Riesiger Gasplanet und winziges Bild
Vom kleinsten je gedruckten Farbbild über die grössten Pflanzensamen der Welt bis hin zur Dunklen Materie in unendlichen Weiten des Universums – ETH-Forschung beschäftigte sich im abgelaufenen Jahr mit allen Dimensionen der unbelebten und belebten Natur und präsentierte faszinierende Erkenntnisse und geniale Erfindungen. Mit einer Auswahl an Höhepunkten lässt ETH-News das Jahr 2015 noch einmal Revue passieren.
Mit diesem Jahresrückblick verabschiedet sich die ETH-News-Redaktion in die Weihnachtspause. Wir freuen uns, Sie ab dem 4. Januar 2016 wieder mit täglichen Neuigkeiten versorgen zu dürfen. Frohe Festtage und ein gutes neues Jahr!
Januar
Mit dem neuen Jahr begann die Amtszeit von Lino Guzzella als Präsident der ETH Zürich. Er wurde auch in den Vorstand der Rektorenkonferenz Swissuniversities gewählt. Chemikerinnen und Chemiker machten von sich reden, weil sie eine neue Art von Glas entwickelten, die als Elektrodenmaterial die Kapazität und Energiedichte heutiger Lithium-Ionen-Batterien stark erhöhen könnte. Ein neues Computermodell zeigte, das ein riesiger Himmelskörper in den Mars eingeschlagen haben könnte. So könnten sich auf dem Planeten stark unterschiedliche Hemisphären ausgebildet haben. Forschende entwickelten eine einfache Methode, um besonders gut verträgliche Beschichtungen für Implantate wie Herzschrittmacher herzustellen. Dies soll zu weniger Komplikationen führen. Auch Auszeichnungen liessen sich im Januar feiern: Das Bundesamt für Energie verlieh dem Institut für Dynamische Systeme und Regelungstechnik den Watt d’Or in der Kategorie Energieeffiziente Mobilität. Innovationskraft auch bei den Spin-offs: 22 neue Firmen gründeten ETH-Forschende im Vorjahr.
Februar
Sternstunde für die Astrophysik: Ein internationales Forschungsteam entdeckte erstmals die Entstehung eines vierpoligen Sternensystems, das sich für astronomische Zeitverhältnisse äusserst rasch aus weit auseinanderliegenden Fragmenten einer fadenförmigen Gaswolke bildet. Sehr lange soll man Informationen dagegen speichern können – quasi für die Ewigkeit – wenn informationstragende DNS-Stücke in Glaskügelchen verkapselt und mit einer speziellen Software ausgelesen werden, so wie es ETH-Chemiker vorschlugen. Aufhorchen liess auch diese Meldung: Teile der Deutschschweizer Bevölkerung sind problematischen UV-Filtern, wie sie in Sonnen- und Hautcremes enthalten sind, in gesundheitsrelevanten Mengen ausgesetzt. Dies ergab eine Befragung von Konsumentinnen. Sternstunde für den Schriftsteller Adolf Muschg, emeritierter Literatur-Professor der ETH Zürich: Bundesrat Alain Berset ehrte ihn mit dem Schweizer Grand Prix Literatur für sein Gesamtwerk.
März
Forschende um Professor Manfred Kopf erhielten den Spark Award der ETH Zürich für eine neue Methode, welche Zellbestandteile einer Immunzelle erkennen kann. Andere Biologen entwickelten ein neues Verfahren, mit dem sie in Gewebeproben auf einen Schlag Tausende verschiedene Proteine bestimmen können. Die Technik hat das Potenzial, die Pathologie zu revolutionieren. Auch ein Männerproblem nahmen die Wissenschaftler ernst: Ein Genkonstrukt, das sich mit blauem Licht anschalten lässt und Erektionsstörungen beseitigt, machte weltweit Schlagzeilen. Und auch diese Entwicklung aus einem ETH-Labor stiess auf grosses Interesse: Forschende bauten aus Tabakzellen und Nanoröhrchen ein Thermometer, das mindestens hundertmal empfindlicher ist als bisherige Temperatursensoren. Ausserdem fanden Klimaforscher eine Antwort auf die Frage, ob Kältewellen, wie sie jüngst im Osten der USA auftraten, eine Folge des Klimawandels sind. Nein, sagten die ETH-Forscher und zeigten auf, dass die Temperaturvariabilität unter der globalen Erwärmung allgemein eher abnimmt. Und Evolutionsforscher lieferten erstmals eine plausible Erklärung dafür, weshalb die Coco-de-mer, die Seychellenpalme, die grössten und schwersten Samen im gesamten Pflanzenreich bildet.
