aufmerksamkeit in Anspruch und sind damit ein wichtiges und solides Instrument der Friedensförderung.
«Bei meiner Forschung geht es um die Förderung des Friedens in konflikt- und kriegsgebeutelten Gesellschaften.»Dr. Medinat Malefakis, Dozentin im Departement für Geistes-, Sozial- und Politikwissenschaften, ETH Zürich
Bessere Gesetze dank Künstlicher Intelligenz
Elliott Ash ist bekannt für sein Fachwissen in den Bereichen Rechtswissenschaft, Ökonomie und Datenwissenschaft. Er setzt eine breite Palette von Tools aus der Sozialwissenschaft und der Datenanalyse ein, um Einblicke in die Komplexität von Gesetzen und des Rechtssystems zu gewinnen.
Seit seiner Jugend ist Elliott fasziniert von Staatsführung und gesellschaftlicher Organisation und arbeitet daran, das Leben der Menschen durch bessere Institutionen zu verbessern. An der Universität untersuchte er das Strafrecht als einen entscheidenden Aspekt der Politik und bezog Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in juristische Entscheidungen ein. In seiner Doktorarbeit untersuchte er die Auswahl und Überwachung von Richter:innen und nutzte computergestützte Tools, um die Einstellungen und Prioritäten von Politiker:innen anhand ihrer Reden und Schriften zu analysieren.
Einsatz von KI zur Demokratisierung des Rechts
Elliotts Team untersucht Recht und Politik mit einer Mischung aus sozialwissenschaftlichen und datenwissenschaftlichen Instrumenten. So haben sie beispielsweise ein System zur Erkennung von Korruption in brasilianischen Kommunalverwaltungen entwickelt. Sie untersuchten auch, wie die von Richter:innen wahrgenommenen Geschlechterstereotypen ihre Entscheidungen in Fragen der Geschlechterrechte beeinflussen. In einem Projekt mit Schwerpunkt Indien untersuchten sie geschlechts-, religions- und kastenbezogene Vorurteile unter Richter:innen.
Eine gut funktionierende Justiz braucht Rechtsgrundlagen, die öffentlich zugänglich sind. Gesetze sind jedoch immer schwerer zu verstehen, da sie aufgrund von Technologie und Globalisierung immer komplexer werden. Medienorganisationen haben aufgrund geringerer Ressourcen und zunehmender Politisierung Schwierigkeiten, Urteile zu übersetzen. Künstliche Intelligenz bietet nun eine gewisse Hoffnung für die Verbesserung der Zugänglichkeit von Gesetzen: Elliotts Forschung zeigt, wie KI komplexe Rechtsbegriffe in lesbare Zusammenfassungen von Gerichtsurteilen übersetzen kann.
Vorurteile abbauen
Das Recht wird zur Bewältigung von Konflikten eingesetzt, sowohl innerhalb eines Landes als auch international. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, brauchen Richter:innen Fähigkeiten und Anreize, um Entscheidungen zu treffen, die mit den gesellschaftlichen Normen übereinstimmen. Technologie und gut funktionierende Institutionen können die Voreingenommenheit, die diese Arbeit bei Richter:innen und politischen Entscheidungsträgern beeinträchtigen kann, verringern.
«Wir müssen die Anreize für politische Entscheidungsträger:innen mit der Öffentlichkeit in Einklang bringen und gleichzeitig der Öffentlichkeit Zugang zu mehr Informationen verschaffen. Wir müssen darauf vertrauen, dass die Menschen auf lange Sicht die richtigen Entscheidungen treffen, wenn sie alle Informationen erhalten.»Prof. Dr. Elliott Ash, Assistenzprofessor für Recht, Wirtschaft und Datenwissenschaft, ETH Zürich
Konfliktbewältigung vor der Kamera
2017 machte sich eine internationale Forschergruppe daran, einen 68-minütigen Dokumentarfilm mit dem Titel "Inequality and Conflict: Beyond Us and Them" zu produzieren.
