Das war das Jahr 2024 an der ETH Zürich
Im Jahr 2024 hat die ETH Zürich erneut gezeigt, dass sie weiterhin zur Weltspitze in Forschung und Lehre gehört. Sei es in den Bereichen Biologie, Energiewissenschaften oder Weltraumforschung.
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Im Jahr 2024 machte die ETH Zürich in der Spitzenforschung international von sich reden, aber nicht nur: Seit September bildet die Hochschule rund 30 Studierende im neuen Master-Studiengang Space Systems aus. Ihre Fähigkeiten werden in der wachsenden Raumfahrtwirtschaft gefragt sein. Und weil der Kosmos immer häufiger zum Forschungsgegenstand von Erdwissenschaftler:innen geworden ist, hat das ETH-Departement Erdwissenschaften seinen Namen geändert: Es heisst nun Departement Erd- und Planetenwissenschaften (D-EAPS).
Forschende dieses Departements untersuchten, wie Stickstoff, Kohlenstoff und andere Bausteine des Lebens auf die Erde gekommen sind. Sie vermuten, dass sie mit kosmischem Staub auf unseren Planeten herabregneten und die Biochemie zum Laufen brachten.
Mit einem Blick in die Erdgeschichte gingen Ökologen und Geologen den langfristigen Auswirkungen von relativ schnellen Klimaveränderungen auf den Grund: Es dauert länger als bisher angenommen, bis sich ein neues Klimagleichgewicht einstellt, und die Pflanzenwelt braucht Jahrmillionen, um sich zu erholen. Der derzeitige Klimawandel wirkt sich im Übrigen auch auf die Lage und die Bewegung der Erdrotationsachse aus. Die Tageslänge auf der Erde nimmt zu, wenn auch nur geringfügig.
KI und Supercomputer als Gehilfen
Der über mehrere Jahre gelaufene Aufbau des Departements für Biosysteme wurde nun gekrönt: Im Frühjahr weihte die ETH in Basel ihr neues Lehr- und Forschungsgebäude ein. Im Juni folgte die Eröffnung des Neubaus Gloria Cube in Zürich. Er dient der Lehre, Forschung und Entwicklung in der Medizin. Und im September weihte die ETH in Lugano den neuen Supercomputer Alps ein. Er zählt zu den schnellsten der Welt und ist auf die Bedürfnisse der Künstlichen Intelligenz (KI) ausgerichtet.
Um ihre Kräfte bei der KI zu bündeln, intensivieren die ETH Zürich und die EPFL ihre Zusammenarbeit. Sie haben gemeinsam das Schweizerische Nationale Institut für KI gegründet.
KI hilft Chemiker:innen innert kürzester Zeit Wirkstoffe zu entwickeln, die genau zur Oberfläche von Proteinen passen. Das beschleunigt die Entwicklung neuer Medikamente. Eine andere KI erkennt eine schwere Erkrankung der Lungenarterien bei Neugeborenen. Auch die Frauenkrankheit Endometriose kann dank KI schneller erkannt werden: Ein Algorithmus des ETH-Spin-offs Scanvio wertet Ultraschallbilder der Gebärmutter automatisch aus.
Ein Hydrogel-Implantat von Forschenden der ETH Zürich und der Empa verhindert, dass Endometriose gar nicht erst entsteht. Es beugt dem Rückfluss von Menstruationsblut in den Eileiter vor.
Andere Forschende klärten auf, wie Darmkrebszellen die Leber besiedeln. Die Erkenntnisse helfen, Therapien zu entwickeln, die die Metastasierung von Darmkrebs verhindern sollen. Systembiolog:innen suchten Wirkstoffe gegen das Glioblastom. Sie fanden heraus, dass ein bekanntes Antidepressivum in der Zellkulturschale auch gegen diesen bösartigen Hirntumor wirkt. ETH-Forschende entdeckten zudem, dass Fettzellen ein Gedächtnis haben. Damit haben sie eine Ursache des Jo-Jo-Effekts entschlüsselt, der das Abnehmen erschwert.
Neue Nachhaltigkeitstechnologien
Um den vom Menschen verursachten Klimawandel abzuschwächen, kann CO2 aus der Atmosphäre gefiltert und zum Beispiel im Untergrund gespeichert werden. ETH-Forschende haben ausgerechnet, dass dies doppelt so teuer ist wie bisher angenommen. Chemieingenieur:innen entwickelten eine neue Technologie für diese CO2-Abscheidung. Sie basiert auf CO2-bindenden Molekülen, die auf Licht reagieren, und ist energieeffizienter als bisherige Methoden.
Diesselben Forschenden verhelfen Lithium-Metall-Batterien zum Durchbruch. Sie entwickelten eine neue Elektrolytflüssigkeit für solche Batterien. Damit könnte die Reichweite von Elektrofahrzeugen deutlich erhöht werden.