April
ETH-Erdwissenschaftler warteten mit einer neuen Erklärung, wie die tibetischen Hochtäler entstanden sind. Sie und ihre Kollegen freuten sich ausserdem über das Verdikt des QS World University Ranking by Subject: Die Erdwissenschaftler der ETH Zürich sind die besten der Welt. ETH-Physiker sind Mitherausgeber der ersten Karte für dunkle Materie im Weltall, und ETH-Biologen präsentierten eine dreidimensionale Karte der Proteinherstellungs-Maschinerie in Zellen irdischer Lebewesen. Ein internationales Team unter der Leitung von ETH-Biologen entschlüsselte das Genom von Hummeln. Und Robotiker entwickelten ein System, um in grosser Zahl Referenzproben für archäologische Steinwerkzeuge herzustellen. Damit können Archäologen bestimmen, wozu ein Steinzeit-Werkzeug gebraucht wurde.
Mai
Ein erfreuliches Fazit zogen Kriminologen der ETH in einem Untersuchungsbericht: Die Gewalt unter Jugendlichen ging im Kanton Zürich in den letzten acht Jahren deutlich zurück. Insbesondere nahmen Raub, Erpressung und Mobbing ab. Am wenigsten deutlich sanken Fälle von sexueller Gewalt. ETH-Geologinnen und -Geologen entdeckten auf dem Grund des Neuenburgersees zufällig spektakuläre Krater. Sie gehören zu den weltweit grössten Unterwasserkratern in Binnenseen. Andere ETH-Erdwissenschaftler präsentierten einen neuen Erklärungsansatz für starke Erdbeben an der japanischen Küste. Die ETH Zürich schuf ein neues Game Technology Center und stärkte damit die Technologieforschung für Computerspiele. Ausserdem verlängerte sie ihr Engagement in Singapur: Die ETH Zürich und der Singapurer National Research Foundation führen dort das Future Cities Laboratory in den nächsten fünf Jahren weiter. Forschungsschwerpunkt ist die nachhaltige städtische Entwicklung.
Juni
Der Juni stand im Zeichen der Nachhaltigkeit und von neuen Materialien: Forscherinnen am World Food System Center untersuchten im Auftrag des Bundes, welches die grossen Forschungsherausforderungen sind für eine nachhaltige Produktion und einen nachhaltigen Handel mit Lebensmitteln in der Schweiz. Das House of Natural Resources, ein Vorzeigegebäude, bei dem unter anderem neue Bautechniken mit Laubholz erstmals zum Einsatz gekommen sind, wurde feierlich eingeweiht. Den Max-Rössler-Preis verlieh die ETH an David Norris, der Materialien mit besonderen optischen Eigenschaften entwickelt und unter anderem an farbig leuchtenden, winzigen Quantenpunkten und an neuartigen Nano-Lasern forscht. Andere Wissenschaftler entwickelten mit einem speziellen Verbundwerkstoff einen winzigen und einfach konstruierten Sensor zur Messung von CO2. Schliesslich konnte die ETH Zürich dank einer Donation ihr Zentrum für Informationssicherhiet ZISC ausbauen.