Für Dr. Jeanine Reutemann, seit 2022 Leiterin des ETH LET EduMedia Hub, Dr. Claudia Zingerli, ehemals Koordinatorin des Swiss Programme for Research on Global Issues for Development (www.r4d.ch) und seit 2022 Leiterin ETH Sustainability, und Professor Lars-Erik Cederman, seit 2003 Professor für Internationale Konfliktforschung an der ETH Zürich, wurde es eine transformative Reise. Gemeinsam mit Forschungspartner:innen aus dem von Lars-Erik geleiteten Projekt Ethnic Power Relations sowie zwei weiteren Forschungsteams aus insgesamt 11 Ländern haben sie einen Film produziert, der ein breites Publikum über forschungsbasierte Lösungen für friedlichere, gerechtere und integrative Gesellschaften informiert, die auf einzigartige Weise miteinander sprechen. Das Projekt bringt Erkenntnisse aus Guatemala, Nigeria, der Schweiz, Sri Lanka und Indonesien zusammen.
Nuancierte Forschung und persönliche Geschichten
Der Forschungsdokumentarfilm entstand durch die Zusammenarbeit über die Grenzen von Orten und Menschen hinweg, wobei verschiedene Arten von Wissen und Erfahrungen im Umgang mit Ungleichheit und Konflikten berücksichtigt wurden. Nicht-akademische Partner:innen traten als Protagonist:innen auf und teilten ihre Lebenserfahrungen sowie die Bilder von Ungleichheit in ihrem Umfeld. Diese Beiträge schufen neue Verbindungen zwischen verschiedenen Schauplätzen, Massstäben, Konzepten und Forschungsergebnissen und trugen dazu bei, einen Film zu schaffen, der die Forschungsergebnisse in einen Kontext stellt und Lösungen für friedlichere, gerechtere und integrativere Gesellschaften aufzeigt. Als ein Prozess der Synthese von Forschungsergebnissen kombiniert und ergänzt der Film ausgewählte Ergebnisse, die aus den unterschiedlichen Methoden dreier Forschungsprojekte hervorgegangen sind, die sich mit der Frage befassen, wie soziale Konflikte auf der ganzen Welt entschärft werden können.
Die persönlichen Geschichten der Protagonist:innen tragen dazu bei, nuancierte und detaillierte Forschungserkenntnisse zugänglicher zu machen und dem Publikum einen direkteren Zugang zu den globalen Fragen der ethnischen Machtverhältnisse, der Ungleichheit der Geschlechter und der Bewältigung einer schmerzhaften Geschichte zu ermöglichen. Dies sind notwendige Zutaten, um die gesellschaftlichen Konflikte von heute zu verstehen und eine Politik der Friedensförderung zu beraten.
The international production team around filmmaker Jeanine collaborated on-site and off-site. Their work revealed how people and groups with similar experiences of social conflict had very different perspectives and perceptions of that conflict. Time and again, they found evidence that the reality is always more complex than the binary ‘them against us’ narrative. The film reveals the story of people taking the struggle for inclusion beyond that narrative, without shying away from addressing painful pasts, discrimination and conflict.
Filmemachen für nachhaltige Entwicklung
Filmemachen kann die Art und Weise verändern, wie wir Wissenschaft und globale Themen sehen und darstellen. Visuelle Darstellungen und gesprochene Zeugnisse offenbaren eine menschliche Dimension von Ungleichheit und Konflikten, die in der abstrakteren Welt der Daten oft verborgen bleibt.
