Plastikrecycling soll kein Selbstzweck sein
Kunststoffe im Kreislauf halten zu wollen entspricht dem Zeitgeist – doch hohe Sammelquoten nützen wenig, wenn das Rezyklat nur begrenzt Neuware ersetzt, meint Magdalena Klotz.
Das Recycling von Plastik ist im Trend. Die Sammelstellen eines städtischen Pilotprojekts in Zürich Höngg und Schwamendingen wurden mit Kunststoffverpackungen förmlich überfüllt¹, sogar aus anderen Quartieren brachten Menschen ihren Plastikabfall dorthin. Dieses Recyclingbedürfnis beruht oft auf der Ansicht, dass im Kreislauf geführte Materialien die Umweltfolgen unseres Konsums kompensieren können. Um diesen Zweck zu erfüllen, müssten unter anderem die recycelten Materialien zu einem grossen Teil Primärressourcen ersetzen.
Davon sind wir bei Plastik – wie bei den meisten anderen Materialien – aber weit entfernt: Aktuell sind in der Schweiz nur etwa 7 Prozent der etwas mehr als einer Million Tonnen verwendeten Kunststoffe recycelter Abfall.2 Und ich denke, dass sekundärer Kunststoff auch in Zukunft Neuware nur zu einem kleinen Teil ersetzen kann, wenn wir nichts am System ändern.
Situation heute
Eine naheliegende Möglichkeit, Plastikrecycling zu steigern, ist, mehr Abfall separat zu sammeln. Entsprechende Initiativen gibt es auf lokaler und regionaler Ebene derzeit einige in der Schweiz. Viele zielen auf gemischte Kunststoffe aus Haushalten ab, für die es noch kein landesweites Recyclingsystem gibt und die heute grösstenteils energetisch verwertet werden, sprich verbrannt. Auch die Migros will eine Gemischtsammlung für Plastikverpackungen einführen.³ Getränkeflaschen aus PET und andere Plastikflaschen sammeln wir dagegen schon lange.
Kunststoffe kommen aber nicht nur im gut sichtbaren Verpackungsbereich vor. Auch in Fensterrahmen, Staubsaugern und Autos bis hin zu Siloballenfolien und T-Shirts werden Kunststoffe verwendet. Der Abfall dieser Produkte wird ebenfalls recycelt – teilweise sogar in beachtlichen Mengen.2 Trotzdem wurden von den insgesamt 790'000 Tonnen Plastikabfall in der Schweiz im Jahr 2017 nur 9 Prozent recycelt.
Sammeln erhöht die Recyclingrate
Für die niedrige Recyclingrate gibt es Gründe. Ein Teil der Plastikabfälle lässt sich nur sehr schwierig getrennt sammeln. Und vom getrennt gesammelten Abfall (etwa 20 Prozent) geht mehr als die Hälfte bei den Sortier- und Recyclingprozessen verloren – das trifft auch auf die gemischten Plastikverpackungen aus Haushalten zu.⁴ Als Wissenschaftlerin wollte ich wissen, inwiefern sich die Recyclingrate in Zukunft steigern lässt.
Diese Frage haben wir unlängst mittels Stoffflussanalysen untersucht. Dazu haben wir die Sammelquoten der 2017 gesammelten Kunststofffraktionen auf 80 Prozent erhöht – eine Rate, die für PET-Flaschen, Papier oder Alu bereits erreicht wird. Das Resultat: Mit erhöhtem Sammeleffort bei sonst gleichbleibenden Prozessen könnten wir die Recyclingrate auf insgesamt 23 Prozent steigern.2 Das ist zwar immer noch bescheiden, aber doch mehr als das Doppelte der heutigen Recyclingrate.