Juli
Der Monatsanfang stand unter einem guten Stern für Astronomen: zuerst beobachteten sie die Geburt eines Planeten, danach entdeckten andere Wissenschaftler ein besonders massereiches Schwarzes Loch. Dieses ist offenbar so schnell gewachsen, dass die Heimatgalaxie nicht mithalten konnte. Die Schulleitung veröffentlichte den Untersuchungsbericht zu den Vorwürfen, ein Professor der ETH Zürich habe Bilddaten manipuliert. Während Europa unter einer Hitzewelle ächzte, behielten Klimaforscherinnen der ETH einen kühlen Kopf: Sie zeigten auf, wie Hitzeperioden mit der Entstehung von «Blocking»-Inseln zusammenhängen. Mit einer Wärme spendenden Innovation warteten dagegen Materialforscher auf; ihnen ist es gelungen, ein isolierendes Garn aus Schlachtabfällen zu entwickeln. Auch mittels Quantenphysik kann (schall)isoliert werden, wie eine ETH-Studie zeigt: Ein Modell aus 270 Pendeln, die über Federn miteinander verbunden sind, lässt sich so aktivieren, dass nur die äusseren Pendel in Bewegung geraten.
August
Die ETH empfing Teams aus aller Welt zu einem Probelauf des Cybathlons. Der Cybathlon, bei dem sich Menschen mit Behinderung mithilfe neuster Assistenztechnologien einen einzigartigen Wettkampf liefern, findet im Herbst 2016 statt. Forschenden gelang es, aus einer neuen Klasse von Legierungen ein Material herzustellen, das extremen Drücken und Temperaturen standhält. Nichts anbrennen lassen auch die Isländer, die heisses Wasser seit Jahrzehnten für die Stromproduktion nutzen. ETH-Erdwissenschaftler konnten nun erstmals die Entstehung von extraheissen geothermalen Reservoiren simulieren. Gentechniker entschlüsselten den Mechanismus, der bei weiblichen Säugetieren eines der beiden X-Chromosomen ausschaltet. Beim Industry Day stellten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen den Industrievertretern ihre Forschung vor. ETH-Spin-offs machten mit der Entwicklung eines stabilen, nachhaltigen und erst noch günstigen Bambusvelos und cleveren Ideen für das smarte Heim von Morgen. Ende des Monats erfolgte der Spatenstich für Agrovet-Strickhof: In Eschikon bauen ETH Zürich, Universität Zürich und Kanton Zürich ein gemeinsames landwirtschaftliches Bildungs- und Forschungszentrum.
September
Den Auftakt zu diesem bewegten Monat bildete das aktualisierte Erdbebengefährdungsmodell des Schweizerische Erdbebendienstes. Dieses zeigte, dass auch in der Schweiz überall und jederzeit Erdbeben denkbar sind. Entwarnung gaben dagegen Biologen in anderer Sache: körperfremde Mikro-RNA-Moleküle können nicht über die Nahrung aufgenommen werden und den Stoffwechsel beeinflussen. Kurz vor dem Semesterstart begeisterten Forschende im Rahmen der Scientifica zum Thema Licht 25'000 Besucher. Zu Semesterbeginn konnte die ETH so viele neue Studentinnen wie noch nie zuvor willkommen heissen. Künftig wohl auch zu mehr Studiengängen: Gemeinsam mit weiteren Schweizer Hochschulen will die ETH ab 2017 einen neuen Medizinstudiengang anbieten. Beim QS-Ranking gelang der ETH erstmals den Sprung in die Top 10 der weltweit besten Hochschulen – was sich im THE-Ranking bestätigte. Ulrich Weidmann wurde zum neuen Vizepräsident für Personal und Ressourcen gewählt. ETH-Forschende sorgten mit einem Zahnersatz der besonderen Art für Furore. Schliesslich wurde die Materialforscherin Nicola Spaldin mit dem renommierten Körber Preis ausgezeichnet.
Oktober
Lino Guzzella und Patrick Aebischer reisten nach Brüssel. Nach Gesprächen mit EU-Vertretern machten die Präsidenten der beiden ETH klar, dass die Schweiz die volle Assoziierung zum europäischen Forschungsprogramm Horizon 2020 braucht. Pflanzenforscherinnen und -forscher fanden einen Weg, dass die Maniokpflanze höhere Mengen von Vitamin B6 in ihrer Wurzelknolle und ihren Blättern bildet. ETH-Physikern gelang es gemeinsam mit Kollegen von Princeton, einen Resonator für Elektronen zu bauen und die damit erzeugten stehenden Wellen auf ein künstliches Atom zu richten. Überdies zeigte eine neue Studie, dass auf dem Weg von der Scholle bis zum Teller mehr als die Hälfte der Kartoffelernte verloren geht. Bundesrat Johann Schneider-Ammann liess sich von ETH-Wissenschaftlern aus Informatik, Architektur, Maschinenbau und Robotik die Chancen und Risiken der Digitalisierung aufzeigen. Digital fabriziert wurde auch die vier Meter hohe Installation «Rock Print», die an der Architekturbiennale in Chicago zu sehen war.