«Wir leben in einer Zeit, in der alternative Fakten und Fake News die politische Entscheidungsfindung verzerren, und (...) die Verbindung zwischen Ungleichheit und Konflikten könnte sich dadurch sogar noch verschärfen. Wir müssen diese Probleme aufklären, und dafür brauchen wir evidenzbasierte Forschung.»Lars-Erik Cederman, 2019
Bündelung von Fachwissen in Wissenschaft und Gesellschaft
Das Transdisciplinarity Lab (TdLab) wurde vor einem Jahrzehnt gegründet, um Wissenschaft und Gesellschaft im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung zu verbinden. Das Team besteht aus 18 Personen mit unterschiedlichem Hintergrund in den Geistes-, Sozial-, Natur- und Ingenieurwissenschaften. TdLab fördert Forschung und Bildung, die sich mit den Herausforderungen der Nachhaltigkeit befassen, indem es Fachwissen aus verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen und gesellschaftlichen Sektoren zusammenführt. Das TdLab bietet Plattformen für die Zusammenarbeit in Forschung und Lehre und unterstützt andere ETH-Gruppen in ihren transdisziplinären Bestrebungen.
Transdisziplinarität
Transdisziplinarität bedeutet, Expert:innen aus verschiedenen Bereichen der Wissenschaft und Praxis zusammenzubringen, um Herausforderungen umfassend anzugehen. Dieser Ansatz ist besonders wichtig für die Nachhaltigkeit, wo Partnerschaften notwendig sind, um Probleme effektiv anzugehen.
Die Forschung des TdLab geht über die traditionellen disziplinären Grenzen hinaus und beinhaltet eine enge Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Partner:innen. In einigen Projekten werden transdisziplinäre Methoden und Theorien entwickelt, während in bestimmten Bereichen transdisziplinäre Forschung angewandt wird. Ihre Themen werden von gesellschaftlichen Anliegen bestimmt, wie z.B. das Gleichgewicht zwischen Biodiversität und Energiewende, akademischer Flugverkehr, Energiegemeinschaften und die Entwicklung der Schweizer Bahnhöfe.
Inklusive Teilhabe
Transdisziplinäre Forschung und Lehre ermöglichen eine inklusive Teilhabe und Beiträge zu einer nachhaltigen Entwicklung. Die SDGs sind für die Zukunft unseres Planeten von entscheidender Bedeutung, und es ist wichtig, dass sich jeder mit ihnen befasst. Partnerschaften sind notwendig, um verschiedene Sektoren zu vereinen und ihre einzigartigen Perspektiven, Fähigkeiten, Erfahrungen und Fachkenntnisse zu nutzen.
«Wir sind der festen Überzeugung, dass unser kollektives und individuelles Handeln für die Schaffung einer nachhaltigen Zukunft entscheidend ist.»Prof. Dr. Michael Stauffacher und Prof. Dr. Christian Pohl, Co-Direktoren des Transdisciplinarity Lab (TdLab) an der ETH Zürich
Zusammenarbeit mit der Industrie für nachhaltige Lösungen
Das Sustainability in Business Lab (sus.lab) ist Teil der Gruppe für Nachhaltigkeit und Technologie am Departement für Management, Technologie und Ökonomie der ETH Zürich. Es wurde 2016 aus dem Bedürfnis heraus gegründet, Nachhaltigkeitsforschung schneller in die Praxis zu bringen.
Brücke zwischen Wissenschaft und Industrie
sus.lab arbeitet an industriebezogenen Projekten in Zusammenarbeit mit der Industrie, politischen Entscheidungsträger:innen und der akademischen Welt, meist in einer Think-and-Do-Tank-Funktion. Ihre übergeordnete Aufgabe besteht darin, den Übergang zu einer Netto-Null-Wirtschaft und einer Kreislaufwirtschaft voranzutreiben.
Da das sus.lab eine Brücke zwischen Wissenschaft und Industrie schlägt, ist es in der Lage, grundlegende Lücken in der Industrie zu erkennen und sie auf der Grundlage neuester Forschungsergebnisse zu schliessen, während es gleichzeitig den wirtschaftlichen und politischen Kontext sowie die gesellschaftlichen Bedürfnisse berücksichtigt. In ihrer Funktion sind sus.labs oft Koordinator:innen und Vermittler:innen zwischen den verschiedenen Akteur:innen eines Ökosystems und wenden eine systemische Sichtweise auf die Herausforderungen an, die sie zu lösen versuchen.
