Von sparsamen Motoren, gebeamter Information und invasiven Brummern
Das Jahr 2013 ist bald vorüber. Man ist geneigt zu sagen, so schnell wie es begonnen hat, war es schon wieder vorbei. Die ETH-News-Redaktion fasst zusammen, was das vergangene Jahr spannend, aufregend, anstrengend und nicht zuletzt auch erfreulich machte. Mit diesem Rückblick verabschiedet sich die Redaktion in die Weihnachtspause, die von 23.12. bis 5.1. dauert. Allen ETH-News-Leserinnen und -Lesern wünschen wir frohe Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr.
Januar
Die Wissenschaftsgemeinschaft spekulierte während des ganzen Monats, für welche zwei grossangelegte Forschungsprojekte die EU ihren Geldhahn öffnen würde. Als Gewinner standen schliesslich neben dem «Human Brain Project» das Projekt «Graphene» fest, an dem ETH-Forschende beteiligt sind. Europäische Gelder erhielten auch die zwölf ETH-Wissenschaftler, denen ein ERC Advanced Grant zugesprochen wurde. Bei diesen Auszeichnungen belegt die ETH Zürich mittlerweile zusammen mit der Universität Oxford den Spitzenplatz: keine andere Hochschule erhielt bisher mehr davon. Ehre wurde auch ETH-Professor Markus Gross zuteil. Für eine von ihm mitentwickelte Software, welche Rauch und Explosionen realitätsnah darstellt, wurde er mit einem «Technik-Oscar» ausgezeichnet. Forschende der ETH untersuchten ausserdem, in welchen Schweizer Regionen der Immobilienmarkt Blasen bildet. Und sie meldeten eine Methode zum Patent an, um das in der Schönheitsmedizin verwendete Botox ohne Tierversuche zu testen.
Februar
Das Bienensterben beschäftigte Kinogänger und Forscher. Honigbienen sind wichtige Bestäuber, aber für eine reiche Ernte sind viele andere Insekten essenzieller. Verhaltensforscher zeigten, wie eine Infektion in der Schwangerschaft und Stress während der Pubertät zusammenspielen und eine spätere Schizophrenie beeinflussen. Mit dem Very Large Telescope entdeckten ETH-Exoplanetenforscher zum ersten Mal eine zirkumstellare Scheibe, die einem Planeten in seiner frühen Entstehungsphase entspricht. Forschende der ETH Zürich und des Schweizerischen Erdbebendienstes installierten in Bhutan temporäre Erdbeben-Messstationen. Dass Zürich mit einem intelligenten Stromnetz mehr Elektrofahrzeuge verkraften könnte, zeigte ein gemeinsames Projekt von ETH und EWZ. Hohe Wellen warf eine Studie des KOF zur geplanten Energiewende.
März
Zur Richard-R.-Ernst-Vorlesung begrüsste die ETH Zürich Chemienobelpreisträger Ahmed Zewail. Dafür musste sich die Forschung vom Observatorium Herschel verabschieden, dem nach seiner langen Reise das Kühlmittel ausging. Auf einer neuen Cloud-Computing-Plattform vernetzten sich Roboter, um ihr Wissen auszutauschen und voneinander zu lernen. Ein gigantisches globales Stromnetz, das erneuerbare Energie aus abgelegenen Winkeln in die Verbraucherzentren der Welt transportieren soll, stiess international auf Interesse. ETH-Forschende simulierten, wie sich ein wärmeres Klima auf den Wald in den Schweizer Alpen auswirkt. Sie stellten fest, dass bereits um zwei Grad höhere Temperaturen gravierend sein könnten. Im März legte der ETH-Rat zudem die Erhöhung der Studiengebühren auf Eis und die ETH eröffnete die Molecular Health Sciences Platform, das neue Lehr- und Forschungszentrum der molekularen Gesundheitswissenschaften.
April
Mit mehreren Meldungen aus dem medizinischen Bereich machte die ETH Zürich im April auf sich aufmerksam: Mit einer hochpräzisen Atemluftanalyse konnten Forscher Krankheiten besser diagnostizieren. Ein neu entwickeltes Messgerät machte es erstmals möglich, lokale Veränderungen der Gewebekonsistenz beispielsweise bei Komplikationen in der Schwangerschaft zu erfassen. Überdies zeigten Forschende erstmals auf, dass sich weisse und braune Fettzellen ineinander umwandeln können, was zu neuen Therapien für fettleibige Menschen führen könnte. Auch im Ingenieurbereich warteten ETH-Wissenschaftler mit Neuerungen auf: Zusammen mit IBM entwickeln ETH-Forscher ein neues Photovoltaik-System, das eine 2000-fache Konzentration des Sonnenlichts aufnehmen sowie Trinkwasser produzieren und Kälte erzeugen kann. Neuartige Nanokristalle könnten in Lithium-Ionen-Batterien der nächsten Generation eingesetzt werden. Und ein weiteres Material machte Schlagzeilen: Ein Verbundstoff, der sich selbst wieder in seine ursprüngliche Form bringt.