November
Gemeinsam mit der Max-Planck-Gesellschaft eröffnete die ETH das neue Center für Lernende Systeme. Die Forschenden am neuen Center wollen verstehen, was die Intelligenz von Lebewesen ausmacht und wie sie das auf Roboter und Maschinen anwenden können. Lernen auch für die neugewählten Parlamentarier auf dem Programm. An einem von der ETH organisierten Einführungsanlass wurden die neuen National- und Ständerätinnen für ihre erste Session fit gemacht. Wissenschaftler brachten Wassertröpfchen das Trampolinspringen bei und kamen so bei der Entwicklung von Materialien, welche Eisbildung verhindern, einen grossen Schritt weiter. Lebensmitteltechnologen präsentierten einen neue, federleichte Form von Gold und Physiker entdeckten überraschend ein neues Teilchen. Es ist mit dem Weyl-Fermion verwandt, das der Mathematiker Hermann Weyl vor fast neunzig Jahren vorausgesagte. Vor hundert Jahre präsentierte Albert Einstein seine Allgemeine Relativitätstheorie. Sarah Springman zeigte an ihrem ersten ETH-Tag als Rektorin auf, wie sie den Studierenden das Rüstzeug für ihre spätere Berufstätigkeit mitgeben will. ETH-Biomechanikerin Sabrina Badir entschied den internationalen Ideenwettbewerb Falling Walls Lab für sich. Sie entwickelte ein Gerät, mit dem sich das Risiko für Frühgeburten bestimmen lässt.
Dezember
Geschäftig ging das Jahr zu Ende: Anfang Dezember eröffnete die Bi-City Biennale in den chinesischen Städten Shenzhen und Hongkong, mitkuratiert von zwei ETH-Architekten. Die ETH und Universität Zürich feierten die Eröffnung von Wyss Zurich, das wichtige Entdeckungen in der medizinischen Grundlagenforschung möglichst schnell in die Praxis übertragen soll. ETH-Forscher präsentierten ein aussergewöhnliches Diagnoseverfahren, das auf Licht-Doppelbrechung und speziellen Lipiden beruht. Damit könnten Ärzte rasch Infektionen wie HIV oder Ebola nachweisen. Biologinnen nahmen zudem erstmals den gesamten Bestand von Bakterienstämmen auf, die auf einer Pflanze leben: 10‘000 verschiedene Stämme wurden gezählt. Wie die Lebenszeit bei einem Wurm verlängert werden kann, zeigte ein Forschungsteam der ETH Zürich und eines Forschungskonsortiums in Jena. Beeinflusst man nur eines von 30 gefundenen «Alterungsgene», verlängert sich die gesunde Lebensspanne der Versuchstiere um mehr als einen Viertel. Weltrekord vor Weihnachten: Das kleinste Inkjet-Farbbild der Welt druckten ETH-Forschende in Zusammenarbeit mit einem ETH Spin-off. Das Bild aus gedruckten Quanten-Punkten misst lediglich so viel wie die Querschnittsfläche eines Haares. Und schliesslich machte ein implantierbares Genkonstrukt, welches über ein AND-Logikgatter verfügt und die Schuppenflechte bekämpft, für Schlagzeilen. Am Weihnachtsapéro blickte die Schulleitung nicht nur in die nahe und ferne Zukunft, sie verabschiedete auch den Vizepräsidenten Personal und Ressourcen, Roman Boutellier. Er hatte dieses Amt über sieben Jahre lang innegehabt und dabei den Ausbau des ETH-Campus‘ geprägt.