Kompromisse eingehen
Die Gesellschaft fühlt sich mit dem Klimaschutz überfordert, der in verschiedene Richtungen drängt. sus.lab ist der Ansicht, dass es immer wichtiger wird, umfassende Lösungen zu finden, um einen reibungslosen Übergang zu Netto-Null zu gewährleisten, ohne die Ressourcen zu erschöpfen.
In diesem Zusammenhang ist der Umgang mit Kompromissen eine grosse Herausforderung, da verschiedene Interessengruppen unterschiedliche Interessen verfolgen. Um diese Kompromisse wirksam zu bewältigen, ist es von größter Bedeutung, starke Partnerschaften, Kooperationen und Zusammenarbeit aufzubauen, sowohl vertikal entlang der Wertschöpfungskette, horizontal über Themen und Sektoren hinweg als auch geografisch. Dieser umfassende Ansatz kann uns zeigen, wie wir unsere Stärken gegenseitig ergänzen können, und er kann uns zu tragfähigen Lösungen für eine nachhaltige Zukunft führen.
«Letztendlich streben wir danach, die relevanten Interessengruppen zusammenzubringen, um umfassende Lösungen zu finden und reale Auswirkungen zu erzielen.»Oliver Akeret, sus.lab Co-Lead
Die ETH Zürich - Ein "Living Lab" für Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit hat an der ETH Zürich eine lange Tradition, nicht nur in Forschung und Lehre, sondern in allen Bereichen des Hochschullebens. Der umfassende Nachhaltigkeitsansatz der Hochschule, der ökologische, soziale und ökonomische Dimensionen umfasst, leitet ihre strategische Entwicklung in den Kernbereichen Forschung, Lehre, Campusbetrieb und Dialog mit der Gesellschaft
Transformationen für die Nachhaltigkeit
Die Forschenden und Dozierenden der ETH Zürich konzentrieren sich auf die drängendsten Probleme der Welt und arbeiten gemeinsam mit Kooperationspartner:innen an der nachhaltigen Entwicklung. Dies geschieht sowohl auf Departementsebene als auch in spezialisierten interdisziplinären Forschungsnetzwerken oder Kompetenzzentren, wie zum Beispiel dem Word Food System Centre oder ETH for Development.
Als Institution und Arbeitgeberin ist die ETH Zürich bestrebt, ein partizipatives, respektvolles und vielfältiges Arbeitsumfeld zu schaffen. Der Campus dient als "Living Lab", um wegweisende Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung zu entwickeln und umzusetzen, wie zum Beispiel die Initiativen ETH Netto-Null, Hindernisfreiheit und Respekt, die alle Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigen.
Dialog und Partnerschaften
Die ETH Zürich beteiligt sich auch aktiv an der Förderung der nachhaltigen Entwicklung durch ihr Innovationsökosystem, das Wissenschaft, Wirtschaftsförderung, Industrie und den öffentlichen Sektor zusammenbringt, sowie durch öffentliche Debatten und Beratung. Sie erbringt wertvolle Dienstleistungen für staatliche Behörden auf Bundes-, Kantons- oder Gemeindeebene, indem sie Fachwissen zur Verfügung stellt, das die Politik und die Entscheidungsfindung auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und Fakten unterstützt.
«Für Institutionen mit einer hohen Reputation wie die ETH Zürich ist es heute wichtig, im Bereich der Nachhaltigkeit 'walk the talk' zu betreiben. Mit ehrgeizigen Forschungs- und Studienprogrammen sowie einem soliden organisationalen Verständnis, das zeigt, was funktioniert und was nicht, navigieren wir sorgfältig durch die Herausforderungen der Nachhaltigkeit auf verschiedenen Ebenen»Dr. Claudia Zingerli, Leiterin ETH Sustainability