Mai
Im Hinblick auf die im September anstehende Abstimmung zur Aufhebung der allgemeinen Wehrpflicht nahm eine ETH-Studie das Resultat unwissentlich vorweg: Deutlich mehr Personen als im Vorjahr sprachen sich für die Wehrpflicht aus. Physiker der ETH Zürich wiesen einen der wichtigsten Effekte der Quantenoptik mit Mikrowellen nach, und ein an der ETH entwickelter Mikroroboter war dazu in der Lage, die Sauerstoffversorgung des Auges zu messen. Wichtige Posten wurden neu besetzt: Stefan Wiemer wurde neuer Direktor des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED), Michael Ambühl, einst Staatssekretär für Internationale Finanzfragen, Professor für Verhandlungsführung und Konfliktmanagement. Und Giovanni Felder übernahm die Direktion des neuen Instituts für Theoretische Studien, das dank einer Donation in der Höhe von 50 Millionen Franken gegründet werden konnte. Mit 10 Millionen Franken ging eine neue Professur für Tiefengeothermie an den Start. Grund zum Jubeln hatte die Konjunkturforschungsstelle KOF, die am 16. Mai ihr 75-jähriges Bestehen feierte. Die ETH verlor mit Heinrich Rohrer einen «ihrer» Nobelpreisträger. Er starb im Alter von 79 Jahren.
Juni
Der Monat Juni stand im Zeichen des Nachwuchses. Während ein 9-jähriges Mathegenie Schlagzeilen machte, weil es an der ETH studieren wollte, präsentierte ein ETH-Masterstudent die erste fluorfreie Outdoor-Jacke. Der 41-jährige Olivier Voinnet erhielt den mit 200‘000 Franken dotierte Max-Rössler-Preis. Der Professor für RNA-Biologie stiess mit seinen Entdeckungen im Bereich der Molekular- und Zellbiologie ein zentrales Dogma in der Biologie um. Forschende am Institut für Biomechanik fanden einen Weg, Ohrimplantateherzustellen, die nicht nur echt aussehen, sondern sich auch echt anfühlen, und Lebensmittelwissenschaftler präsentierten ein Hybridmaterial aus Gold und Milchproteinen, das Blattgold für Schokolade und in Kosmetika ersetzen könnte. Edward Snowden brachte Big Data in aller Munde – ETH-Experten für Verschlüsselungen und den Umgang mit grossen Datenmengen waren gefragter denn je.
Juli
Der Juli startete fulminant mit dem Zürifest, und auch die ETH war dabei: In nur drei Tagen sammelte eine ETH-Forschungsgruppe mithilfe einer App über 23 Millionen GPS-Punkte und konnte so aussagekräftige Heatmaps zu den Besucherströmen erstellen. Kurz vor den Sommerferien musste die ETH Zürich mitteilen, dass Doris Fiala den Titel «Master of Advanced Studies» nicht mehr führen darf. Ein externes Gutachten kam zum Schluss, dass die von ihr verfasste Arbeit Plagiate enthält. ETH-Forscher entwickelten eine neue Markersubstanz und konnten damit bestimmte Tumorarten hochauflösend sichtbar machen. Kleine Meereswirbel prägten Wind und Wetter und kleine Meereslebewesen wurden erstmals in einem Planktonatlas verewigt. Als in St. Gallen aufgrund eines Geothermieprojekts die Erde bebte, war nicht nur der Schweizerische Erdbebendienst zur Stelle, auch ETH-Expertise zum Potenzial dieser Energiegewinnung war gefragt.
August
Es war der Monat mit vielen neuen Erkenntnissen zur Erde und zum Universum: Jetzt wissen wir besser, warum alte Galaxien scheinbar wachsen oder warum es alle hunderttausend Jahre zu einer Eiszeit kommt. Der arktische Permafrostboden setzt den gespeicherten Kohlenstoff frei und beim Tohoku-Beben von 2011 verschoben sich zwei Erdplatten um zwei bis drei Kilometer nach Osten. Gute Neuigkeiten gab es aus dem zwischenmenschlichen Bereich: Muttermilch transportiert gute Bakterien, ETH-Forscher verhelfen zu besserem Blickkontakt beim Skypen und Pendler bilden ein verborgenes Netzwerk aus vertrauten Fremden. Physiker und Science-Fiction-Fans freuten sich gleichermassen über die Meldung, dass ETH-Forschern das Beamen gelungen ist. Informationen wurden auf einem Chip immerhin sechs Millimeter weit teleportiert. Und es gab eine erfreuliche Meldung aus ETH-Sicht: Neun Forscherinnen und Forscher erhielten einen ERC Starting Grant. Der europäische Forschungsrat (ERC) unterstützt ihre Projekte mit total 16 Millionen Schweizer Franken.