Begrenzte Aussagekraft für die Umwelt
Doch was bringt uns eine Recyclingrate von 23 Prozent? Für meine Forschung interessiert mich vor allem die ökologische Sicht: Kunststoffrecycling ist für die Umwelt vor allem dann vorteilhaft, wenn das gewonnene Sekundärmaterial Neuware ersetzt und so die CO2-Emissionen der Plastik-Produktion vermeidet. Gemäss unseren Analysen dürfte das mit einem intensivierten Sammelregime ohne zusätzliche Systemänderungen nur teilweise möglich sein wird. Der Grund dafür wird klar, wenn man das Material Plastik genauer anschaut.
Die verschiedenen Plastiksorten bestehen aus Polymerketten und Zusatzstoffen, die sich nahezu unbegrenzt kombinieren lassen. Weil man mehrere 100'000 Abfallfraktionen schlicht nicht separat verwerten kann, werden viele zusammen recycelt. Diese Mischung führt jedoch dazu, dass das sekundäre Plastik andere Eigenschaften hat als das ursprüngliche. Deshalb kann dieses sogenannte Rezyklat in der Regel nur in gewissen Produkten in bestimmten Anteilen eingesetzt werden. Die insgesamte Menge an Rezyklat, die Primärmaterial ersetzen kann, ist dadurch begrenzt.
«Für die Zukunft erwarte ich, dass das Potenzial für ökologisch sinnvolles Plastikrecycling niedrig sein wird, sofern wir ausschliesslich mehr Abfall sammeln und nichts an den Recyclingwegen und am Produktdesign ändern.»Magdalena Klotz
Berücksichtigt man diese limitierte Aufnahmemöglichkeit von Sekundärmaterial, können im Modell nur rund 75 Prozent des Rezyklats Primärkunststoff ersetzen.2 Damit sinkt die theoretisch mögliche Recyclingrate von 23 Prozent auf eine tatsächlich erreichbare Recyclingrate von nur noch 17 Prozent. Im Jahr 2017 konnten die Sekundärmaterialmengen noch vollständig in die Produktion zurückfliessen, da sie so gering waren. Wenn wir das Plastikrecycling jedoch steigern, ändert sich das.
Wir müssen die Rezyklatnutzung mitdenken
Ich stelle in meiner Arbeit immer wieder fest: Die meisten Studien und politischen Ziele zu Recycling berücksichtigen den Aspekt der Rezyklatverwendung kaum. Auch das Ziel der EU, bis 2025 die Hälfte aller Plastikverpackungen zu recyceln, fokussiert einseitig auf das hergestellte Rezyklat. So kann es passieren, dass man die erreichbaren Umweltvorteile überschätzt, weil in Realität überschüssiges Rezyklat lediglich in zusätzliche Produkte fliessen und damit den Konsum erhöhen könnte.
Für die Zukunft erwarte ich, dass das Potenzial für ökologisch sinnvolles Plastik-Recycling niedrig sein wird, sofern wir ausschliesslich mehr Abfall sammeln und nichts an den Recyclingwegen und am Produktdesign ändern.
Ich sage damit nicht, dass sich Plastikrecycling nicht lohnt. Im Idealfall spart es Energie und CO2-Emissionen, vermeidet schädliche alternative Entsorgungswege und schont Ressourcen. Nur: Der gefüllte Sammelsack der Migros und das zerlegte Altfahrzeug allein können diese Umweltvorteile nicht garantieren. Um sie tatsächlich zu erzielen, müssen wir zusätzlich den gesammelten Plastikabfall spezifischer sortieren und Produkte – wo möglich – einheitlicher designen, um beim Recycling Mischung zu vermeiden. Dann könnte das Rezyklat in der Produktion vermehrt Primärplastik ersetzen.
Referenzen
1 NZZ am Sonntag (06.03.2021) externe Seite Bald könnten wir Plastik wie PET-Flaschen sammeln
2 Klotz M, Haupt M, Hellweg S. externe Seite Limited Utilization Options for Secondary Plastics May Restrict Their CircularityWaste Management 141 (2022). doi: externe Seite 10.1016/j.wasman.2022.01.002
3 Migros: externe Seite Sammeln statt wegwerfen
4 Klotz M and Haupt A. High-Resolution Dataset on the Plastic Material Flows in Switzerland, submitted for publication