Auch Architekt:innen versuchen, CO2-Emissionen an der Quelle zu vermeiden und setzen vermehrt auf natürliche Materialien. Sie haben ein robotergestütztes 3D-Druckverfahren entwickelt, das Lehmkugeln ausschiesst und so Bauteile wie Mauern oder Säulen herstellt.
Ingenieur:innen entwickelten eine thermische Falle, um mit Sonnenenergie Temperaturen von über 1000 Grad zu erzeugen. So hohe Temperaturen werden etwa für die Stahlherstellung benötigt. Überschüssige Solarenergie zu speichern, ist allerdings noch immer eine Herausforderung. Ein mögliches Speichermedium ist Wasserstoff. ETH-Chemiker:innen entwickelten dazu einen Speicher aus rohem Eisenerz. Er kann Wasserstoff langfristig sicher speichern.
Urban Mining mit Molke
Chemiker:innen entwickelten eine Methode, um Seltene Erden effizient aus Elektroschrott zurückzugewinnen. Bisher werden diese Elemente kaum rezykliert, weil für die Rückgewinnung viel Energie und viele Chemikalien nötig sind. Die Erfindung wurde mit dem Spark Award 2024 geehrt, dem Preis für die vielversprechendste Erfindung der ETH Zürich.
Ebenfalls aus Elektroschrott fischen andere ETH-Forschende Edelmetalle wie Gold. Sie verwenden dazu einen Schwamm auf Basis von Molkenproteinen. Übrigens: Dieselben Molkenproteine, zu einem Gel verarbeitet, binden Alkohol im Magen und verhindern Alkoholvergiftungen.
Schlangenroboter und Quantencomputer
ETH-Physiker:innen sind dem Ziel, einen Quantencomputer zu bauen, näher gekommen. Sie fangen Ionen mit statischen elektrischen und magnetischen Feldern ein und führen an ihnen Quantenoperationen durch. ETH-Informatiker haben einen superschnellen Fluss-Algorithmus geschrieben, der mathematisch unübertrefflich ist. Er berechnet für Netzwerke jeglicher Art den maximalen Transportfluss bei minimalen Kosten – sei es für den Transport auf der Schiene, der Strasse oder für die Stromübertragung.
Das Autonomous Systems Lab entwickelte eine Art Schlangenroboter, dessen Schlauchkörper bis zu 100 Meter lang werden kann. Ausgestattet mit Kamera, Mikrofon und Lautsprechern soll Roboa künftig bei Rettungseinsätzen helfen und dort suchen, wo Menschen, Suchhunde oder andere Roboter nicht hinkommen.
Ingenieur:innen entwickelten ein Roboterbein mit einem völlig neuen Antriebssystem: künstlichen Muskeln. Sie ermöglichen schnelle Bewegungen und hohe Sprünge. Andere Forschende fanden heraus, dass eine präzise Messung von GPS-Signalen Hinweise auf Starkniederschläge geben kann. Sie wollen diesen Ansatz für bessere Unwettervorhersagen nutzen.
Neuartige Rollstühle und eine Detektiv-App
Sportwissenschaftler:innen und Maschinenbauer:innen verbessern das Training für Laufsportler:innen: Mithilfe eines Luftschildes können diese ohne Luftwiderstand und mit Höchstgeschwindigkeit trainieren. Eine von drei ETH-Studierenden, die zu den Olympischen Spielen in Paris fuhren, hatten damit trainiert.
Einen ganz anderen Wettkampf richtete die ETH Ende Oktober aus: Am Cybathlon massen sich 67 Teams aus 24 Ländern an einem Event, der alltagstaugliche Assistenztechnologien für Menschen mit Behinderung vorantreiben will. Eine solche Assistenztechnologie könnte künftig das Leben von Rollstuhlfahrer:innen erleichtern: Biomechaniker entwickelten einen Rollstuhl, der sich dank einer beweglichen Rückenlehne durch Gewichtsverlagerung steuern lässt. Mit einem neu gegründeten Start-up wollen sie ihn bald auf den Markt bringen.
Weitere Erfindungen sind Biosensoren, die nach Operationen Lecks in inneren Organen aufspüren, ein neuartiges steifes und zugleich schalldämmendes Material sowie eine Smartphone-App, mit der sich die Echtheit von Dokumenten und Gegenständen überprüfen lässt.
Zwar gehört die ETH Zürich in Forschung, Lehre und Innovation nach wie vor zur Weltspitze. Doch seit zwei Jahrzehnten hinken die der ETH zugesprochenen Mittel dem Wachstum der Studierendenzahlen hinterher. ETH-Präsident Joël Mesot und EPFL-Präsident Martin Vetterli möchten deshalb, dass Studierende als Erfolgsfaktor für die Schweiz betrachtet werden, nicht als Cash Cows. Sie forderten deshalb eine nationale Debatte über die Hochschulfinanzierung.