September
Anfang September standen ETH und Uni Zürich einmal mehr ganz im Zeichen der «Scientifica», welche mit dem Thema Risiko grossen Anklang beim Publikum fand. Von Erfolgen berichtete auch das Singapore ETH Center, das nach den ersten drei Jahren Forschung Bilanz zog. Erfreulich war zudem das Ergebnis des QS-Hochschulrankings, bei welchem die ETH Zürich den zwölften Platz erreichte. Dass die ETH in «Engineering & Technology» zurecht gar in den Top 10 landete, bewiesen Forschende unter anderem mit einem neuartigen Erdgas-Diesel-Hybridmotor, der die für 2025 angepeilte Reduktion des CO2-Ausstosses schon heute erreicht. Die Dringlichkeit von Klimaschutzmassnahmen zeigte auch der neue IPCC-Bericht, an dem verschiedene ETH-Forschende massgeblich beteiligt waren. Unter den 2706 Bachelorstudierenden, die Mitte September ihr Studium aufnahmen, erfreuten sich die Maschineningenieurwissenschaften besonderer Beliebtheit. Die Neuankömmlinge wurden von ETH-Rektor Lino Guzzella begrüsst, der wenige Tage später zum Nachfolger von ETH-Präsident Ralph Eichler gewählt wurde, der Ende 2014 in Pension gehen wird.
Oktober
Im Oktober gab es viel zu feiern. Die Teilchenphysiker freuten sich mit Peter Higgs und François Englert über den Nobelpreis für Physik. Die beiden Wissenschaftler erhielten den Preis für die theoretische Vorarbeit, die in die Entdeckung des Higgs-Bosons am Cern mündete. Grund zum Feiern hatte auch die Stelle für Chancengleichheit, die ihr 20-jähriges Jubiläum mit einer Ausstellung und einer Podiumsdiskussion beging. In Orléans sorgten zwei ETH-Architekten mit einem Raum aus künstlichem Sandstein, den sie mit einem 3D-Drucker erschaffen hatten, für Furore. Ein Schweizer Forscherteam präsentierte eine Methode, die Schmuckbetrügern das Handwerk legen soll: ein genetischer Fingerabdruck für Perlen beweist, woher diese stammen. Einen neuen Einblick in das Erdinnere ermöglichten Computersimulationen am CSCS und drängende Fragen auf der Erdoberfläche diskutierten Wissenschaftlerinnen und Praktiker am ETH-Raumplanungsgespräch.
November
Weltrekord von ETH-Computerwissenschaftlern: Sie simulierten mit einem Supercomputer in den USA den Kollaps einer Wolke von Tausenden Luftbläschen in einer Flüssigkeit in bisher nie erreichter Auflösung. Der Hochleistungsrechner «Piz Daint» am CSCS in Lugano, der schnellste Supercomputer Europas, wurde an einer Konferenz als weltweit energieeffizientester Petaflop-Rechner gekürt. Ausserdem arbeitete die ETH gemeinsam mit IBM an der Computertechnologie der Zukunft: Forschende starteten ein Projekt, in dem sie neue dreidimensionale Computerchips mit einem «elektronischen Blutkreislauf» versehen möchten. Im Rahmen der ESA-Mission Swarm wurden drei Satelliten ins All geschickt, mit denen unter ETH-Beteiligung das Erdmagnetfeld aus dem All vermessen werden soll. Am ETH-Tag erklärte Rektor Lino Guzzella, warum er statt des Begriffs Bildungslandschaft lieber den einer Bildungsmaschine verwendet, in der die Akteure im Bildungswesen wie die Zahnräder einer Maschine ineinandergreifen.
Dezember
Obwohl der Dezember im ETH-News-Jahresrückblick der kürzeste Monat ist, gab es auch hier einige Highlights: Maksym Kovalenko wurde mit dem Ruzicka-Preis für seine Arbeit am grossen Forschungsfeld der kleinen Kristalle geehrt. ETH-Forschende entdeckten, dass unglücklich verliebte Hefezellen sich dank Proteinklumpen an die «schlechte Erfahrung» erinnern. Invasive Erdhummeln aus Europa verdrängen im südlichen Südamerika einheimische Arten und invasive Salmonellen verdrängen die Darmflora mit Energie aus Wasserstoff. Wer online gerne Dinge versteigert, sollte auf seine Reputation achten, denn diese lässt sich in bare Münze umwandeln. Ein Blick in die Zukunft zeigte, dass Smartphones dank einer neuen App bald zum 3D-Scanner und Quadrokopter dank einer Failsafe-Software zum absturzsicheren Postboten werden könnten.